Bautätigkeit in Deutschland geht am Bedarf vorbei
Wer in den deutschen Großstädten nach der passenden Wohnung sucht, muss lange suchen und dann kräfig zahlen. Denn Wohnungen sind knapp und die Preise steigen weiter stark an. Ein Grund dafür ist, dass in Deutschland am Bedarf vorbei gebaut wird, so das Ergebnis einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln.
Denn während in den sieben größten Städten Deutschlands zwischen 2011 und 2015 lediglich kanpp ein Drittel der benötigten Wohnungen auch gebaut worden sind, herrscht in den ländlichen Regionen rege Bautätigkeit. Und das zum Nachteil der Gemeinden.
Vor allem kleine Wohnungen fehlen
Trotz stark steigender Preise für Großstadtimmobilien sieht das IW Köln noch keine Spekulationsblase. Zwar wurden in den vergangenen Jahren mehr Wohnungsbaukredite vergeben, der Anstieg jedoch sei eher auf die aktuelle Niedrigzinsphase zurückzuführen.
Und von exzessiver Bautätigkeit könne vor allem in den großen Städten keine Rede sein – schließlich fehlen hier zunehmend Wohnungen. Besonders an kleinen Wohnungen mangelt es: Zwischen 2011 und 2015 wurden in den sieben größten deutschen Städten nur 20 Prozent der benötigten Zweiraumwohnungen gebaut.
Insgesamt summierte sich der Mangel an neugebautem Wohnraum in diesen Städten im Zeitraum von 2011 bis 2015 auf 60.000 Wohnungen. Dieser Wohnungsmangel wird die Preise weiter nach oben führen – selbst wenn die Zinsen für Immobilienkredite wieder steigen oder der Zuzug in die Großstädte abflaut.
Gemeinden werben um neue Bewohner
Ein anderes Bild zeichnet sich in den ländlichen Regionen der Bundesrepublik ab. So wurden hier zwischen den Jahren 2011 und 2015 etwa 20 Prozent mehr Wohnungen und 40 Prozent mehr Einfamilienhäuser gebaut als benötigt. Alleine im Emslandkreis entstanden über 1.000 Wohnungen mehr als es demografischer Wandel und aktueller Leerstand erwarten ließen.
Bei den „überschüssigen“ Immobilien handelt es sich zu 80 Prozent um große Wohnungen oder Einfamilienhäuser, so die Analyse des IW Köln. Der Kauf solcher Immobilien ist dank günstigerer Preise als in der Stadt und den aktuellen niedrigen Zinsen besonders attraktiv.
Zudem werben viele Bürgermeister ländlicher Gemeinden mit der großzügigen Ausweisung von Bauland. Damit soll der Zuzug in die Gemeinden gefördert werden. Und Platz ist schließlich – im Gegensatz zur Stadt – auf dem Land genug vorhanden.
Dorfkerne leiden unter dem Bau neuer Immobilien
Die Bautätigkeit im ländlichen Raum hat jedoch ihre Schattenseiten. Da Immobilien auf dem Lande günstiger sind als auf dem Stadt, entscheiden sich viele Eigentümer in spe für hochwertige Neubauten. Für zusätzliche Wohnungen und Häuser gibt es jedoch keinen Bedarf, da gerade junge Menschen aus dem ländlichen Raum in die Städte ziehen.
Die Gemeinden jedoch werben um jeden neuen Bewohner und so kommt es zur zu großzügigen Genehmigung von Neubauprojekten. Die Folge: Die Gemeinden wachsen flächenmäßig, ohne dass sie mehr Einwohner hätten.
Vor allem die Dorf- und Kleinstadtkerne leiden darunter. Zum einen, weil sie zunehmend veröden und zum anderen, weil die Altbausubstanz leer steht und verfällt. Durch die Zersiedelung der Gemeinden und das Verfallen der Bausubstanz sinkt die Attraktivität des ländlichen Wohnens weiter.
Lösungsansätze gibt es bereits
Das wiederum befeuert den Zuzug in die Städte und die Wohnungsknappheit dort – gewissermaßen ein Teufelskreislauf, den es zu durchbrechen gilt. Lösungsansätze gäbe es durchaus, meint das IW Köln. So sollten weniger Bauflächen ausgewiesen werden, um das Flächenwachstum der Gemeinden einzudämmen.
Überhaupt sollten Neubauten erst nach Abbau des Leerstandes genehmigt werden. Ähnliche Maßnahmen seien beispielsweise in den Niederlanden schon erprobt worden. Dafür müssten selbstverständlich auch die bestehenden Wohnungen und Häuser aufgewertet werden.
Es sei Ziel und Aufgabe der Kommunen mit rückläufiger Bevölkerungsentwicklung, die Innenentwicklung zu fördern und die eigenen Zentren attraktiver zu gestalten. Auch Bund und Länder seien hier gefordert.
Fazit: Aufgrund der starken Zuwanderung wächst Deutschlands Bevölkerung wieder. Das Wachstum beschränkt sich allerdings auf wenige Ballungsräume, während in ländlichen Regionen die Einwohnerzahl schrumpft. Diese Regionen trotzdem attraktiv zu gestalten und leere, verfallene Ortskerne zu vermeiden, ist eine große und wichtige Herausforderung der Gesellschaft.