Ewiges Widerrufsrecht kippt – Eile ist geboten
Mit Beschluss vom 25.01.2015 initiierte das Kabinett den Gesetzgebungsprozess, der durch die Bundesregierung das Widerrufsrecht für Baufinanzierungen mit mangelhaften Widerrufsbelehrungen bei Krediten aus der Zeit zwischen 2002 und 2010 per Gesetz im Sommer 2016 beenden wird.
Die Frist für einen möglichen Widerruf endet voraussichtlich am 21.06.2016
Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Für Kreditnehmer, deren Darlehen aus dieser Zeit resultieren, ist also Eile geboten. Wer aus einem Darlehensvertrag mit höheren Zinsen als heute ohne Vorfälligkeitsentschädigung aussteigen möchte, darf nun nicht mehr trödeln.
Der Gesetzgebungsprozess an sich ist recht kompliziert. Daher haben wir uns direkt beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz informiert. Ein Sprecher des Bundesjustiz- und verbraucherschutzministeriums erklärte dazu:
„Das Kabinett hat den von uns eingebrachten Vorschlag beschlossen. Nach Beschlussfassung durch den Gesetzgeber wird das Gesetz in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt haben Verbraucherinnen und Verbraucher drei Monate Zeit, ihre alten Verträge zu widerrufen.“
Die nachfolgende Grafik zeigt, welche Fristen für die Kreditnehmer jetzt entscheidend sind. Die absolute Deadline wird wohl der 21.06.2016 sein. Das steht noch nciht ganz fest. Fix ist, dass die Übergangsfrist nur drei Monate dauern wird. Ist der Widerruf bis dahin nicht bei der Bank oder Sparkasse eingegangen, gilt nur noch das neue Widerrufsrecht.
Was genau ändert sich?
Speziell in der Zeit zwischen Ende 2002 und Mitte 2010 wurden massig Baufinanzierungen mit einer ungenügenden Widerrufsbelehrung an die Kunden ausgegeben. Da dieser Passus mitunter so verklausuliert wurde, dass sie ein Nicht-Jurist nicht mehr verstehen konnte (stellenweise hatten sogar Experten heftige Schwierigkeiten mit den Formulierungen), hatte die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.
Laut aktueller BGH Rechtsprechung (Stand Ende Januar 2016) können daher Kreditnehmer mit entsprechenden Verträgen erfolgreich die alte Baufinanzierung widerrufen und mit einem neuen, wesentlich zinsgünstigeren Kreditvertrag ersetzen.
Tritt das neue Gesetz in Kraft gilt für alle Baufinanzierungen, egal wann sie unterzeichnet wurden, die neue Widerrufsfrist von einem Jahr plus 14 Tage.
Wie kam es zu der Gesetzesänderung?
Als das erste Gerichtsurteil zu mangelhaften Widerrufserklärungen dem Kreditnehmer das Recht auf Rückabwicklung bestätigte, hätten die Banken eigentlich reagieren müssen. Ein mögliches Szenario wäre es gewesen, den Kreditnehmern ein neues, mit der Musterwiderrufserklärung des Gesetzgebers konformes, Formular zuzusenden.
Die Befürchtung war aber wohl, dass der eine oder andere Kunde dann von seinem Recht auf Rückabwicklung Gebrauch macht und den Kreditinstituten der eine oder andere Euro an Zinsdifferenz verloren gegangen wäre. Also geschah nichts.
Diese Vogel-Strauß-Politik sollte sich rächen. Verbraucherschützer machten mobil und plötzlich kursierte das Wort vom „Widerrufsjoker“ in den Medien. Kreditnehmer konnten mit einem Mal Darlehen aus Zeiten hoher Zinsen ohne Vorfälligkeitsentschädigung rückabwickeln und in Baukredite mit niedrigerer Verzinsung wechseln.
Den Banken drohten plötzlich nicht der eine oder andere Euro als Verlust, sondern Milliardeneinbußen, denn die Verbraucherschützer rührten die Werbetrommel für den Widerrufsjoker.
Was nun begann, war Lobbyarbeit vom Feinsten. Die Kreditinstitute waren regelrecht empört, dass Kreditnehmer die rechtliche Grundlage nutzten, den Fehler der Banken für sich zu nutzen. Die Richter des BGH hatten in einem Fall ihr Urteil mit den folgenden Worten begründet: „[…] Die verwendete Belehrung könne aus Sicht eines durchschnittlichen rechtsunkundigen Verbrauchers unzutreffende Vorstellungen hervorrufen, […]“.
