Gehört preiswertes Baugeld der Vergangenheit an?
Zahlreiche Indikatoren deuten darauf hin, dass Immobilienerwerb wieder teurer wird. Dies liegt nicht nur an den nach wie vor steigenden Immobilienpreisen. Der Trend bei den Bauzinsen hat sich umgekehrt. Zum Jahresbeginn erst langsam, im Februar 2021 dann mit Vehemenz, zogen die Zinsen bei Baufinanzierungen davon. Seit dem 1. Januar 2021 betrug der Anstieg 13,15 Prozent. Was sind die Ursachen, wie lauten die Prognosen?
- Renditen bei Staatsanleihen steigen zu Beginn 2021 und wirken sich direkt auf das Baugeld aus.
- Coronabedingte Konjunkturmaßnahmen können Inflation auslösen und damit weitere Zinserhöhungen herbeiführen.
- Experten schließen eine Korrektur am Immobilienmarkt nicht aus.
- Interpretationen der Zinsentwicklung fallen unterschiedlich aus, Erwerber sollten weiterhin besonnen bleiben.
Entwicklung der Mindest-Sollzinsen
Werte von
Steigende Kapitalmarktzinsen in den USA und Europa
Seit Jahresbeginn ist sowohl in den USA als auch in Europa ein Anstieg der Zinsen am Kapitalmarkt zu erkennen. Die Renditen bei Staatsanleihen steigen. Und, nachteilig für Immobilienfinanzierer, Bauzinsen korrelieren direkt mit den Renditen dieser Papiere.
Ein weiterer Faktor, der sich preistreibend auf Hypothekenzinsen auswirkt, ist die Inflation respektive die Inflationserwartung. Die milliardenschweren Coronahilfsmaßnahmen seitens der Staaten werden Unmengen Gelder in die Märkte pumpen. Diese Maßnahmen kommen zur seit Jahren ohnehin schon recht expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank „on top“.
Läuft die Inflation in der Eurozone aus dem angepeilten Korridor um die zwei Prozent, wären Zinserhöhungen seitens der EZB sofort auf der Tagesordnung. Michael Neumann, Vorstand bei Dr. Klein, hält die Maßnahme „steigende Inflation = höhere Zinsen“ allerdings für überholt. „Durch Anleihekäufe manipuliert die EZB den Markt und mildert die eigentlich folgerichtige Zinsentwicklung künstlich ab oder verhindert sie gleich ganz.“ (1)
Neumann rechnet mit einem leichten Anstieg beim Baugeld, nicht aber bei den Realzinsen.
Baufinanzierung
Refinanzierung für Banken wird teurer
Steigende Anleihezinsen und ein optionaler Zinsanstieg bei der EZB verteuern wiederum die Refinanzierung für die Banken. Der logische Schluss ist, dass diese Zinserhöhungen an die Endabnehmer durchgereicht werden.
Auswirkungen auf den Immobilienmarkt
In der jüngeren Vergangenheit konnten Immobilienerwerber die massiven Preissteigerungen durch die historisch niedrigen Bauzinsen kompensieren. Auch wenn die Volumina bei der Kreditaufnahme immer höher wurden, die parallel dazu gesunkenen Zinsen ermöglichten dennoch eine Kreditaufnahme. In Frankfurt am Main betrug die Preissteigerung in der Zeit von 2015 bis zum zweiten Quartal 2020 im Mittel 27,5 Prozent. (2) Dies bedeutet eine Größenordnung, die durch reine Eigenkapitalerhöhung bei den Käufern kaum zu stemmen ist.
Mit steigenden Zinsen sinkt folglich das finanzierbare Kreditvolumen, damit der bezahlbare Kaufpreis. Zwei Konsequenzen sind denkbar:
- Die Nachfrage nach Immobilien lässt deutlich nach.
- Verkäufer müssen ihre Preisvorstellungen an die Gegebenheiten anpassen.
Die Bundesbank vertritt nach wie vor die Ansicht, dass die Immobilienpreise in deutschen Großstädten zwischen 15 Prozent und 30 Prozent über dem liegen, was anhand der demografischen Fakten gerechtfertigt wäre (3).
Angenommen, der Zinsanstieg ist nicht nur eine kleine Blase und von kurzer Dauer, könnte das natürlich zu einer Beruhigung am Immobilienmarkt kommen. Geht der Zinsanstieg beim Baugeld auch mittelfristig mit einem Anstieg der Kapitalmarktrenditen einher, hier in erster Linie der Staatsanleihen mit hoher Bonität, käme mancher Investor vielleicht ins Grübeln. Warum weiter in Betongold investieren, wenn flexiblere Anleihen die gleichen Renditen ermöglichen?
Michael Voigtländer, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, sieht den Zinsanstieg gelassen: „Die Zinsen waren noch einmal deutlich gesunken, nun gibt es eine kleine Korrektur – aber die Zinsen bleiben sehr gering.“ (4)
Was bedeutet das aktuelle Zinsszenario für Immobilienerwerber?
Anleger können höhere Zinsen unter Umständen über die Kaltmiete kompensieren. Aber wie sieht es bei künftigen Eigennutzern aus? Ein Anstieg der Zinsen von 13,15 Prozent innerhalb von acht Wochen ist auf der einen Seite eine Hausnummer. Dennoch lohnt sich auch ein Blick auf die konkreten Zahlen. Es ist die Rede von einer Steigerung von 0,65 Prozent p.a. auf 0,77 Prozent p.a., ein Plus von 0,12 Prozentpunkten.
300.000 Euro Darlehen, 2 Prozent anfängliche Tilgung | 0,65 Prozent p.a. | 0,77 Prozent p.a. |
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Monatliche Rate | 912,50 Euro | 942,50 Euro |
Restschuld nach 10 Jahren | 207.036 Euro | 206.475 Euro |
35.001 Euro bis 65.000 Euro | 16.536 Euro | 19.575Euro |
Unsere Prognose
Zinsprognosen sind und bleiben Prognosen. Nichts Genaues weiß man nicht, wir wagen dennoch einen Blick in die Zukunft:
- Steigen die Immobilienpreise weiter, steigt auch der Fremdmittelanteil am Kaufpreis. Das wiederum führt zu höheren Zinsen.
- Die Konjunkturprogramme der Notenbanken laufen nicht endlos. Mit dem Ende dieser Programme bestimmen wieder Angebot und Nachfrage den Zinsmarkt.
- Mit steigender Fremdmittelquote bei den Krediten steigt bei den Banken auch die Risikovorsorge. Diese wiederum schlägt sich zwangsläufig in der Höhe der Zinsen aus.
Wir gehen jedoch davon aus, dass es keinen hektischen Turnaround geben wird. Unsere Empfehlung lautet daher für potenzielle Käufer, den Markt über den Zinsvergleich genau zu beobachten, aber unüberlegte Kaufentscheidungen zu vermeiden. Wer bereits eine Immobilie finanziert, kann sich durch ein Forwarddarlehen heute schon mit bis zu fünf Jahren Vorlaufzeit auf die sichere Seite begeben.
Weiterführende Informationen
- Inflation bedeutet keine automatische Zinserhöhung mehr – Vorstand von Dr. Klein im Interview mit Capital.de
- 27,5 Prozent Preissteigerung bei Immobilien in fünf Jahren in Frankfurt am Main – Engel & Völkers, Marktreport Frankfurt am Main 2020
- Bundesbank bleibt dabei: Immobilien überteuert – F.A.Z., 6. März 2021
- Institut der Deutschen Wirtschaft sieht keinen Handlungsbedarf – F.A.Z., 6. März 2021