BGH: Kündigung von Bausparverträgen durch die Institute rechtens
Seit Jahren schwelte der Rechtsstreit zwischen Verbrauchern, Verbraucherschutzverbänden und den Bausparkassen. Letztere hatten in der Vergangenheit immer wieder Altverträge gekündigt, da diese für das Guthaben mit Konditionen verzinst waren, die eine Refinanzierung durch die Darlehensvergabe unmöglich machten.
Grund dafür sind die wesentlich günstigeren Kreditkonditionen, wie sie bei jedem Kreditgeber zu bekommen sind. Ein Bauspardarlehen, so wie es vor einigen Jahren im Vertrag festgeschrieben wurde, ruft heute keiner mehr ab.
Bausparen keine Geldanlage
Wer vor zehn Jahren einen Bausparvertrag aufgenommen hatte, muss heute das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen, klassische Annuitätendarlehen sind mindestens genauso preiswert.
Attraktiver für die Bausparkassenkunden war es, den bestehenden Bausparvertrag als gut verzinste Kapitalanlage zu nutzen.
Für die Bausparkassen wurde dieser Sachverhalt zu einem wirtschaftlichen Desaster. Hohe Guthabenzinsen einerseits, und schwindende Darlehensvolumina auf der anderen Seite ließen die Gewinne der Institute einbrechen.
Entwicklung Bausparguthaben und -darlehen in Mrd. Euro | ||
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Jahr | Bauspardarlehen | Bauspareinlagen |
2000 | 43,5 | 95,6 |
2001 | 42,7 | 96,6 |
2002 | 40,8 | 100,8 |
2003 | 37,3 | 106,8 |
2004 | 34,5 | 113,2 |
2005 | 29,8 | 120,1 |
2006 | 27,4 | 123,8 |
2007 | 27,6 | 123,8 |
2008 | 29,4 | 120,0 |
2009 | 29,4 | 123,4 |
2010 | 27,8 | 130,9 |
2011 | 27,1 | 136,7 |
2012 | 24,0 | 141,9 |
2013 | 21,0 | 149,0 |
2014 | 18,7 | 156,8 |
2015 | 15,8 | 159,2 |
2016 | 13,8 | 163,8 |
Quelle: Bundesbank
Für die Bausparkassen galt bei den Kündigungen, dass ein ruhender Bausparvertrag faktisch nicht der wohnwirtschaftlichen Finanzierung, dem Grundgedanken des Bausparens, sondern der reinen und somit zweckentfremdeten Geldanlage diene.
Bausparkasse als Kreditnehmer
Die Bausparkasse Wüstenrot stand heute exemplarisch für die Branche vor dem Bundesgerichtshof. Sie hatte argumentiert, dass Altverträge gekündigt werden können, wenn die Zuteilungsreife seit zehn Jahren erreicht, das Darlehen jedoch nicht in Anspruch genommen wurde.
Dies gelte auch, wenn der Bausparvertrag noch nicht voll bespart wurde. Die Bausparkasse berief sich auf das ordentliche Kündigungsrecht bei Krediten mit einer Dauer von mehr als zehn Jahren (1).
Diese Argumentation ist insofern richtig, als Einlagen von Sparern bei Banken nichts anderes als einen Kredit an das Institut, Bank, Sparkasse oder Bausparkasse, darstellen. Der BGH interpretierte mit seinem Urteil vom 21.2.2017 diesen Sachverhalt genau so.
Dazu kommt, dass die Bausparkasse das Darlehen des Bausparers in dem Moment vollständig erhalten hat, wenn der Bausparvertrag das erste Mal die Zuteilungsreife erreicht hat.
Zu einem Rollentausch kommt es erst, wenn der Bausparer das Darlehen in Anspruch nimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt er Kreditgeber. Die Bausparkasse kann also das von ihr in Anspruch genommene Darlehen, das Guthaben des Kunden, kündigen und das Geld schlicht zurückgeben (2).
Kündigungswelle erst am Anfang?
In den letzten Jahren kündigten die Bausparkassen in Deutschland mehr als 250.000 Altverträge. Es stellt sich die Frage, ob es nach dem Urteil aus Karlsruhe (XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) nun zu einer regelrechten Kündigungswelle kommt.
Oder haben die Institute bereits alle Verträge aussortiert, auf die die rechtlichen, vom XI. Senat des BGH definierten Rahmenbedingungen, zutreffen. Was sich im Urteil kompliziert liest, hier noch einmal in einem Satz zusammengefasst:
Liegt das Erreichen der Zuteilungsreife mehr als zehn Jahre zurück, kann die Bausparkasse den Vertrag kündigen, wenn der Sparer kein Darlehen in Anspruch nimmt.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),§ 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(2) Bundesgerichtshof – Pressemitteilung zum Urteil über das Kündigungsrecht der Bausparkassen bei zuteilungsreifen Bausparverträgen