Darlehenszinsen in der Coronakrise – neue Finanzkrise droht
Dass das Coronavirus starke Auswirkungen auf die Wirtschaft hat, ist allgemein bekannt. Tagtäglich sind die Ausmaße zu spüren. Doch inwiefern sind Verbraucher persönlich betroffen, insbesondere bei der Kreditaufnahme oder der Rückzahlung bestehender Darlehen? Sinken die Darlehenszinsen, weil die Wirtschaft geschwächt ist oder steigen sie sogar, etwa weil die Nachfrage derzeit hoch ist? Neben Zinsveränderungen sind viele Privathaushalte nun auch noch von fehlendem Einkommen betroffen. Die Gefahr einer neuen Finanzkrise macht sich daher breit. Auch viele Immobiliendarlehen können derzeit nicht bedient werden. Platzt bald wieder eine Immobilienblase?
- Die durchschnittlichen Zinsen für neue Verbraucherkredite sinken, wie zuletzt beim Skatbank Familienkredit.
- Hingegen steigen die Bauzinsen und werden laut Prognosen dieses Jahr auch nicht mehr sinken. Wer eine Baufinanzierung oder Anschlussfinanzierung plant, sollte sich jetzt günstige Zinsen sichern!
- Aufgrund der durch die Coronakrise fehlenden Einkommen droht eine neue Krise auf dem Immobilienmarkt. Viele Kreditnehmer können ihre Darlehen nicht mehr bezahlen.
Banken rechnen weiter mit Niedrigzinsen
Das Center for Financial Studies an der Frankfurter Goethe-Universität befragt vierteljährlich Führungskräften in der Finanzbranche, um die Verfassung der deutschen Finanzbranche abzubilden. Die letzte Umfrage für das erste Quartal 2020 ergab unter anderem, dass trotz der Coronakrise mehr als 90 Prozent der Befragten nicht mit einer Änderung der Geldpolitik der EZB in diesem Jahr rechnen. Die anhaltende Niedrigzinspolitik wird also ihrer Meinung nach noch eine Weile fortgeführt. (1)
Dieser Ansicht nach würden nicht nur die Sparzinsen auf einem historischen Tiefstand verweilen, sondern auch die Darlehenszinsen. Das ist jetzt insbesondere für all diejenigen von Vorteil, die sich aufgrund der Coronakrise Liquidität in Form von neuen Krediten verschaffen müssen oder teure Kredite in preiswerte Darlehen umschulden möchten.
Wie stark die Zinsen für Konsumentenkredite in der Vergangenheit gesunken sind, zeigt das nachfolgende Diagramm. Darin aufgeführt ist der Durchschnitt aller effektiven Werbezinsen der Kreditanbieter, die zum jeweiligen Zeitpunkt auf Kreditvergleich.net zu finden waren.
Ein konkretes Beispiel für diese Entwicklung lieferte zuletzt der Skatbank Familienkredit aus unserem Kreditvergleich. Während die bonitätsabhängigen effektiven Jahreszinsen vor dem 7. April 2020 noch bei 0,97 Prozent bis 2,99 Prozent lagen, befinden sie sich nun in einer Spanne von nur 0,97 Prozent bis 2,43 Prozent.
Coronakrise bewirkt steigende Bauzinsen
Dass in Bezug auf die coronabedingte Zinsentwicklung die Zinsen für Verbraucherkredite nicht für den gesamten Markt sprechen, zeigen die Bauzinsen. Diese entwickeln sich nämlich derzeit in die entgegengesetzte Richtung und steigen. Und das, obwohl zu Beginn der Coronakrise negative Bauzinsen noch recht wahrscheinlich erschienen.
Wie die Vorständin für das Privatkundengeschäft bei der Interhyp, Mirjam Mohr, berichtete, hat das Coronavirus zu Schwankungen bei den Zinsen für Immobiliendarlehen geführt. Dafür hat sie auch eine Erklärung. Zum einen haben die erwarteten Kosten für die Corona-Hilfsprogramme zu ansteigenden Renditen bei Staatsanleihen geführt. Diese Renditen wiederrum gelten als Maß für die Refinanzierungsbedingungen der Banken. Zum anderen halten die Notenbanken, wie bereits erwähnt, an ihrer Niedrigzinspolitik fest und setzen daher auf Anleihekäufe. (2)
Seit der Finanzkrise 2008 sind die Bauzinsen immer weiter gesunken. Nach einem Tiefpunkt im März kam es in diesem Jahr zu einer leichten Anhebung des Zinsniveaus. Die Entwicklung der Zinsen für neue Baufinanzierungen zeigt das nachfolgende Diagramm. Auch hier werden die Durchschnittswerte all jener Angebote berücksichtigt, die sich zum jeweiligen Zeitpunkt in unserem Kreditvergleich befunden haben.
