BGH kassiert Gebühren für Bausparverträge
Das Landgericht Karlsruhe hatte am 06.12.2013 gegen eine Verbraucherzentrale geurteilt, die ihrerseits beklagt hatte, dass eine Bausparkasse Kontogebühren erhebt (Az. 10 O 36/13). Die Verbraucherschützer argumentierten hauptsächlich in Richtung Kontoführungsgebühren für Darlehenskonten, die 2011 höchstrichterlich verboten wurden (1).
In der Berufung vor dem OLG Karlsruhe scheiterten die Kläger am 16. Juni 2015 ebenfalls (2). Damit wollen sich die streitbaren Verbraucherschützer nicht zufriedengeben und zogen nach Karlsruhe vor den Bundesgerichtshof, wo die Richter heute das alles entscheidende Urteil sprachen.
Auch wenn der bisherige Verfahrensverlauf nicht eben ermutigend war für die Vertreter der Verbraucherzentrale, ließen sie sich davon nicht beeindrucken. Sie sahen ihre Argumentationsbasis als stabil genug an, um vor dem höchsten Gericht in Deutschland bestehen zu können.
Worin sehen die Verbraucherschützer das Problem?
Das erste Problem sei ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, wie es im BGB festgeschrieben steht (3). Demzufolge sind Bestimmungen unzulässig bzw. nichtig, wenn sie einen Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Das gilt insbesondere für Klauseln, die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen (ABG) zu finden sind.
Verstoßen entsprechende Klauseln also gegen die Gebote von „Treu und Glauben“ und benachteiligen sie eine Vertragspartei unangemessen, so sind sie unwirksam und der geschlossene Vertrag wird dadurch angreifbar. Das kann sich auch schon daraus ergeben, dass
„die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“ (§ 307, BGB)
Hier setzten die Verbraucherschützer ihren ersten Hebel an. Sie meinen, für den normalen Kunden wären Kontogebühren das gleiche wie Kontoführungsgebühren. Es erschließe sich nicht, dass die Gelder für andere Zwecke eingesetzt würden. Da Kontoführungsgebühren nicht erhoben werden dürfen, forderten sie vom Gericht, auch Kontogebühren für unzulässig zu erklären.
Gleichzeitig sahen sie in der entsprechenden Bestimmung eine sogenannte Preisnebenabrede, da die Kontogebühr stelle keine vertragliche Gegenleistung für die Gewährung des Bauspardarlehens dar. Vielmehr versuche die Bausparkasse ihre allgemeine Kostenstruktur auf die Endkunden abzuwälzen
Preisnebenabreden sind kontrollfähig und unterliegen nicht dem Schutz der Vertragsfreiheit, wie es das ABG Recht zugesteht (4).
Die Bausparkasse hält das Kollektiv dagegen
Die Badenia kann keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot erkennen. Sie schlüssele in ihren Dokumenten die Zahlungspflichten der Kunden in einfacher und präziser Weise auf. Daher seien diese Bestimmungen auch nicht kontrollfähig.
Die Begründung für die Gebühr sieht das Institut im besonderen Zweck, den eine Bausparkasse erfüllt. Hier seien andere Aufgaben als im normalen Kreditgeschäft zu erledigen, was zum Beispiel die Kontrolle der Geldflüsse einschließe.
Im Gegensatz zu Banken und Sparkassen müssten Bausparkassen genau beobachten, wann sich die einzelnen Verträge aus der Sparphase heraus in die Zuteilungsreife entwickeln würden. Dieser Mehraufwand verursache Kosten, die die Kunden zu tragen hätten.
Es sei nämlich in deren Interesse, dass diese Vorgänge schnell bewerkstelligt würden, so dass die Darlehensauszahlung schnellst möglich stattfinden könne.
Landgericht und Oberlandesgericht auf Seiten der Bausparkasse
Die Richter am Landgericht Karlsruhe sahen in den entsprechenden Bestimmungen keine Preisnebenabreden und befanden die verlangten Entgelte von 9,48 Euro pro Jahr für gerechtfertigt.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe befand zwar, dass die Bestimmungen der Bausparkasse durchaus kontrollfähig seien, dennoch gaben sie der Vorinstanz Recht. Das Gericht fand, die
„Klauseln verstoßen weder gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB […] noch benachteiligen sie die Verbraucher unangemessen im Sinne der §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB […].“
Das letzte Wort: Der BGH stützt die Verbraucher
Dem OLG Karlsruhe folgend bestätigt der BGH, dass es sich bei den strittigen Gebühren sehr wohl um eine Preisnebenabrede handelt, die kontrollfähig ist (Az. XI ZR 308/15).
Weiter führen die Richter am BGH aus, dass die Leistungen einer Bausparkasse wie eine bauspartechnische Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse weder einer Hauptleistungspflicht entspricht noch eine rechtlich nicht geregelte Sonderleistung darstellt. Der BGH formuliert seine Begründung wie folgt:
„Die vorgenannten Tätigkeiten erbringt die Bausparkasse nach Darlehensgewährung nicht im Interesse des Darlehensnehmers. Dass sie nach Eintritt in die Darlehensphase Zahlungen des Kunden ordnungsgemäß verbucht, liegt ebenfalls ausschließlich in ihrem Interesse. Die bloße Verwaltung der Darlehensverträge nach Darlehensausreichung ist keine gesondert vergütungsfähige Leistung gegenüber dem Bausparer, sondern eine rein innerbetriebliche Leistung der Bausparkasse.“
Folgerichtig setzten die Richter des BGH die Kontogebühren damit den Kontoführungsgebühren gleich, die sie bereits im Jahr 2011 für unzulässig erklärt hatten (5).
