Warum dauert es so lange, bis Banken einen Kredit bearbeitet haben?
Die Unternehmens- und Steuerberatungsgesellschaft Price, Waterhouse, Cooper, kurz PWC, hat einen Marktbericht zur Effizienz der Kreditinstitute bei der Bearbeitung von Konsumentenkrediten und Baufinanzierungen herausgebracht.
Trotz aller Automatisierung konnten die untersuchten Banken den Workflow im Kreditgeschäft immer noch nicht optimieren. Was sind die Ursachen?
Die Analysegrundlage
Insgesamt analysierte PWC 36 Institute aus dem kleinen und mittleren Geschäftsfeld mit Schwerpunkt im Retailbanking. Bei immerhin 50 Prozent der Banken machte der Zinsertrag zwischen 50 und 75 Prozent des Gesamtertrages aus. Wie wichtig das Kreditgeschäft für die Banken ist, zeigt die Entwicklung. In der Zeit von 2008 bis 2014 stieg das Kreditvolumen deutscher Banken von 1.011 Mrd. Euro auf 1.066 Mrd. Euro.
Untersucht wurde sowohl das Neugeschäft als auch das Bestandsgeschäft.
Das Neugeschäft unterteilt sich in
- Beratung und Vertrieb
- Antragsbearbeitung und Entscheidung
- Auszahlung
Das Bestandsgeschäft beinhaltet
- Bestandsverwaltung
- Laufende Bonitätsbeurteilung
- Sicherheitenmanagement
- Work-out-Management bei Problemfällen
Bruch im Ablauf
Als einen der herausragenden Gründe für die Verzögerungen hat PWC den Bruch im Bearbeitungsablauf des Neugeschäfts identifiziert. Trotz einer weitgehenden Automatisierung erfolgt die Datenüberleitung zwischen Filiale und bearbeitender Stelle in der Zentrale immer noch nicht optimal.
Gerade im Baufinanzierungsbereich stellt die Weiterleitung der notwendigen Beleihungsunterlagen eine Hemmschwelle dar. Transport- und Liegezeiten der Dokumente führen zu unnötigen Verzögerungen.
Das Ratenkreditgeschäft konnte dahin gehend beschleunigt werden, dass die Filialen im „normalen“ Geschäftsbetrieb die Kreditentscheidung computerbasiert selbst treffen und ein Kredit durchaus sofort zur Auszahlung kommt.
Die Bearbeitungszeiten bei Konsumentenkrediten betragen
- Bei 19 Prozent der Institute weniger als eine halbe Stunde
- Bei 55 Prozent liegt die Dauer zwischen einer halben und einer Stunde
- Immerhin 26 Prozent benötigen zwischen einer Stunde und fünf Stunden.
Dramatischer sieht es bei der Bearbeitung von Baufinanzierungen aus.
- 43 Prozent benötigen zwischen einer Stunde und fünf Stunden.
- Bei 47 Prozent beträgt die Bearbeitungsdauer zwischen fünf und 20 Stunden.
- Bei zehn Prozent dauert die Bearbeitung sogar mehr als 20 Stunden.
Grundsätzlich haben sich die Durchlaufzeiten bei Konsumkrediten sogar noch verlängert. Waren es im Jahr 2012 noch 87 Prozent der Banken, die mit einer Bearbeitungsdauer von weniger als einer Stunde auskamen, sank diese Zahl auf 74 Prozent im Jahr 2014.
Diskrepanz zwischen Bearbeitungs- und Durchlaufdauer
Wird ein Kredit innerhalb von einer Stunde bearbeitet, heißt das noch lange nicht, dass auch die Auszahlung sofort erfolgt.
- 61 Prozent der Banken hatten tatsächlich eine Durchlaufdauer von einer Stunde.
- 21 Prozent benötigten zwischen einer und fünf Stunden.
- Bei 12 Prozent lag die Durchlaufdauer zwischen 5 und 24 Stunden.
- Sechs Prozent benötigten sogar mehr als 24 Stunden.
Es lässt sich festhalten, dass die Banken, die den Filialvertrieb für Kredite im Fokus haben, auch die Banken mit den kürzesten Durchlaufdauern sind. Die Prozesse sind hier auf einem Schreibtisch gebündelt. Eine Aufteilung auf verschiedene Akteure erfolgt erst nach Auszahlung des Darlehens.
Anders sieht es bei dem Unterschied zwischen Bearbeitungs- und Durchlaufdauer bei Baufinanzierungen aus. Wie bereits eingangs angedeutet, ist der Aufwand deutlich größer, bis alle notwendigen Unterlagen vorliegen. Im Gegensatz zu Konsumentenkrediten arbeiten die Entscheidungsträger meist nicht in der Filiale, sondern in einer zentralen Abteilung.
