2021 droht Welle an Insolvenzen und Kreditausfällen
Die Fristen zur Stornierung von Kreditraten und zum Aussetzen der Insolvenzantragspflicht wurden verlängert. Doch diese Verlängerungen lösen nicht die Probleme, sie schieben sie nur auf. Stornierte Kreditraten müssen trotzdem irgendwann nachgezahlt werden und so manche Unternehmen hätten dieses Jahr auch ohne Coronakrise nicht überstanden. Stattdessen werden sie jetzt künstlich am Leben gehalten. Für das Jahr 2021 droht daher eine Welle an Insolvenzen und Kreditausfällen.
- Folgende Fristen in Bezug auf die Coronakrise wurden verlängert: Die Insolvenzantragspflicht setzt erst wieder ab dem 01.01.2021 ein und das Recht auf Ratenpausen bei bestimmten Krediten läuft noch bis zum 31.03.2021. (1), (2)
- Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht führt dazu, dass zum Teil Unternehmen geschützt werden, die selbst ein wirtschaftlich gutes Jahr 2020 nicht überlebt hätten.
- Nach Auslaufen der Fristen erwarten Banken eine hohe Anzahl an notleidenden Krediten. Banken werden vermutlich noch bis Ende 2022 mit den Coronafolgen zu kämpfen haben. (3)
- Aktuelle SCHUFA-Studie verstärkt die Sorgen. Gegenüber dem Jahresdurchschnittswert von 2019 nahmen außerdem die Kreditanfragen deutscher Unternehmen im März 2020 sogar um 40 Prozent zu. (4)
- Im Kreditgeschäft mit Privathaushalten besteht hingegen weniger Grund zur Sorge. (4)
Verlängerung der Insolvenzantragspflicht – Zombiefirmen als Folge
Die Bundesregierung hatte mit Beginn der Coronakrise beschlossen, dass Unternehmen, die nur aufgrund der Pandemie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken oder sogar insolvent geworden sind, ihre Geschäfte trotzdem zunächst weiterführen können. Die Insolvenzantragspflicht wurde dafür ursprünglich bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Diese Frist wurde nun bis zum Jahresende verlängert. (1)
Für viele Unternehmen, die unter der Coronakrise sehr leiden und vor Ausbruch des Virus ein erfolgreiches Geschäft führten, ist diese Maßnahme überlebensnotwendig. Allerdings profitieren auch die Firmen davon, die das Jahr 2020 selbst ohne Wirtschaftskrise nicht überstanden hätten. Durch die Verschiebung der Insolvenzantragspflicht werden sie aktuell nur künstlich am Leben gehalten. Von sogenannten Zombiefirmen ist dann die Rede.
Die folgende Grafik aus dem SCHUFA Risiko- und Kredit-Kompass 2020 verdeutlicht, welchen Einfluss die Insolvenzantragsregel auf die Zahl der Insolvenzen in Deutschland hat. Mit Beginn der Regel im März 2020 ging die Zahl der Insolvenzverfahren schlagartig zurück.
Spätestens dann, wenn Insolvenzanträge im Ernstfall wieder gestellt werden müssen, wird sich deutlich die Spreu vom Weizen trennen. Zahlreiche Markteilnehmer werden aller Ansicht nach im Jahr 2021 das Geschäft niederlegen müssen. Doch nicht nur die Zombiefirmen wird es treffen. Auch anderen Marktteilnehmern, wie etwa deren Lieferanten und Kunden, könnte es das Aus bedeuten. Mit dem Absatz- oder Lieferweg könnte ihnen nämlich auch die Geschäftsgrundlage wegbrechen.
Darüber hinaus erwarten Banken für 2021 große Probleme. Denn nicht nur Zombiefirmen sind ein prägender Begriff in der aktuellen Zeit, sondern auch Zombiekredite. Neben den staatlichen Maßnahmen ermöglichen es auch zinsgünstige Kredite, dass sich die Firmen künstlich am Leben halten können, obwohl sie faktisch schon insolvent und damit zahlungsunfähig sind. Läuft die verlängerte Frist für die Insolvenzantragspflicht aus und werden von den Banken ab April 2021 auch keine Ratenzahlungspausen mehr genehmigt, wird eine Welle an Kreditausfällen auf die Banken zurollen. Eine neue Finanzkrise aufgrund der zahlreichen notleidenden Kredite könnte die Folge sein.
