Beim Wohnungshandel kehrt Ruhe ein – am Wohnungsmarkt nicht
Der Handel mit Wohnungen, der Bestandsübertrag ganzer Wohnungsportfolios, hat im zweiten Halbjahr 2016 deutlich nachgelassen, so eine Studie des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Insgesamt wurden bei 19 Transaktionen von Portfolios mit mehr als 800 Einheiten nur 34.000 Wohnungen gehandelt. In den drei zurückliegenden Jahren wechselten noch 300.000 Wohnungen pro Jahr den Besitzer. Es scheint, der Immobilienmarkt in Deutschland ist zumindest im Hinblick auf große Transaktionen ein wenig zur Ruhe gekommen.
Dies resultiert sicherlich auch aus Übernahmen einzelner Immobiliengesellschaften. Der Bund und die Länder waren das letzte Mal im Jahr 2013 auf diesem Markt aktiv, die Kommunen im Jahr 2014. Die Transaktionen werden eindeutig von privaten Unternehmen dominiert.
Dem zahlenmäßigen Einbruch bei größeren Portfolios steht in der Gruppe der Trades mit 100 bis 800 Einheiten eine gewisse Konstanz gegenüber. Im ersten Halbjahr 2016 wurden 39 Geschäftsfälle abgewickelt. Die Zahl der übertragenen Wohnungen betrug 10.800. Dies waren lediglich 200 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres mit insgesamt 37 Verkäufen.
Folgende Statistiken geben einen guten Eindruck davon, wie sich der Markt der verkauften Wohneinheiten entwickelt hat (1):
Der Rückgang im Handel mit großen Portfolios ist nach Aussage des BBSR nicht auf mangelnde Nachfrage, sondern auf das inzwischen fehlende Angebot zurückzuführen.
Welche Auswirkungen hat dies für Mieter?
Das fehlende Angebot spiegelt den Mangel an bezahlbarem Wohnraum wider. Rund 400.000 Wohneinheiten fehlen aktuell in Deutschland. Dies betrifft sowohl Mietwohnungen als auch Wohneigentum.
Dies ist der Fall, obwohl die Zahl der genehmigten Neubauten seit 2009 kontinuierlich ansteigt und im Jahr 2015 erstmals wieder die Grenze von 300.000 Einheiten, genehmigt wurden 309.000 Wohnungen, überstieg. Damit sind die Zahlen aber noch weit von den 700.000 Neubaugenehmigungen aus dem Jahr 1993 entfernt (2).
Der Forderung aus allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen, endlich mehr Wohnraum zu schaffen, stehen allerdings nur begrenzt Taten, gerade der öffentlichen Hand, gegenüber. Die Berliner Aktion, das Verbot, Wohnraum als vermietete Ferienwohnung zu nutzen, hat eher Alibicharakter, aber den Wohnungsmarkt in der Bundeshauptstadt nicht entspannt.
Der Anzahl der genehmigten Wohnungen steht die Zahl der tatsächlich fertiggestellten Wohnungen gegenüber. Im Jahr 2015 betrug diese laut dem Statistischen Bundesamt 251.000 Einheiten.
Die Mietpreisbremse
Politische Entscheidungen haben oft einen Haken: Sie sind gut gemeint, die betroffenen Akteure, um die es geht, finden jedoch immer den einen oder anderen Weg, dir rechtlichen Vorgaben auszuhebeln. Die Mietpreisbremse ist ein wunderbares Beispiel dafür.
Mieterhöhungen für Bestandswohnungen dürfen ab dem Jahr 2015 bei Neuvermietung nur um maximal zehn Prozent angepasst werden. Leider gilt die Mietpreisbremse nicht, wenn der Vermieter vor der Neuvermietung Sanierungsmaßnahmen an der Wohnung vornimmt.
Hohe Maklercourtagen stellten sich bei der Wohnungssuche ebenfalls als Hemmnis für Mieter dar. Das Bestellerprinzip sollte diesem Umstand Abhilfe schaffen – weit gefehlt, wie Untersuchungen von Verbraucherschützern immer wieder ergeben (3).
Das Chaos in den Universitätsstädten
Die Goethe-Universität in Frankfurt am Main verzeichnet im Wintersemester 2016 einen neuen Rekord an immatrikulierten Studenten. Erstmals wurde die Marke von 50.000 angehenden Akademikern durchbrochen. Dazu kommen noch die Studenten der Fachhochschule.
