Droht in Italien der Bankenkollaps?
Nachdem die italienischen Banken die erste Finanzkrise gut überstanden und mit zweifelhaften amerikanischen Papieren nichts am Hut hatten, droht ihnen jetzt der Kollaps. Rund 360 Milliarden Euro fauler Kredite stehen in den Bilanzen der Geldhäuser auf dem Apennin.
Um die Zahlen besser einschätzen zu können: Dies entspricht rund einem Drittel aller ausfallgefährdeter Darlehen in Europas Problemländern. Wir blicken über den Tellerrand und analysieren, welche Auswirkungen die Situation haben könnte.
Wie konnte es dazu kommen?
Nach der Finanzkrise, welche die italienischen Kreditinstitute noch recht gut überstanden hatten, musste das Land aufgrund zu hoher Staatsverschuldung massive Kürzungen vornehmen. Dies führte zwangsweise zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und zu Kürzungen bei den Haushaltseinkommen.
Zahlreiche Unternehmen gingen in die Insolvenz. Die Banken blieben auf ihren Forderungen sitzen. Während die spanischen Institute noch auf die damals mögliche Option der staatlichen Hilfe zurückgriffen, hatten die Italiener dies unterlassen.
Die aktuelle Forderung nach staatlicher Hilfe läuft allerdings dem jetzt geltenden EU-Recht zuwider.
Ob italienische Banken effizient wirtschaften, mag dahin gestellt sein. Im Vergleich zu Deutschland bieten die italienischen Banken ein deutlich dichteres Filialnetz. Im Jahr 2016 betrieben 644 Institute 30.000 Bankfilialen, davon alleine 3.900 die Unicredit. Beschäftigt sind in diesem Segment 303 Tausend unkündbare Mitarbeiter (F.A.Z. online, 13.06.2016)
Wie sehen Lösungen aus?
Zunächst einmal stoßen die Pläne von Matteo Renzi, rund 40 Milliarden Euro an Steuergelder in die heimischen Banken zu pumpen, innerhalb der EU auf Widerstand, da dieses Vorgehen nicht mehr zulässig ist. Konsequenterweise müssten zunächst die Anteilseigner und Sparer mit Einlagen über 100.000 Euro herangezogen werden.
Vier kleinere Banken wurden im vergangenen Jahr auf diese Weise vor der Insolvenz bewahrt, andererseits verloren Sparer dabei 360 Millionen Euro. Ein staatliches Eingreifen bei einem Unternehmen wie der Monte dei Paschi di Siena würde allerdings den Volkszorn heraufbeschwören.
Auch in Italien wird es nicht gerne gesehen, wenn Missmanagement anschließend durch Steuergelder kompensiert wird.
„Italienische“ Lösungen
Matteo Renzi geht einen gefährlichen Weg. Der Gedanke, alle Volksbanken in Aktiengesellschaften zu wandeln, wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet. Die Staatsgarantie für zahlreiche faule Kredite ist zweifelhaft und der erste Rettungsfonds mit fünf Milliarden Euro Kapital war zu dürftig ausgestattet.
Fonds Nummer zwei, mit zwei Milliarden Euro an Geldmitteln versehen, ist nur ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein und genügt gerade, Monte dei Paschi eine Verschnaufpause zu gönnen.
Renzis Aussage, Deutschland sei schuld an der Misere, da es italienische Banken nicht retten wolle, zeichnet kein Bild einer seriösen Problemlösung (F.A.Z. online, 13.06.2016).
Ein Trick der Banken, sich mit Kapital zu versorgen, war zwielichtig: Über Jahre mussten Kreditnehmer, um ein Darlehen zu erhalten, Obligationen der jeweiligen Bank erwerben. Damit wurden die Kreditnehmer zu gezwungener Weise zu Miteigentümern der Banken.
Kunden des drittgrößten Instituts und der ältesten Bank der Welt, der Monte dei Paschi di Siena, wurden mit Obligationen in einem Volumen von rund fünf Milliarden Euro „beglückt“ – 60.000 Anleger sitzen auf diesen Schrottpapieren.
Volksbanken bestanden darauf, dass Kreditnehmer Genossenschaftsanteile zu ebenfalls völlig überhöhten Preisen kaufen mussten.
Die Unicredit, Mutterhaus der deutschen Hypo Vereinsbank, plant über Verkäufe von Anteilen an dritten Unternehmen, die Liquidität zu verbessern. Die deutsche Tochter sei nicht betroffen, so hört man aus Mailand.
All das lässt den italienischen Staatschef unberührt, er setzt auf die Steuergelderkarte. Möglicherweise darf er diese auch ziehen, wenn beispielsweise das gesamte System in Gefahr geriete, oder der im Juli bevorstehende Bankenstresstest die Notwendigkeit dieser Option aufwirft.
Was bedeutet das für italienische Verbraucher?
