Ausbildungsförderung statt Ausbildungskredit
Mit dieser Idee ging das Start-up Strival im Brandenburgischen im brandenburgischen Eberswalde an den Start. In Kooperation mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) wollen die beiden Gründer Marc Büttner und Dennis Hindenburg Ausbildung für jeden ermöglichen.
Getreu dem Motto „am Geld soll es nicht scheitern“ sollen Ausbildungswillige entsprechend gefördert werden. Was steckt hinter der Idee und wo liegen die Unterschiede zu einer herkömmlichen Finanzierung? Wir sprachen mit einem der Gründer, Dennis Hindenburg.
Crowdfunding für das Studium
Strival.com versteht sich als Social FinTech. Der Name leitet sich aus den englischen Begriffen „to strive“ (anstreben) und „capital“ (Kapital) ab. Ziel der Gründer ist es, Studierenden und Lernenden eine zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit an die Hand zu geben, wie es bei hochpreisigen Universitäten im In- und Ausland bereits vorgelebt wird.
Das junge StartUp aus Eberswalde (Brandenburg) konnte bereits drei Hochschulen für sich gewinnen und 5 Studierenden eine Finanzierung ermöglichen.
Das Wichtigste in Kürze:
Strival funktioniert als Förderung, nicht als Kredit. Es gibt weder einen festen Rückzahlungsplan, noch einen definierten Kreditzins. Adressiert werden auf Investorenseite vor allem Unternehmen, die eine Förderung als Instrument ihres Personalmarketings nutzen können. Studierende auf der anderen Seite bezahlen ihre Förderung mit einem Teil ihres künftigen Gehalts zurück. Wer zu wenig verdient, muss keine Rückzahlung leisten, auch andere Kosten entstehen dabei nicht.
Zunächst einmal sieht das ganze Konstrukt aus wie eine Kreditanfrage auf einer Plattform für die Vermittlung von Krediten von privat an privat. Die Gründer weisen in ihrem Vertragswerk jedoch explizit darauf hin, dass es sich hier nicht um ein Darlehen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches handelt, sondern um eine Förderung.
Dies wird daran festgemacht, dass es keinen vereinbarten Zinssatz gibt und die Rückzahlung der geliehenen Gelder von der Einkommenssituation des Finanzierungsnehmers abhängt. Die Abgrenzung zu den bisher üblichen Ausbildungsfinanzierungen verdeutlicht diese Tabelle:
BAföG | Studienkredit (KfW) | Bildungsfonds | Strival | |
---|---|---|---|---|
Gesamtrückzahlungsbetrag steht bei Beginn fest | Nein | Nein | Nein | Ja |
Zugang für alle Studenten | Nein | Nein | Nein | Ja |
Möglichkeit, die Konditionen selbst festzulegen | Nein | Nein | Nein | Ja |
Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern | Nein | Nein | Teilweise | Ja |
Finanzierungszusage ohne Immatrikulation | Nein | Nein | Teilweise | Ja |
Rückzahlungen können erlassen werden | Teilweise | Nein | Nein | Ja |
Kein Verschuldungsrisiko aufgrund Rückzahlung bei fehlendem Einkommen | Teilweise | Nein | Ja | Ja |
Finanzierung eines Auslandsstudiums | Teilweise | Eher nicht | Teilweise | Ja |
Kosten | Keine bei elternunabhängigem BaFöG | 3,48% pro Jahr | Bis zu 100% | Im besten Fall keine. Ansonsten einmalig 10% + selbstgewählte Rendite |
Quelle: Strival.com, eigene Recherchen
Wer kann Strival nutzen und wie funktioniert die Idee?
Das junge Unternehmen bietet seine Dienstleistung allen an, die sich (weiter-)bilden wollen. Das sind natürlich alle Studenten, aber auch Menschen, die eine Lehre oder Umschulung machen wollen, oder eine Sprachreise ins Ausland planen.
Die Förderung von Strival ist beliebig mit anderen Förderungen kombinierbar. Reicht beispielsweise das BAföG nicht aus, kann Strival die finanzielle Situation entspannen und mehr Liquidität bringen. Das Unternehmen rät aber dazu, zuerst die Möglichkeiten des BAföGs auszunutzen, da die staatliche Förderung deutlich günstiger ausfällt.
Im Gegensatz zu anderen Programmen, wie dem BAföG, dem Meister-BAföG oder auch dem KfW-Studienkredit, gibt es bei Strival keine Altersbegrenzung. Jeder, der sich an einer eingetragenen Bildungsstätte weiterbilden möchte, kann sein Projekt auf der Plattform online stellen. Das schließt.
Es handelt sich bei der finanziellen Förderung um keinen Kredit im klassischen Sinne. Zwar leiht sich jemand Geld und zahlt meist mehr zurück, als er bekommen hat, aber es fehlen festgeschriebene Zinsen und definierte Ratenzahlungen.