Die Krux ist nur, nicht alle wohnten vor Semesterbeginn bereits in Frankfurt oder dem nahen Umland. Bezahlbarer Wohnraum für Studenten ist in der Bankenmetropole Mangelware, selbst Zimmer in Wohngemeinschaften haben einen Mietpreis, für den es 50 Kilometer nördlich eine Zwei-Zimmerwohnung gibt (4). Der defizitäre öffentliche Personennahverkehr im Rhein-Main-Gebiet bildet hier allerdings eine „Mietpreisbremse“ nach unten.
Frankfurt ist natürlich nicht die einzige Stadt mit dieser Problematik. Berlin verfügt gleich über zwei Universitäten, Marburg in Hessen ist eher eine beschauliche Kleinstadt, ebenfalls mit begrenztem Wohnraum. München hat seinen Reiz, gehört aber von sich aus zu den teuersten Städten Deutschlands.
Leerstand dennoch keine Seltenheit
In Deutschland standen im Jahr 2015 rund 1,7 Millionen Wohnungen leer. Theoretisch kann von Wohnungsnot nicht die Rede sein (5). Man muss hier aber auch die Fakten berücksichtigen. Es nutzt wenig, wenn der Wohnungsleerstand in der Lüneburger Heide besteht, aber in Hamburg oder Stuttgart Wohnraum benötigt wird.
Nicht jeder Mieter verfügt über die Mittel, jeden Tag 150 Kilometer zum Arbeitsplatz und zurückzufahren. Die schönste Fahrtkostenabsetzung bei der Steuer nutzt nichts, wenn das Einkommen zum größten Teil für Benzin benötigt würde.
Es ist allerdings auch in den Ballungszentren zu beobachten, dass Leerstände vorhanden sind. Als Hauptgrund gilt hier die Wohnungsspekulation und Wandlung von Mietswohnungen in hochwertige Eigentumswohnungen.
Eigenkapitalzuschüsse für Käufer vom Bund?
Die in den letzten Jahren massiv steigenden Preise bei Wohneigentum werden zwar durch das historische Zinstief beim Baugeld teilweise kompensiert, aber offensichtlich nicht genügend. Bundesbauministerin Hendricks trat mit dem Gedanken vor die Kameras, jungen Familien einen Zuschuss zum Eigenkapital zu gewähren. Abhängig von der Zahl der Kinder soll der Zuschuss zwischen 8.000 Euro und 20.000 Euro betragen. Genaue Zahlen liegen jedoch noch nicht vor.
Betrachtet man einmal die gewünschte Eigenkapitalquote von 20 Prozent zuzüglich der Erwerbsnebenkosten, ist der Gedanke aus Berlin „nett“, aber nicht zielführend. Eine 100-Quadrat-Meter Wohnung, vier Zimmer in Leipzig-Paunsdorf, beispielsweise schlägt mit 190.000 Euro zu Buche. Inwieweit 8.000 Euro für eine junge Familie ohne große Ersparnisse wirklich hilfreich sind, bleibt fraglich.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung mit ihrer recht eigenwilligen Wohnimmobilienkreditrichtlinie selbst dem Erwerb von Immobilieneigentum in breiter Fläche einen Riegel vorgeschoben. Gerade junge Familien gelten durch das Scheidungsrisiko als „potenzielle Nichtbezahler“ für Immobiliendarlehen.
Eigenkapital wird bei Erwerb immer wichtiger
Auch wenn Experten noch nicht von einer Immobilienblase in Deutschland sprechen, zeigt der massive Preisanstieg bei Immobilien Wirkung. Der Verkehrswert, der Preis, zu dem ein Objekt verkauft wird, entspricht immer weniger dem Beleihungswert einer Immobilie.
Dieser belegt den „inneren Wert“, die tatsächlichen Gestehungskosten und lässt den durch Angebot und Nachfrage entstandenen Preis völlig außen vor. Für die Banken ist bei der Kreditvergabe jedoch der Beleihungswert in Bezug auf das auszureichende Darlehen entscheidend.
Je weiter das Delta zwischen Beleihungswert und Kaufpreis auseinanderdriftet, um so mehr Eigenkapital benötigen die Erwerber. Möglicherweise führt dieser Sachverhalt früher oder später wieder zu einem Preisrückgang, da nicht jeder Preis bezahlt werden kann.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) – Handel mit großen Wohnungsbeständen im ersten Halbjahr erlahmt
(2) Statistisches Bundesamt – Entwicklung der Baugenehmigungen seit 1991
(3) Zeit Online – Warum das Bestellerprinzip nicht funktioniert
(4) Frankfurter Neue Presse – Das Frankfurter Wohnraumdilemma
(5) Zeit Online – Wohnungsleerstand ist genug vorhanden