Bausparkassen bekommen erweiterten Handlungsspielraum
Bausparkassen leiden unter der andauernden Niedrigzinsphase. Die alten Bausparverträge garantieren hohe Sparzinsen, erwirtschaften aber zu wenig Zinserträge aus Bauspardarlehen.
Die Bundesregierung hat am 29.12.2015 nun die Tür für erweiterte und neue Geschäfte geöffnet, die den Bausparkassen bei der Bewältigung der aktuellen Niedrigzinsphase helfen sollen. Wir haben die neuen Regelungen aufgearbeitet und uns mit dem Verband der Privaten Bausparkassen darüber unterhalten.
Der Verband der Privaten Bausparkassen e.V. drängt schon seit Jahren auf eine Lösung. Seit Anfang 2016 können die deutschen Bausparkassen nun wesentlich besser gegen ihr Zinsdilemma ankämpfen und optimistischer in die Zukunft blicken.
Den vollständigen Artikel mit weiteren Hintergrundinformationen finden Sie in unserem Ratgeber Bereich.
Bausparkassen in der Enge
Heute sind alte Bausparverträge eine feine Sache für die Bausparer, denn sie bringen hohe Guthabenzinsen ein. Gleichzeitig sind die Kunden nicht verpflichtet, das Bauspardarlehen zum damals festgeschriebenen Zins aufzunehmen.
Wenn sie eine Baufinanzierung abschließen, dann eher bei anderen Kredithäusern, deren aktuelle Angebote deutlich unter den einst festgeschriebenen Konditionen liegen.
Das verdeutlicht das Dilemma, in dem die Bausparkassen stecken: Sie zahlen hohe Guthabenzinsen, erzielen aber nicht wie geplant die entsprechenden Zinseinnahmen durch die Vergabe von Bauspardarlehen.
Der Leidensdruck wurde im Laufe der Zeit so groß, dass Bausparkassen versuchten, massenhaft alte Verträge zu kündigen oder ihre Kunden in dubiose Neuanlagen zu manövrieren (wir berichteten). Gerne tat man das sicher nicht. Wer möchte schon lang gehegte Kundschaft verprellen?
Alexander Nothaft, Leiter der Kommunikation beim Verband der Privaten Bausparkassen e.V. meint dazu:
„Die Nullzinspolitik der EZB drückt zweifellos auch auf die Erträge der Bausparkassen. Von einer Notsituation kann aber keine Rede sein. Die Bausparkassen können unterschiedliche Zinssituationen bewältigen. Das hat zuletzt die Zinsrisikoumfrage der Aufsicht Mitte des Jahres 2015 gezeigt. […]Der Verband der Privaten Bausparkassen hat die Ende 2015 beschlossene Novellierung des Bausparkassengesetzes von Anfang an begrüßt.“
Was ändert sich für die Bausparkassen in Zukunft?
Zusammengefasst dürfen Bausparkassen seit Anfang 2016:
- Darlehen auch jenseits der 80%-Beleihungsgrenze ausgeben. Bis 100% sind jetzt machbar.
- Pfandbriefgeschäfte betreiben
- Hypothekendarlehen aus eigenen Mitteln ausreichen
- Den Fonds für Hochzinsphasen auch für die aktuelle Situation heranziehen, sollte das nötig sein.
Ab 2017 gibt es eine weitere wesentliche Neuerung:
- Bausparkassen dürfen bis zu einem gewissen Punkt in Aktien investieren.
Prävention statt Reaktion
Sicher, das Eis wird dünner und keiner möchte einen Einbruch sehen. Daher werden Maßnahmen ergriffen, um dem Worst Case präventiv entgegenzuwirken.
„Zur Bewältigung dieser Herausforderungen müssen die Bausparkassen allerdings ihre Möglichkeiten zur Gegensteuerung voll nutzen. Es geht darum, erst gar nicht in eine kritische Situation zu geraten.“, unterstreicht Alexander Nothaft.
In wie weit die einzelnen Bausparkassen Gebrauch von den neuen Möglichkeiten machen, bleibt ihnen und ihrem wirtschaftlichen Kalkül überlassen. Deren Kunden können sich informieren und dann entsprechend entscheiden.
Wir gehen davon aus, dass Bausparkassen, die in Aktien investieren, höhere Guthabenzinsen und/oder geringere Darlehenszinsen anbieten werden. Der Schluss liegt nahe, da ein höheres Risiko bessere Renditen in Aussicht stellen muss, sonst würde es keiner eingehen. Das ist ein fundamentales Prinzip.
Es ist daher nicht unvorstellbar, dass sich der ohnehin übersichtliche Markt der deutschen Bausparkassen im Prinzip in zwei Lager aufspalten wird:
- Die einen werden ihr Heil in den Finanzmärkten suchen, dabei gewisse und überschaubare Risiken eingehen und gleichzeitig attraktivere Konditionen auf dem Markt platzieren.
- Die anderen werden sich auf das konservative Kerngeschäft konzentrieren, weniger reizvolle Angebote unterbreiten aber gleichzeitig mit einem mehr an Sicherheit die Kunden von sich überzeugen können.