Besonderer Vorteil für Studierende
Ein Beispiel: Ein Student braucht (zusätzlich) 12.000 Euro. Strival schlägt einen Kostenanteil von 10 Porzent auf, macht 13.200 Euro. Zusätzlich bietet der Student dem Investor eine Rendite von 20 Przent an, macht 15.840 Euro. Das wäre die Finanzierungssumme, die der Investor bezahlt.
Der Studierende nutzt ab seines ersten Gehalts 10 Prozent seines Einkommens, um diese Summe zurückzuzahlen, wenn er mehr als 24.000 Euro verdient. Verdient er weniger als 20.000 Euro, pausiert seine Rückzahlung. Für Einkommen dazwischen gibt es eine Staffelung der Prozentbeträge.
Spannendes Personalmarketing für Unternehmen
Unternehmen setzen das Angebot als Teil ihres Personalmarketings ein und nutzen das entsprechende Budget. Für sie ist es immer ein gutes Geschäft: Vergeben sie eine Förderung, können sie das junge Talent damit zu sich locken, dass sie auf eine Rückzahlung verzichten. Springt der Kandidat nicht darauf an, bekommen sie ihr Geld (plus einer Rendite) zurück und haben nichts verloren.
Die Rückzahlungsphase
Das Konzept ist fast schon revolutionär, berücksichtigt es doch die Einkommensverhältnisse des Geförderten nach dem Studium. Um die Kostenseite bei Strival nach dem Examen zu verstehen, muss man einen Blick in das Vertragswerk werfen.
Grundsätzlich zahlt der Student nach seinem Abschluss zehn Prozent seines Bruttoeinkommens pro Jahr an den Geldgeber zurück. Start dafür ist das Jahr nach Ende der Ausbildung. Die geförderte Person wird jedoch von der Zahlung befreit, wenn das Einkommen monatlich 1.666,67 Euro unterschreitet.
Darüber hinaus findet eine Staffelung entsprechend dem Einkommen statt, wenn dieses 24.000 Euro oder weniger im Jahr beträgt. Auskunft gibt hier Paragraf 4, Absatz 4 des Bildungsförderungsvertrages von Strival:
Einkommenssituation nach dem Studium | Rückzahlung |
---|---|
Einkommen monatlich 2.000,00 € und größer oder gleich 1.963,00 € | 9 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.963,00 € und größer oder gleich 1.926,00 € | 8 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.926,00 € und größer oder gleich 1.889,00 € | 7 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.889,00 € und größer oder gleich 1.852,00 € | 6 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.852,00 € und größer oder gleich 1.815,00 € | 5 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.815,00 € und größer oder gleich 1.778,00 € | 4 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.778,00 € und größer oder gleich 1.741,00 € | 3 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.741,00 € und größer oder gleich 1.704,00 € | 2 Prozent |
Einkommen monatlich niedriger als 1.704,00 € und größer oder gleich 1.666,67 € | 1 Prozent |
Quelle: Strival.com
Anders als bei einem klassischen Kredit von privat an privat muss der Finanzierer in diesem Fall mit einem Totalausfall rechnen, wenn die geförderte Person bis zu ihrem Lebensende kontinuierlich weniger als 20.000 Euro im Jahr verdient.
Die Zahlungsströme werden von einem anderen FinTech abgewickelt. Dazu müssen sich beide Parteien bei Mangopay registrieren, einem Anbieter, der ähnlich wie PayPal funktioniert.
„Wir beobachten, dass die Unternehmer nur begrenztes Interesse an einer Rendite aus ihrer Förderung haben. Für sie bietet unsere Idee eine spannende Ergänzung zu ihrem Personalmarketing. Die Geförderten hingegen bieten von sich aus an, zwischen zehn und zwanzig Prozent als Dankeschön zusätzlich zum tatsächlich benötigten Geld zurückzuzahlen.“ (Dennis Hindenburg, Mitgründer Strival.com)
Praktische Beispiele zur Förderung bei Strival
Zunächst einmal stellt der angehende Student sein Bildungsvorhaben auf der Plattform vor. In Form von Crowdfunding können nun potenzielle Anleger das Studienvorhaben finanzieren. Ist die Finanzierungsphase abgeschlossen, werden die beantragten Fördergelder monatlich ausgezahlt.
Wer beispielsweise 24.000 Euro für den Magisterabschluss benötigt, erhält während des viersemestrigen Studiums monatlich 2.000 Euro. Dabei dürfen die zu finanzierenden Lebenshaltungskosten aber höchstens 1.500 Euro im Monat betragen.
Um es vorwegzunehmen: Die Zahl der Privatpersonen, die sich auf Strival als Geldgeber engagieren wird, dürfte überschaubar bleiben. Es ist nicht gesagt, wann die Rückzahlung der Gelder erfolgt, ebenso wenig, ob sie überhaupt erfolgt.
