Chaos um EU-Kreditrichtlinie und politische Instrumente bei Kreditvergabe
In einem aktuellen Kommentar der WirtschaftsWoche (Ausg. 13/2017) wird die Verwirrung am Markt deutlich: Es geht um die Umsetzung einer EU-Kreditrichtlinie und um die Einführung neuer Instrumente zur Regulierung des Kreditmarktes (1).
Beiden Sachlagen gemein ist, dass ihre Ursachen in der aktuellen Finanzkrise zu suchen sind, die noch nicht überall und zur Gänze überwunden ist. Allerdings haben beide vollkommen unterschiedliche Ansätze und beide sind in ihrer finalen Version noch nicht im Einsatz. Wir lösen den Knoten und schaffen Klarheit.
Worum geht es bei der EU-Richtlinie?
Die EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/14/EU (WIKR) ist eine Vorgabe aus Brüssel, die die Deutsche Bundesregierung auftragsgemäß im März 2016 in deutsches Recht übersetzte. Dazu wurden unter anderem Teile des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des Kreditwesengesetzes (KWG) geändert.
Brüssel sah in dem originalen Regelwerk einen Beitrag zum Verbraucherschutz und gleichzeitig eine wirksame Vorkehrung gegen erneute Instabilitäten auf dem europäischen Immobilienkreditmarkt.
Dabei hatten es die Politiker in Europas Zentrale den Mitgliedsstaaten anheimgestellt, das Regelwerk auf regionale Bedürfnisse anzupassen und ggf. strenger zu gestalten.
Erstaunlicher Weise fand es der deutsche Gesetzgeber angezeigt, auf unserem Markt die Vorschriften härter zu formulieren als es von der EU gefordert war. Erstaunlich vor allem deshalb, weil es auf dem deutschen Markt nie ein Problem mit der Kreditvergabe für Immobilien gab.
Sowohl die deutschen Kreditnehmer als auch die hiesigen Banken und Sparkassen sind von je her eher konservativ eingestellt und geben den Risikoüberlegungen viel Raum. Die Vergabe von Baukrediten zu erschweren, um wackelige Darlehen weitestgehend auszuschließen, war darum unnötig.
Reaktionen auf die Umsetzung der WIKR
Erwartungsgemäß hagelte es Kritik aus allen Richtungen. Vor allem einige Sparkassen und Volksbanken taten sich hervor und berichteten über Einbrüche von bis zu 20 Prozent bei der Vergabe von Immobilienkrediten.
In dieselbe Kerbe schlugen die Vertreter der Bauindustrie. Weniger Baukredite bedeute in der logischen Folge ein dickes Minus für die Auftragsvergabe in ihrer Branche. Auch der zentrale Immobilien Ausschuss war streng gegen die Einführung der neuen Regeln.
Ebenfalls nicht besonders glücklich waren Deutschlands Anwälte. Die Einführung der WIKR brachte nämlich einen pikanten Nebeneffekt mit sich: Die Banken-Lobby hatte es geschafft, einen Passus zu integrieren, dessen Ziel die Terminierung des ewigen Widerrufsrechts (sog. Widerrufsjoker) war.
Als dann auch noch die Landesregierungen in Hessen und Baden-Württemberg aufbegehrten und das Thema zum offiziellen Politikum machten, wurde gehandelt.
Wo liegt das Problem mit der EU-Richtlinie für Immobilienkredite?
Es wirkt im ersten Moment so, als wäre der Artikel 18 (3) der Richtlinie recht originalgetreu übernommen worden. Doch der Teufel steckt im Detail: Im deutschen Recht bilden der Bau oder die Renovierung eines Gebäudes keine Ausnahme. Damit sind auch diese Projekte in Deutschland von der strengeren Kreditvergabe betroffen.
Die Unterscheidung zwischen EU-Vorgabe und geltendem deutschen Recht
Der Einfachheit halber haben wir die Rechtsvorschriften und ihr entsprechendes Gegenüber tabellarisch aufgeschlüsselt. Alle Formulierungen sind den entsprechenden Originaltexten entnommen. Aussparungen werden durch […] gekennzeichnet, Anmerkungen des Autors stehen in Klammern:
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie |
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EU Richtlinie 2014/17/EU |
Deutsches Recht (BGB, KWG) |
Artikel 18 (3): |
§ 505b (2), BGB und § 18a (4), KWG |
Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf sich nicht hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Wohnimmobilie den Kreditbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass der Wert der Wohnimmobilie zunimmt, es sei denn, der Kreditvertrag dient zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie. |
Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass in den Fällen des § 491 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Wert des Grundstücks oder in den Fällen des § 491 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 (Die Verweise auf §491 dienen der Definition für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge) der Wert des Grundstücks, Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt. |
Artikel 38 (1) |
§ 505d (1), BGB |
Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. |
Hat der Darlehensgeber gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstoßen, so ermäßigt sich |
Quelle: 2014/14/EU, BGB, KWG
Angst hatten die Banker vor allem aufgrund der Übersetzung des Artikel 38 (1) in deutsches Recht. Die Formulierung bedeutet etwas roh übersetzt, dass bei allen Krediten, bei denen ein Fehler in der Kreditwürdigkeitsprüfung gemacht wurde, der einst vereinbarte Zinssatz zwischen Bank und Kunde rückwirkend auf den Zins im Interbanken-Handel reduziert wird.
Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit
Unter Kreditfähigkeit versteht man die rechtliche Fähigkeit, einen Kreditvertrag abzuschließen. Dazu muss der Kunde volljährig und in Deutschland wohnhaft sein.
Die Kreditwürdigkeit umfasst schließlich die Bonität des Kunden und die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung des Kredits zu den vertraglich vereinbarten Konditionen wie beispielsweise der Laufzeit.
Es ist klar, dass nach den Erfahrungen mit dem Widerrufsjoker einige Banker Angst vor den Konsequenzen kleinster Fehler hatten. Damals ging es branchenweit um zig Milliarden an Rückforderungen durch den Widerruf von Kreditverträgen aus Zeiten, in denen die Kreditzinsen noch deutlich höher waren.
Aktueller Stand der Dinge bei der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Federführend in dieser Sache ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Nach Informationen des Bundesfinanzministeriums soll Artikel 18 (3) der EU-Richtlinie wohl nun 1:1 übernommen werden. Das Bundeskabinett hat dazu am 21. Dezember 2016 den Entwurf zum neuen Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz beschlossen (2).
Welche neuen Instrumente soll es für den Kreditmarkt geben?
Ein Schreckgespenst geistert immer wieder durch die Medien, wonach neue Instrumente in der Pipeline lägen, die den Markt für Immobilienkredite weiter der staatlichen Kontrolle unterwerfen sollen.
Die neuen Werkzeuge tragen den offiziellen Namen „nationale makroprudenzielle Instrumente für den Wohnimmobilienmarkt“. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Verbürokratisierung oder eine Überregulierung.
Wozu werden neue Kontrollen für die Kreditvergabe eingeführt?
Vorab: Die Instrumente, von denen die Rede ist, sind nicht im Einsatz und tatsächlich ist deren Einsatz auch nicht explizit vorgesehen. Vielmehr handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme um im Falle eines Falles gerüstet und handlungsbereit zu sein.
Erdacht wurde der Maßnahmenkatalog vom Ausschuss für Finanzstabilität (3). Das Ziel ist, zu risikoreiche Kreditvergaben zu vermeiden und so Gefahren für die Finanzstabilität in Deutschland abzuwehren. Aktiviert werden die Instrumente nur, wenn der Markt dies unumgänglich macht.
Dazu soll die BaFin, Deutschlands Kontrollorgan für die Finanzmärkte, mit erweiterten Handlungsvollmachten ausgestattet werden, die es beispielsweise den Kreditinstituten verbietet, Immobilienkredit jenseits eines zu definierenden Beleihungswertes zu vergeben (4).
Fazit zu den Regelungen für den Markt der Immobilienkredite
Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass der erste Versuch der Umsetzung der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie wenig glücklich war. Die Regierung wird nun nachbessern, allerdings wird das dauern.
Die Bundesministerien für Finanzen sowie für Justiz und Verbraucherschutz ziehen bei diesem Vorhaben an einem Strang. Doch wann es endgültig soweit sein wird, dass gemachte Fehler korrigiert werden, konnte uns selbst das Bundesfinanzministerium nicht beantworten. Der Vorgang befinde sich im parlamentarischen Prozess, so die Auskunft.
Bis dahin gelten noch die Regelungen vom März 2016. Interessant und konträr zu den vorgebrachten Beschwerden ist die Tatsache, dass trotz allem nicht nur Privatbanken positive Geschäftsentwicklungen bei den Immobilienkrediten verzeichnen.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) WirtschaftsWoche, Ausgabe 13, 2017, „Anrecht auf Überschuldung“
(2) Bundesfinanzministerium – Anpassungen der Regelungen für die Wohnimmobilienkreditvergabe
(3) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin – Ausschuss für Finanzstabilität (AFS)
(4) Deutscher Bundestag – Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts (PDF)