Bausparkassen als Börsen-Zocker?
Es wird den Börsen sicherlich gut tun, wenn durch die Bausparkassen eine nicht unerhebliche Menge an frischem Geld auf den Markt fließt. Gleichzeit muss aber bedacht werden, dass ein Portfolio auch Verluste einfahren kann. Was passiert dann mit einer Bausparkasse, die fehlinvestiert hat, um nicht zu sagen, die sich verzockt hat?
Wir sprachen auch darüber mit dem Verband der Privaten Bausparkassen e.V.. Dort begreift man die Skepsis hinsichtlich möglicher Spekulationsverluste nicht. Uns wird erklärt, dass Bausparkassen im Gegensatz zu Banken und Sparkassen anderen Reglements unterliegen, die ein übertriebenes Zocken unmöglich machen.
So regelt beispielsweise §4 (3), 8 des Bausparkassengesetzes, dass maximal 5 Prozent der Zuteilungsmasse für Investments in Aktien genutzt werden dürfen. Das Wie und Was wird darüber hinaus im Laufe des Jahres 2016 detailliert mit der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) erörtert und festgeschrieben.
Zudem begeben sich die Bausparkassen nicht auf Neuland, wenn sie an der Börse handeln. Alle Bausparkassen, private wie öffentlich-rechtliche, gehören Banken und/oder Versicherungen. Der Verband der Privaten Bausparkassen e.V. unterstreicht, dass daher ausreichend Erfahrung und Knowhow im jeweiligen Unternehmensverbund vorhanden sei.
„…eine maßvolle Öffnung des Katalogs zulässiger Kapitalanlagen ist aus Risikosicht nicht nur gut vertretbar, sondern im Lichte der Entwicklung internationale Finanzmärkte geboten. Denn nach den Erfahrungen in der Finanzkrise können Staatsanleihen nicht mehr als uneingeschränkt risikolos angesehen werden.
Eine auf 5 Prozent limitierte Beimischung von Aktien wird deshalb eine sinnvolle Form der Risikostreuung bedeuten. Sie bietet nicht nur die Chance, die Erträge aus den Anlagen zu verbessern, sondern würde die Bausparkassen in bestimmten Krisenszenarien auch weniger verwundbar machen.“ erläutert Alexander Nothaft vom Verband der Privaten Bausparkassen e.V.
Wahr ist, dass nicht jede Staatsanleihe sicher ist. Die unterschiedlichen Ratings der Länder belegen das. Gleichzeitig ist es ebenso wahr, dass eine Aktie effektvolleren Einflüssen unterliegt und wesentlich volatiler reagiert, als es bei einer Volkswirtschaft der Fall ist.
Alexander Nothaft meint dazu, es gelte ganz grundsätzlich:
„Für die Bausparkassen bleibt die Sicherheit der Spargelder oberstes Gebot. Die Bausparkassen haben in der Vergangenheit nicht gezockt und werden auch künftig nicht zocken.“
Bausparkassen erhalten mehr Flexibilität
Um ihr Geschäft breitbeiniger aufzustellen konnten Bausparkassen auch schon in der Vergangenheit normale Baufinanzierungen, sogenannte Hypothekendarlehen, ausreichen. Neu ist, dass sie diese Darlehen nicht mehr mit frischen, externen Mitteln finanzieren müssen, sondern dazu ihr eigenes Kapital verwenden dürfen.
Damit werden die Bausparkassen stärkere Mitbewerber auf dem Baufinanzierungsmarkt und können flexibler auf Zinsänderungen reagieren. Es ist nämlich wesentlich leichter, eine Baufinanzierung dem Zinsniveau anzupassen, als ein komplettes Tarifwerk für einen Bausparvertrag.
Fazit: Wie sieht die Zukunft der Bausparkassen aus?
Ein erweiterter Handlungsspielraum bringt mehr Vorteile als Nachteile. Sicher ist ein Investment in Aktien nicht ohne Risiko, doch die langfristigen Kursgewinne der Vergangenheit können diese Strategie rechtfertigen.
Die Ausgabe von Pfandbriefen ist eine Ergänzung zum Einlagengeschäft der Bausparkassen. Gerade in einer Niedrigzinsphase kann dieses Geschäft sehr lohnend sein, denn die Refinanzierung wird bei einem steigenden Leitzins optimiert.
Zugriff auf einen weiteren Sicherungsfonds zu bekommen nimmt einiges an Belastung von den Bausparkassen. Das kommt sowohl den Unternehmen als auch den Kunden zugute.
Der quasi unbeschränkte Zugriff auf den Baufinanzierungsmarkt verschafft den Bausparkassen ein Geschäftsfeld, das sich lohnend auswirken wird.
Mit der Zeit laufen mehr und mehr Neuverträge in die Darlehensphase. Mit deren Zunahme, verbessert sich die Ertragssituation der Bausparkassen deutlich.
Unter dem Strich sieht es recht gut aus für die Bausparkassen. Die Novellierung des Bausparkassengesetzes scheint in die richtige Richtung zu zielen und dem wichtigen System Bausparen den Schub zu geben, den es in der aktuellen Situation braucht