- Auf weniger als einen Tag kommen nur neun Prozent der Banken.
- Das Gros, 70 Prozent, hat eine Durchlaufzeit von einem Tag bis zu fünf Tagen.
- 15 Prozent benötigen immerhin zwischen fünf bis zehn Tage.
- Mehr als zehn Tage warten Kunden bei sechs Prozent der Banken auf eine Entscheidung.
Der industrialisierte Kreditprozess – die Optimierung steht noch aus
EDV-basierte Bonitätsprüfungen haben schon zu einer deutlichen Beschleunigung bei der Kreditbearbeitung geführt. Bei Konsumkrediten fand eine Industrialisierung bereits weitgehend statt, muss aber noch weiter optimiert werden. Im Baufinanzierungsgeschäft fällt die Herausforderung einer Industrialisierung deutlich größer aus, da die Beleihungsprüfung nur schwer standardisiert werden kann, will die Bank dem zu finanzierenden Objekt zu 100 Prozent gerecht werden.
Die Aufteilung eines Prozesses in viele Einzelbestandteile, die dann jeweils gebündelt werden, wäre die Konsequenz. Für den Mitarbeiter bedeutet eine optimierte Industrialisierung daher auch das Risiko des Abgleitens in monotone Tätigkeiten.
Was bedeutet Industrialisierung?
Jeder Mitarbeiter ist nur noch für einen Schritt im Kreditprozess zuständig. Für diesen einen Schritt ist er spezialisiert und kann somit effizienter, sprich schneller arbeiten. Dem steht der generalistische Ansatz gegenüber, dass ein Mitarbeiter die Finanzierung von Anfang bis Ende bearbeitet, wie es gerade bei Konsumentenkrediten im Filialvertrieb heute immer noch durchaus üblich ist.
Als industrialisierter Kreditprozess gilt ein Prozess, wenn mindestens die Hälfte aller Arbeitsschritte in Einzelschritte zerlegt ist und von unterschiedlichen Mitarbeitern mit speziellen Qualifikationen durchgeführt wird.
Auffällig ist, dass die Banken im Bereich Baufinanzierung eine deutlich höhere Industrialisierung erreicht haben. Lediglich im Tätigkeitsfeld Work-out überwiegt die Zahl der Institute, die diesen Arbeitsbereich stärker auf verschiedene Mitarbeiter aufteilen.
Industrieller Prozess vs generalistischem Prozess – wer hat die Nase vorne?
Tatsache ist, dass es bei der Verteilung zwischen generalistischem und industriellem Vorgehen innerhalb der befragten Institute in Bezug auf die Bearbeitungsdauer bei Ratenkrediten keine großen Unterschiede gibt.
- Weniger als eine halbe Stunde benötigen 20 Prozent der industriell aufgestellten und 18 Prozent der generalistisch aufgestellten Banken.
- Weniger als eine Stunde fällt bei 50 Prozent der industriell agierenden Banken und bei 58 Prozent der generalistisch agierenden Banken an.
- Eine bis fünf Stunden benötigen 30 Prozent der Banken mit einem industriellen Prozess und 24 Prozent der Banken mit generalistischen Ansatz.
Bei den Durchlaufzeiten sehen die Zahlen folgendermaßen aus:
Industrieller ProzessGeneralistischer Prozess
Industrieller Prozess | Generalistischer Prozess | |
---|---|---|
< 1 Stunde | 50% | 65% |
1 – 5 Stunden | 20% | 22% |
5 – 24 Stunden | 10% | 13% |
> 24 Stunden | 20% | 0% |
Bezüglich der Durchlaufzeiten zeigt sich ganz deutlich, dass der industrielle Kreditprozess noch deutliche Verbesserungen benötigt, bevor er eine höhere Effizienz aufweist als das klassisch generalistische Herangehen. Bemerkenswert ist auch, dass in der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2012 noch alle Institute weniger als 24 Stunden als Durchlaufzeit aufwiesen. Diese Zahl ist auf 80 Prozent, ausschließlich durch die industriell operierenden Banken, gesunken.
Für die Bankkunden bedeuten diese Zahlen, dass sie sich zeitweise immer noch auf längere Wartezeiten einstellen müssen, da die Effizienz noch nicht in dem Maß optimiert werden konnte, wie es vielleicht wünschenswert wäre. Wer einen Ratenkredit oder eine Baufinanzierung aufnehmen möchte, sollte im Vorfeld mit der Bank klären, wie lange die Bearbeitungszeit tatsächlich in Anspruch nimmt.