Erschwinglichkeitsindex ESX für Immobilien im Vergleich
Die eigenen vier Wände sind für viele nicht nur reiner Luxus, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität und der Altersvorsorge. Doch diesen Bestandteil muss man sich erst einmal leisten können.
Entscheidend für die Beurteilung, ob es in einer Volkswirtschaft leichter oder schwerer für den Einzelnen wird, sich eine Immobilie zu leisten, ist der von uns entwickelte Erschwinglichkeitsindex (ESX). Er zieht die Entwicklung der Immobilienpreise ins Kalkül und stellt diese der Entwicklung der Nettoeinkommen gegenüber. Wir zeigen die nationale Entwicklung seit 1975.
Um eine gleichmäßige Datengrundlage zu haben, stützen wir unsere Berechnungen auf die offiziellen statistischen Daten der OECD und Federal Reserve Bank of Dallas. Die Daten reichen zurück bis ins Jahr 1975 und zeigen, wie sich Einkommen und Immobilienpreise, und somit auch der ESX, im Laufe der Zeit verändert haben.
Rückgang des Erschwinglichkeitsindex in den frühen 1990ern
Seit Mitte der 1970er Jahre wurde es für die Deutschen immer leichter, sich eine eigene Immobilie zu leisten. Anfang bis Mitte der 1990er, kurz nach der Wiedervereinigung, ging es mit der Erschwinglichkeit in Deutschland erst erstmals etwas abwärts. Der Index verlor von 74,5 auf 70,4 Punkte, was einem Rückgang von 5,5 Prozent entspricht.
Im ersten Moment mag einem da die gewaltige Differenz zwischen den Ost- und Westgehältern in den Sinn kommen, mit vermutetem Nachteil auf Seiten der DDR. Tatsächlich verzeichnet die OECD für das theoretisch vereinigte Deutschland von 1991 und davor ein spürbar niedrigeres Nettoeinkommen in US-Dollar pro Kopf:
Jahr | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
BRD | 14.608 | 15.138 | 16.265 | 17.425 | 18.675 | 19.821 | |||
GER | 12.882* | 13.347* | 14.355* | 15.420* | 16.698* | 17.862* | 18.449 | 18.425 | 19.168 |
Quelle: OECD. BRD= früheres Westdeutschland, GER= Gesamtdeutschland | *Werte sind Schätzungen der OECD und inkludieren ost- und westdeutsche Nettoeinkommen. Schätzungen daher, weil die DDR kein OECD Mitglied war und konkrete Zahlen daher nicht vorliegen.
Der Grund für einen sinkenden Erschwinglichkeitsindex liegt also daran, dass durch die Wiedervereinigung die durchschnittlichen Nettoeinkommen in Deutschland deutlich abgesenkt wurden (niedrige Ost-Gehälter drücken West-Durchschnitt).
Tatsächlich stiegen sowohl die theoretischen als auch die tatsächlichen gesamtdeutschen Nettoeinkommen fast ungebrochen, nur eben nicht in dem Maße, wie es die Immobilienpreise taten. Denkt man zurück, erinnern sich viele an Immobilien in den neuen Bundesländern, die in Massen an westdeutsche Anleger verkauft wurden. Hauptargumente waren dabei verstärkt Schlagworte rund um das Thema „Steuern sparen“.
Da Immobilien sogar mit nichts weiter als einem Flyer und ein paar Beispielrechnungen verkauft werden konnten, stiegen die Preise entsprechend. Die Nachfrage wurde so angeheizt, dass selbst einfache Wohnungen in großen Plattenbausiedlungen selbst leerstehend als Anlageobjekt über den Ladentisch gingen. Wie großflächig sich der finanzielle Schiffbruch auf diese Art und Weise ausbreitete, ist Geschichte.
Der ESX während der letzten Jahre
Während der Wirtschaftskrise, die 2007/2008 ihren Ausgangspunkt hatte, erfuhr der Erschwinglichkeitsindex zunächst eine positive Entwicklung in Deutschland. Weniger, weil plötzlich die Immobilien an Wert verloren, sondern vielmehr, weil die Nettoeinkommen stark stärker anstiegen.
Das ging so bis fast ungebrochen bis 2011. Seither allerdings bewegt sich der ESX seitwärst mit einer spürbaren Abwärtstendenz. Für das Jahr 2016 errechnen wir einen Wert von 121, 1 Punkten im Gegensatz zu 130,5 Punkten, die der ESX 2011 erreicht hatte. Das entspricht einem Abschlag von 7,2 Prozent, der somit stärker ausfällt, als der nach der Wiedervereinigung.