Dennoch wird bei der Interhyp und auch bei anderen Baufinanzierern nicht von einem starken Zinsanstieg ausgegangen. Baufinanzierungen sollen auch noch im weiteren Verlauf dieses Jahres bezahlbar bleiben. Von einer erneuten Zinssenkung wird jedoch nicht ausgegangen. Wer für die nähere Zukunft eine Baufinanzierung plant, sollte sich daher am besten schon jetzt die noch günstigen Zinsen sichern.
Immobilienmarkt droht Krise
Wer in Zeiten niedriger Zinsen eine Baufinanzierung aufgenommen hat und trotz zwischenzeitlich gestiegener Zinsen eine Anschlussfinanzierung aufnehmen muss, könnte ein echtes finanzielles Problem bekommen. Kann die monatliche Rate dann immer noch gestemmt werden? Kann die Immobilie wirklich bis zum Renteneintritt abbezahlt werden? Auch wenn vor einer Finanzierungsaufnahme potenzielle Zinsanstiege berücksichtigt werden sollten, so hat in der Vergangenheit wohl niemand mit einem Coronavirus und seinen wirtschaftlichen Folgen rechnen können.
Denn neben dem Zinsniveau ist noch ein weiterer Faktor ganz entscheidend für die Tilgung einer Finanzierung: Das Einkommen. Und nicht wenige Verbraucher haben damit gerade zu kämpfen. Einige dürfen nur noch Kurzarbeit leisten, einige verlieren ganz den Job. Was es bedeuten kann, wenn Verbraucher ihr Haus oder ihre Wohnung nicht abbezahlen können, haben wir in großem Stil während der letzten Finanzkrise erlebt.
Die Kreditinstitute konnten in der Vergangenheit ihr Baufinanzierungsgeschäft stark ausweiten, das Neufinanzierungvolumen stieg stark an, wie folgendes Diagramm verdeutlicht. Sollten private Kreditnehmer mit ihrer Einkommenssituation zunehmend Schwierigkeiten bekommen, droht den Immobilienfinanzierern eine neue Krise.
Unterschied zur Finanzkrise 2008
Der Chef der staatlichen Förderbank KfW, Günther Bräunig, sagte bereits in Bezug auf die Coronakrise, dass es absehbar sei, „dass das Ausmaß der Krise deutlich über das hinausgeht, was wir aus der Finanzkrise kennen“. Oft genug werden Parallelen zwischen der Finanzkrise 2008 und der Coronakrise gezogen. Doch es gibt auch deutliche Unterschiede.
Vor dem Platzen der Blase 2007/ 2008 wurden auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt zu viele Immobilienkredite an Verbraucher vergeben, die sich diese Darlehen eigentlich gar nicht leisten konnten. Zu laxe Vergaberegeln ermöglichten den Banken dieses Vorgehen. In der heutigen Situation ist das anders. Die Vergaberegeln sind seitdem deutlich strenger, Banken müssen zum Beispiel viel mehr Eigenkapital vorweisen. Aus der Krise wurden nützliche Erfahrungen gezogen, beispielsweise mit Notfallmaßnahmen, wie den staatlichen Anleihekäufen.
Doch mit einer Coronakrise konnte keiner rechnen. Deutschlands Rettungspakete wiegen mehr als die Sparstrümpfe von Bund und Ländern. Die Schuldenberge werden weiter wachsen, die „schwarze Null“ ist schon dahin. Doch im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 sichert die EZB nun mittels umfangreichen Staatsanleihekäufen hochverschuldete Eurostaaten Zugang zum Kapitalmarkt.
Rückblickend auf die letzte große Finanzkrise gibt es aber auch Hoffnung: Damals brauchte es ein Jahr, bis sich die deutsche Volkswirtschaft zurückmeldete und ein zehnjähriger Aufschwung folgte. Es wird sich zeigen, ob die Wirtschaft auch diesmal so lange aushalten kann und wie sie danach dasteht.
Quellen und weiterführende Links
(1) Der Bank Blog – Deutsche Finanzbranche rechnet mit weiteren Negativzinsen
(2) Baulinks – Bauzinsen im Corona-Modus leicht angestiegen
(-) Welt – 2020 wie 2008? Was Corona- und Finanzkrise unterscheidet