Noch kritischer wurde die Lage, als das OLG Frankfurt (Az.: 17 U 202/14) eine bereits getilgte Baufinanzierung ebenfalls zur Rückabwicklung zuließ. Die Bank musste dem Darlehensnehmer eine Kompensation für die zu Unrecht erhaltenen Zinsen bezahlen.
Für die Geldhäuser gab es keine Möglichkeit, aus dem Strick, den sie sich durch Unterlassung selbst gedreht hatten, wieder herauszukommen. Die einzige Chance, das Damoklesschwert des lebenslangen Widerrufsrechtes abzuwenden, war eine Gesetzesänderung; die einzige Möglichkeit geltende BGH Rechtsprechung zu umschiffen.
Schützenhilfe von ganz oben
Die Lobbyarbeit war erfolgreich. Niemand Geringeres, als die Kanzlerin selbst intervenierte im Zusammenhang mit der Umsetzung einer Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (Richtlinie 2014/17/EU)
Vor dem Hintergrund, dass diese EU Richtlinie den Bundestag passieren musste, entstand der Gedanke, in die Gesetzesvorlage einen Passus zu integrieren, der das Widerrufsrecht für Kredite künftig beschränkt.
Frau Merkel legte dem Präsidenten des Deutschen Bundestages einen Gesetzentwurf mit der Bitte um Abstimmung im Bundestag vor, der auf rund 160 Seiten einen entsprechenden Passus enthielt. Auch wenn eine Mehrheit der Abgeordneten eigentlich gegen diesen Vorstoß wären: Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Abgeordneten jeden Satz in einer 160seitigen Gesetzesvorlage lesen.
Der entsprechende Absatz besagt, dass für neu abzuschließende Kreditverträge die Widerrufsfrist auf zwölf Monate und 14 Tage beschränkt wird. Für bestehende Verträge sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Widerspruchsfrist auf drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes endet.
Dies wäre dann am 21.6.2016.
In anderen Quellen ist zwar von einer sechsmonatigen Frist die Rede. Der allgemeine Tenor geht allerdings von einer Übergangsfrist von nur drei Monaten aus.
Kippen des Widerrufsrechts bleibt nicht unwidersprochen
Der Deutsche Anwaltsverein sieht den Gesetzesentwurf allerdings mit höchster Skepsis. Er geht davon aus, dass der Passus bezüglich der Verträge, welche vor dem 20.3.2016 geschlossen wurden, als europarechtswidrig zu sehen ist.
Der Hamburger Professor Dr. Kai-Oliver Knops sieht hier ebenfalls einen Rechtsbruch. In seinen Augen wäre es völlig ausreichend, wenn die Banken ihre Kreditnehmer nachbelehren würden. Gutachten und Gegengutachten werden dieser Tage gewälzt.
Tatsache ist, dass die Gesetzesvorlage in voller Höhe zulasten der Verbraucher geht. Hier wird nicht bestraft, wer den Fehler gemacht hat, sondern derjenige, der bestehendes Recht anwendet. Für den Verbraucherschutz ein Unding. Apropos Verbraucherschutz:
Der Hauptakteur in dieser Angelegenheit
Nun hat Kanzlerin Merkel nur umgesetzt, was ihr zugearbeitet wurde. Einer der Hauptakteure, der seit 2013 als Staatsminister im Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz tätige Gerd Billen, überraschte auf einer Tagung der Juristen des Deutschen Sparkassenverbandes die Anwesenden mit der oben erwähnten Gesetzesvorlage. Wenn die Unterstützung der Banken gewährleistet sei, könne das Gesetz den Bundestag passieren.
Der Sachverhalt als solches ist nicht pikant. Spannend wird es jedoch, schaut man auf die Tätigkeit von Herrn Billen vor seinem Amtsantritt. Er verdiente sein Geld als Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.
Fazit
Noch ist der 21.3.2016 nicht ins Land gegangen, noch stehen die Gutachten zur Diskussion. Für betroffene Kreditnehmer heißt es aber, dass es wahrscheinlich zur Sache geht und daher höchste Eile geboten ist, den Widerrufsjoker zu ziehen, bevor die Karten ohne ihn neu gemischt werden.
Redaktion: Marc Opitz