Voraussetzung für die Auszahlung der Gelder ist, dass die Summe vollständig eingesammelt wurde. Teilfinanzierungen sind nicht möglich.
Die primäre Zielgruppe als Finanzierer sind Unternehmen, die frühzeitig potenziell gute Mitarbeiter bereits während deren Studienphase an sich binden wollen. Der Bildungsförderungsvertrag sieht dazu vor, dass der Geldgeber auf eine Rückzahlung verzichten kann.
Dies erinnert ein wenig an die Praxis großer Unternehmen. Diese übernehmen die Kosten für ein Studium ihrer Mitarbeiter, beispielsweise an der Bankakademie. Im Gegenzug verpflichtet sich der Mitarbeiter, nach dem Abschluss für eine bestimmte Zeit beim Unternehmen zu bleiben.
Während ein Kredit von privat an privat oder ein Studienkredit mit Zinsen belastet ist, verhält es sich bei Strival anders. Der Student zahlt dem Geldgeber freiwillig einen prozentualen Betrag zusätzlich zur Tilgung zurück. Durch die immer individuelle Rückzahlung kommen durchaus unterschiedliche effektive Jahreszinsen heraus, wie die beiden folgenden Berechnungsbeispiele zeigen:
Rechenbeispiel 1, kurze Laufzeit:
Die Laufzeit betrug sieben Jahre bei einem Jahr Zahlpause wegen Unterschreiten des Mindesteinkommens. Sechs Jahre lang zahlte der Finanzierungsnehmer zehn Prozent seines Bruttoeinkommens.
Berechnungsposten | Betrag in Euro |
---|---|
Finanzierungsbedarf | 12.000 Euro |
Kosten für Nutzung von Strival 10 Prozent | 1.200 Euro |
Kosten für den Geldgeber | 2.640 Euro |
Gesamtrückzahlungsbetrag | 15.840 Euro |
Gesamtkosten | 3.840 Euro |
Effektiver Jahreszins nach interner Zinsfußmethode | 7,29 % pro Jahr |
Rechenbeispiel 2, lange Laufzeit:
Die Laufzeit betrug in diesem Beispiel 17 Jahre, da der Finanzierungsnehmer acht Jahre lang unter der Einkommensgrenze von 20.000 Euro lag. Für den Finanzierungsgeber wird das Investment umso unattraktiver, je häufiger es zu Zahlpausen kommt, da seine Gelder unverzinst gebunden sind.
Berechnungsposten | Betrag in Euro |
---|---|
Finanzierungsbedarf | 12.000 Euro |
Kosten für Nutzung von Strival 10 Prozent | 1.200 Euro |
Kosten für den Geldgeber | 2.640 Euro |
Gesamtrückzahlungsbetrag | 15.840 Euro |
Gesamtkosten | 3.840 Euro |
Effektiver Jahreszins nach interner Zinsfußmethode | 7,29 % pro Jahr |
Bei dieser Berechnung fällt der effektive Jahreszins trotz gleicher Eckdaten deutlich geringer aus. Grund dafür sind die zahlreichen Zahlpausen in der Rückzahlungsphase.
Setzt man die Kosten für die Plattform und den Geldgeber einmal in Relation zur Förderzahlung, machen diese immerhin in diesem Beispiel 32 Prozent auf das geliehene Geld aus. Die Kosten für den Geldgeber handelt der Finanzierungsnehmer selbst aus, respektive benennt den Betrag, den er zahlen kann, im oben genannten Beispiel immerhin 22 Prozent.
Je länger die Rückzahlung dauert, um so mehr relativiert sich diese Zahl aber, da eine echte Verzinsung nicht stattfindet. Die Kosten für Strival in Höhe von zehn Prozent der Finanzierungssumme stehen fest. Dieser Betrag wird vom Geldgeber mitfinanziert und bei Auszahlung der Förderung automatisch einbehalten.
Wie soll es für Strival weitergehen?
Das Unternehmen hat schon kurz nach dem Start drei Hochschulen gewonnen, denen es seine Plattform zur Verfügung stellt. Sie wird quasi als White-Label Lösung in das universitäre Netzwerk eingebracht, um den regionalen Bezug zu stärken und gleichzeitig die Networking Strukturen der Hochschule zu schützen.
Geht es nach den Gründern, erweitert sich sowohl der Kreis der Hochschulen, als auch der der Investoren, die im Umfeld dieser Bildungsinstitute nach neuen Talenten Ausschau halten. Zusätzlich denken die Macher von Strival darüber nach, die Studentenwerke zu integrieren, um ihre Idee noch stärker bei Studenten bekannt zu machen. Sie könnten dann das Konzept zu ihren Praktikumsbetrieben mitnehmen und als Multiplikatoren Strival zu einem starken Push verhelfen.
Autor: Uwe Rabolt
Co-Autor: Marc Opitz