BaFin erwartet 2021 Welle an Kreditausfällen
Zu Beginn der Coronakrise hatte der Bundestag beschlossen, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung-, Zins- oder Tilgungsleistungen gestundet werden können. Ursprünglich betraf diese Regelung Leistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig wurden. Die EBA, die European Banking Authority (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), verlängerte Anfang Dezember diese Frist für Kreditratenstornos bis zum 31.März 2021. Damit auch die Banken dabei mitmachen können, traf die EBA die Entscheidung, dass Banken für diesen Zweck keine weiteren Risikorückstellungen anstellen müssen. (2)
Diese Regelung zusammen mit der oben beschriebenen Problematik mit den Zombiefirmen lässt den Präsidenten der BaFin, Felix Hufeld, eine erste Welle an Kreditausfällen bereits für Anfang 2021 befürchten: „Die erste könnte es Anfang 2021 geben, wenn die Insolvenzantragspflicht wieder voll greift.“. Im Gegensatz zur Finanzkrise von 2008 hätten die Kreditinstitute im Allgemeinen heute zwar stärkere Kapitalpuffer. Doch Hufeld geht trotzdem davon aus, dass einige der schwächsten Banken diese Welle nicht überstehen werden. Auch bei der US-Ratingagentur Moody’s sind die Zukunftsaussichten getrübt. Es wird von einer Abschwächung der Kreditleistung im gesamten Euroraum und einer deutlichen Abschwächung der Rentabilität der Banken ausgegangen. Selbst wenn bald ein Ende der Coronakrise in Sicht ist, hätten die Kreditinstitute noch bis Ende 2022 mit den Auswirkungen der Krise zu kämpfen. (3)
Wo sich derzeit prozentual am Gesamtkreditvolumen eines jeweiligen Landes die meisten notleidenden Kredite befinden, zeigt die folgende Statistik:
SCHUFA-Studie bestätigt Sorgen
Mit dem SCHUFA Risiko- und Kredit-Kompass veröffentlicht die SCHUFA Holding AG jährlich einen Bericht zum Kreditverhalten deutscher Verbraucher und Unternehmen. Für die Ausgabe 2020 wurde nicht nur das Berichtsjahr 2019 berücksichtigt, sondern auch die ersten drei Quartale 2020. (4)
Der Studie zufolge ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den ersten drei Quartalen 2020 insgesamt und auch bei den betrachteten Kleinstunternehmen zurück. Das lässt den Rückschluss zu, dass diese Entwicklung auf die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zurückzuführen ist. Denn wie ließe sich auch anders erklären, dass in einem Krisenjahr weniger Insolvenzen zu verzeichnen sind als in wirtschaftlich guten Jahren? Diese Beobachtung ist ein weiteres Indiz dafür, dass Zombiefirmen weiterhin unterstütz werden und von den staatlichen Maßnahmen auch die Firmen profitieren, die so oder so schon längst pleite gegangen wären.
Darüber hinaus sank im Laufe des Jahres 2020 Monat für Monat der Anteil der Firmen, die mit mindestens einem Negativmerkmal bei der SCHUFA gespeichert sind. Zu den Negativmerkmalen gehören zum Beispiel fällige Forderungen, die nicht fristgerecht gezahlt wurden. Auch diese Beobachtungen könnten ein Beweis dafür sein, dass die staatlichen Zahlungen zur Aussetzung der Ratenzahlungspflicht das Bild verzerren. Interessant ist daher, wie sich der Anteil der Gewerbetreibenden mit Negativmerkmalen nach Auslauf der Ratenpausen entwickeln wird. Hinzu kommt, dass gegenüber dem Jahresdurchschnittswert von 2019 die Kreditanfragen deutscher Unternehmen im März 2020 sogar um 40 Prozent zugenommen hatten.
Zahlungsmoral der Privathaushalte kaum verändert
Während sich bei den Unternehmen und Selbstständigen deutliche Coronaeffekte beobachten lassen, ist die Zahlungsmoral der Privathaushalte bislang weitestgehend unverändert geblieben. Beispielsweise die Kreditausfallrate blieb in den ersten drei Monaten 2020 unverändert bei 2,1 Prozent, genau wie auch schon 2018 und 2019. Zwar gab es Veränderungen innerhalb der einzelnen Altersgruppen, doch fast immer gemäß des Trends der Vorjahre.
Während bei den Unternehmen die Kreditnachfrage zum Jahresbeginn deutlich über den Vorjahreswerten lag, war sie bei den Privathaushalten sogar darunter. In der KW 17 2020, also im April, lag die Zahl der neu abgeschlossenen Ratenkreditverträge um 33 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Quellen und weiterführende Links
(1) Der Bank Blog – Zombie-Angst im Mittelstand
(2) Reuters – EU extends relief measures for COVID-hit loans to March
(3) Bankenverband – Bankenbrief – Ausgabe 2020-232
(4) SCHUFA Holding AG – SCHUFA Risiko- und Kredit-Kompass 2020