Durch die EU-Richtlinien zu Verbraucherkrediten und Wohnimmobilienkrediten könnte für die Zukunft das Risiko fauler Kredite nicht nur in Italien, sondern europaweit eingedämmt werden. Aktuell sieht es so aus, dass italienische Banken in der Kreditvergabe sehr restriktiv vorgehen, respektive aufgrund der Richtlinien umgehen müssen.
Besteht für Europas Banken eine Gefahr?
Die Verflechtungen innerhalb der europäischen Finanzwelt sind zu groß, als dass der Konkurs einer italienischen Bank keinen Flächenbrand entfachen würde. Allein deutsche Banken sind mit Milliarden in Italien engagiert. Die Insolvenz einer italienischen Bank würde europaweit zu einem Dominoeffekt führen.
Was sind eigentlich „faule Kredite“?
Unter „faulen Krediten“ versteht man die Darlehen, die bei den Banken mit einem erhöhten Ausfallrisiko behaftet sind. Besonderes Augenmerk kommt diesen Krediten zu, da sie in den Bilanzen als mögliche Abschreibungen geführt werden müssen.
Die Auswirkungen dieser Darlehen für die Banken sind leicht erkennbar: Kundeneinlagen werden als Kredit ausgezahlt, der Kredit fließt nicht zurück, die Anleger haben eine offene Forderung gegen die Bank, die Bank kann nicht zahlen, am Ende steht die Insolvenz.
Gerade bei einer zu dünnen Eigenkapitaldecke der Institute ist diese Gefahr gegeben. Es ist nicht all zulange her, dass der IWF das Risiko des zu niedrigen Eigenkapitals auch bei der Deutsche Bank AG monierte.
Sind „Bad Banks“ eine Lösung?
Als Bad Bank werden Institute bezeichnet, deren Geschäftsinhalt darin besteht, Zertifikate und Derivate sowie die Abwicklung notleidender Kredite von Instituten zu übernehmen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.
Ziel ist die Vermeidung einer Insolvenz, gegebenenfalls unter Einschaltung eines Sicherungsfonds oder staatlicher Bürgschaften. Als dauerhafte Lösung kann die Etablierung von Bad Banks oder eine kontinuierliche Geschäftstätigkeit jedoch nicht angesehen werden, da indirekt immer wieder Steuergelder zur Rettung notwendig sind.
Erschreckend sind auf der anderen Seite aber die Volumina die bei Bad Banks im europäischen Ausland gelagert wurden:
- Bank Dexia (Belgien-Frankreich): 226 Milliarden Euro
- NCA Bank: 90 Milliarden Euro
- Sareb (Spanien): 60 Milliarden Euro
- Natixis (Frankreich): 13,5 Milliarden Euro
In der Summe lagern europaweit 1.000 Milliarden Euro bei den Bad Banks.
Die in Deutschland gegründeten Bad Banks für die Hypo Vereinsbank, Commerzbank und HSH Nordbank konnten ihren Bestand an schlechten Papieren in den letzten Jahren drastisch reduzieren, die Abwicklungsbank FMS erwirtschaftete 2012 bereits einen Gewinn von 37 Millionen Euro.
Welche Risiken bestehen in Deutschland?
Die griechische Tragödie in der Finanzwelt auf dem Peloponnes ist noch gar nicht so lange her. Übertönt von dem damaligen Getöse ging es fast unter, dass auch niederländische Banken in einer mittleren Krise steckten. Nun scheint sich die Geschichte Griechenlands in einem weiteren Mittelmeeranrainerstaat zu wiederholen.
Die Frage, die sich viele Deutsche stellen, lautet „Wann ist es bei uns soweit?“ Laut Bundesbank galten im Jahr 2014 rund 2,34 Prozent der ausgegebenen Darlehen als notleidend (F.A.Z. online, 25.04.2016). Mit diesem Prozentsatz kann Deutschland gut leben.
Darüber hinaus verfügt das Deutsche Bankensystem über ein Sicherungsmittel, die Einlagensicherungsfonds der einzelnen Bankengruppen, welches in dieser Form einmalig ist. Teilweise bieten die Institute unbegrenzte Einlagensicherung, beispielsweise im öffentlich-rechtlichen Sektor.
Der neue Kurs der Deutsche Bank AG, gesundschrumpfen mit aller Gewalt, zeigt auch den deutlichen Unterschied zum italienischen Bankensystem. Auch die hiesigen Sparkassen zeigten in den vergangenen Jahren, dass Filialschließungen inzwischen zum täglichen Geschäft zählen, wenn es darum geht, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Deutschland scheint nach wie vor eine Insel in Bezug auf die Sicherheit des Finanzsektors zu sein. Die Teilverstaatlichung der Commerzbank war ein Weckruf. Heute ist das Unternehmen auf dem Weg, sich wieder zu konsolidieren.