Bedeutung des Urteils für Verbraucher und Bausparkassen
Der Richterspruch trifft alle Bausparkassen hart, nicht nur die Barmenia. Letztere darf sich jetzt unmittelbar auf eine Flut an Rückforderungen von Kontogebühren freuen. Alle anderen Bausparkassen könnten versuchen, durch eigene Prozesse etwas Zeit zu gewinnen. Ob sie sich aber vor den Rückforderungen ihrer Kunden schützen können, darf mehr als bezweifelt werden.
Den Bausparkassen bricht damit eine wichtige Quelle zur Querfinanzierung ihres Geschäftes weg. Bedenkt man die missliche Lage in der sich auch die Bausparkassen befinden so lange das Zinsniveau am Boden liegt, könnte das Urteil für sie nicht ungünstiger ausfallen.
Finanzielle Folgen des Urteils
Laut Auskunft des Portals Statista.de waren 28.657.000 einzelne Bausparverträge im Jahr 2016 aktiv. Das bedeutet, dass quasi jeder Dritte Deutsche einen Bausparvertrag sein Eigen nennt.
Fiele für jeden dieser Verträge eine Kontogebühr von 9,48 Euro pro Jahr an, sprechen wir von einem Rückforderungspotential von über 815 Millionen Euro. Bei dieser Überlegung stützen wir uns auch auf den Finanzexperten der Verbraucherzentrale Bremen, der der Auffassung ist, dass die zu Unrecht bezahlten Gebühren für mindestens drei Jahre zurückgefordert werden können.
„Nach dem für sie erfreulichen Urteil im Februar mussten die Bausparkassen heute in Karlsruhe eine bittere Kröte schlucken. Die Kontogebühren je Vertrag waren sicherlich keine großen Kostendecker, doch die Summe der erwarteten Rückforderungen wird die Häuser hart treffen“ meint Marc Opitz, Projektleiter des Fachportals Kreditvergleich.net
Welche Bausparkassen verlangen diese Gebühren?
Obige Schätzung beruht auf der Annahme, dass alle Bausparkassen diese Gebühren verlange und zwar in gleicher Höhe wie die Bardenia. Wir haben das Kleingedruckte der deutschen Bausparkassen analysiert und fassen im Folgenden zusammen, welches Institut Gebühren erhebt und wie diese ausfallen:
Bausparkassen | Gebührenstruktur | |
---|---|---|
Gebühr Bausparverträge | Gebühr Wohn-Riester | |
Private Bausparkassen | ||
Deutsche Bank Bauspar | kostenlos, 9.20 Euro oder 30 Euro pro Jahr – je nach Tarif | 30 Euro pro Jahr |
Schwäbisch Hall | 12 Euro pro Jahr | 18 Euro pro Jahr |
BKM | kostenlos oder 12 Euro pro Jahr – je nach Tarif | keine Angaben |
BHW | 12 Euro pro Jahr | bis zu 12 Euro pro Jahr |
Debeka | kostenlos oder bis 12 Euro pro Jahr – je nach Tarif | keine Angaben |
Badenia | 9,48 Euro pro Jahr | 30 Euro pro Jahr |
Alte Leipziger | 15 Euro pro Jahr | keine Angaben |
Wüstenrot | 15 Euro pro Jahr | 20 Euro pro Jahr |
Aachener | 12 Euro pro Jahr | keine Angaben |
Signal Iduna | kostenlos | keine Angaben |
Deutscher Ring | 11 Euro pro Jahr | keine Angaben |
Öffentliche Bausparkassen | ||
LBS Bayern | 4.80 Euro bis 9.60 Euro pro Jahr – je nach Tarif | 24 Euro pro Jahr |
LBS Hessen-Thüringen | kostenlos (Tarif für unter 21-jährige) oder 12 Euro pro Jahr | 18 Euro pro Jahr |
LBS Berlin – Hannover | 12 Euro pro Jahr | 12 Euro pro Jahr |
LBS Ost | 9 Euro pro Jahr | 18 Euro pro Jahr |
LBS Saar | 9 Euro pro Jahr | 18 Euro pro Jahr |
LBS Schlewsig-Holstein-Hamburg | kostenlos (Tarif für unter 25-jährige) oder 12 Euro pro Jahr | 24 Euro pro Jahr |
LBS Süd-West | 6 Euro oder 12 Euro pro Jahr – je nach Tarif | 18 Euro pro Jahr |
LBS West | 7.20 Euro pro Jahr | 15.60 Euro pro Jahr |
Quellen: Webseite der jeweiligen Bausparkasse, Stand: 10.05.2017
(Update vom 10.05.2017: Zusätzliche Listung der Gebühren für Rieser-geförderte Produkte)
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesgerichtshof – Urteil des BGH zu Kontoführungsgebühren für Darlehenskonten
(2) Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg – Urteil des OLG Karlsruhe zur Inhaltskontrolle der AGB einer Bausparkasse: Wirksamkeit einer Kontogebührenklausel
(3) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 307 Inhaltskontrolle
(4) MEK Rechtsanwaltsgesellschaft mbH – Preisnebenabreden unterliegen, anders als reine Preisabreden, der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle
(5) Bundesgerichtshof – Pressemitteilung des BGH zu Kontogebühren bei Bausparkassen