Hauptgrund für diese Entwicklung dürfte Leitzinspolitik der EZB sein. Mit der Finanzkrise senkte die EZB den Leitzins von 4,25 Prozent auf 1,00 Prozent binnen weniger Monate. Nach dem kurzen Versuch, den Zins 2011 wieder anzuheben, entschied sich die EZB zu weiteren Zinssenkungen. Ab Ende 2011 fuhr sie damit fort und senkte den Zins bis auf das Null-Niveau (Stand: Jan. 2018).
Ein niedriger Leitzins verbilligt auch die Kreditzinsen. Das bedeutet auch, das Baufinanzierungen so günstig wurden, wie sie es noch nie waren. Im logischen Schluss waren es nicht nur Privatleute, die sich nun die eigenen vier Wände leisten wollten und auch leisten konnten, sondern auch große Immobilienfirmen sahen ihre Zeit als gekommen an.
Ein anderer verstärkender Faktor ist eine Tendenz, die die Leute mehr und mehr vom Dorf in die Städte führt und dort den Wohnraum verknappt. Gleichzeitig führen manche Autoren den zusätzlichen Wohnraum für die Hilfesuchenden der Flüchtlingswelle ins Feld.
In Summe verteuern sich die Immobilien in Deutschland schneller als die Nettoeinkommen steigen. Daher wird es im Durchschnitt in Deutschland seit 2011 schwerer für den Einzelnen, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen.
In unseren Themenwelten finden Sie die Rubrik „Statistiken“ mit umfangreichen Datenmaterial zur Entwicklung der Leitzinsen und der Kreditzinsen.
Zum Vergleich: Der ESX in ausgewählten Staaten
Die Zahlen für Deutschland sehen für sich genommen schon nicht schlecht aus. Viel interessanter wird die Beurteilung allerdings im internationalen Vergleich. Steht die deutsche Volkswirtschaft denn auch im Bereich der bezahlbaren Immobilien im Vergleich mit anderen Nationen gut da?
Wirtschaftsraum | Aktuellster ESX (2005 = 100) | Werte für das Jahr |
---|---|---|
Australien | 72,0 | 2016 |
Belgien | 92,9 | 2016 |
Dänemark | 123,6 | 2016 |
Deutschland | 120,8 | 2016 |
Finnland | 104,9 | 2016 |
Frankreich | 112,0 | 2016 |
Großbritannien | 94,2 | 2016 |
Irland | 165,7 | 2016 |
Israel | 72,5 | 2016 |
Italien | 139,5 | 2016 |
Japan | 167,0 | 2016 |
Kanada | 60,2 | 2016 |
Luxemburg | 67,2 | 2016 |
Neuseeland | 84,6 | 2016 |
Niederlande | 138,7 | 2016 |
Norwegen | 65,8 | 2016 |
Schweden | 77,6 | 2016 |
Schweiz | 103,8 | 2016 |
Spanien | 151,4 | 2016 |
Südafrika | 78,2 | 2014 |
Südkorea | 101,2 | 2016 |
USA | 119,9 | 2016 |
Welt | 118,3 | 2016 |
Quellen: OECD, FED Dallas (US), eigene Berechnungen
Wie die Tabelle zeigt, schlägt sich Deutschland nicht schlecht. In unserem Land ist es leicht überdurchschnittlich erschwinglich, sich eine Immobilie zu leisten. Am günstigsten ist es für die Käufer in Irland und in Japan. Am schwersten fällt der Eigenheimerwerb den Bürgern in Kanada und Norwegen.
Fazit: Jammern auf hohem Niveau
Es besteht kein Grund einer verpassten Chance hinterher zu weinen. Erstens sind die Kreditzinsen nach wie vor im Keller und günstige Immobilienfinanzierungen sind ebenfalls nach wie vor zu bekommen. Ein Erschwinglichkeitsindex von 120 Punkten ist nicht schlecht. Sagt er doch aus, dass es heute erheblich leichter als 2005 fällt, eine Immobilie zu kaufen. Unser internationaler Indes schaffte es übrigens auf 118,3 Punkte.
Gleichzeitig muss auch nicht auf Teufel-komm-raus eine Immobilie in 1A-Lage gekauft werden. Gerade in den Ballungsräumen haben sich viele Objekte extrem verteuert: Es besteht ein Unterschied zwischen dem inneren Wert einer Immobilie und dem Verkehrswert. Erstere Größe beziffert das Objekt an sich, die zweite Größe beschreibt den Preis, der auf dem Markt erzielt werden kann.
Früher waren 20 Jahreskaltmieten ein fairer Preis für eine Immobilie, heute sind es stellenweise über 30 Jahreskaltmieten. Es ist daher klar: Wird ein solches Objekt gekauft und korrigiert sich die Marktlage wieder, kann der Kreditzins so günstig sein, wie er will. Den Wertverlust aus der Preiskorrektur wird der Zinsvorteil nicht abfangen können und der Käufer erleidet einen erheblichen Verlust.