Falscher Investitionstrend bei Immobilien
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) warnt derzeit vor falschen Investitionstrends für Immobilien in Deutschland. Demnach werde an falschen Orten in falsche „Immobiliengrößen“ investiert. Es gäbe zu viele Einfamilienhäuser in den ländlichen Regionen und zu viele Studentenwohnungen in den Metropolen.
Wichtig ist es jetzt, den aktuellen Trends entgegenzuwirken, um die Auswirkungen in der Zukunft gering zu halten.
Noch vor wenigen Jahren wurde der Mangel an geeigneten Immobilien stark kritisiert. Gerade in den Großstädten war und ist die Nachfrage nach kleinen Studentenapartments noch immer groß. Doch mittlerweile ist Vorsicht geboten: Investoren haben sich in Scharen diesem Problem angenommen.
Das Ergebnis heute: In manch einer City entstehen deutlich mehr kleine Wohnungen, als benötigt werden. Auf dem Land hingegen sind wegen historisch niedriger Zinssätze unzählige Einfamilienhäuser entstanden. Aus der jetzt eintretenden Trendwende sollten Investoren die richtigen Rückschlüsse ziehen.
Zu viele Einfamilienhäuser auf dem Land und zu viele Mikroapartments in der City
Betrachtet man die bauliche Entwicklung in den vergangenen Jahren, lässt sich feststellen, dass häufig am Bedarf vorbei gebaut wurde. Interessant ist dabei die Erkenntnis, dass auf dem Land häufig zu viele große Wohnungen bzw. Einfamilienhäuser entstanden sind, während es in den Großstädten vorrangig die kleinen Studentenaparatments sind, die es in großer Anzahl gibt.
Woraus diese Entwicklung resultiert, ist klar: Noch vor einigen Jahren beklagte man vor allem den Mangel an kleinen 1-, 2- und 3-Zimmer-Wohnungen in den Metropolen. Die großen Investoren haben auf die hohe Nachfrage reagiert und viele Projekte dieser Art in kurzer Zeit umgesetzt. Jetzt ist das Problem scheinbar ein anderes.
Beispiel Emsland. Hier entstanden zwischen 2011 und 2015 laut IW-Experten etwa 1.060 Wohnungen mehr als auf Grundlage der Leerstände bzw. der demografischen Entwicklung erwartet worden sind. Bei etwa vier von fünf Immobilien handelt es sich um Einfamilienhäuser oder große Wohnungen.
An kleine Wohnungen hat in diesem Landkreis fernab der großen Metropole offensichtlich kaum einer gedacht. Mit fatalen Folgen: So langsam mangelt es den Emsländern nämlich an eben diesen kleinen Wohnungen. Der IW-Wissenschaftler Michael Voigtländer sagt dazu:
„Die meisten ländlichen Gebiete sind überversorgt, die Haus- und Grundstückspreise werden hier perspektivisch wieder fallen“.
Schuld an dieser Entwicklung ist insbesondere das anhaltend niedrige Zinsniveau. Das billige Geld führt dazu, dass ohne Berücksichtigung des Leerstandes selbst in Kommunen mit sinkenden Bevölkerungszahlen viel gebaut wird – insbesondere Einfamilienhäuser. Voigtländer warnt in diesem Zusammenhang vor einer „verstärkten Zersiedlung“.
Auf der anderen Seite warnen die IW-Experten vor zu vielen Mikroapartments in den großen Metropolen. So entstehen etwa in Frankfurt am Main schon heute etwa eineinhalb Mal so viele Studentenaparatments wie benötigt. Genauer gesagt ist der Baubedarf für 1-Raum-Wohnungen hier bereits zu 190 Prozent gedeckt. Ähnlich sieht die Situation in Dortmund (188 Prozent des Baubedarfs erfüllt) oder Essen (406 Prozent) aus.
Bedenken sollten Investoren, die auf solche „Mini-Wohnungen“ setzen, zudem die Tatsache, dass die Zahl der Studenten in den kommenden Jahren sinken wird. Auch ist das Preisniveau dieser Mikroapartments häufig zu hoch – Studenten können sich diese hochpreisigen Wohnungen mit ihrem niedrigen Einkommen oft nicht leisten. Fraglich ist also, was mit den zahlreich entstandenen Mikroapartments in weiterer Zukunft passieren wird.
Achtgeben sollten Immobilieninvestoren außerdem vor einer Verschärfung der Mietregulierung. Nun, wo die Bundestagswahl entschieden ist, drohen unter Umständen neue gesetzliche Grundlagen, die Mieterhöhungen in der Zukunft weiter erschweren könnten.
Bedarf in Ballungszentren trotzdem kaum zu stillen
Trotz der Tatsache, dass es wohl zukünftig in den Citys zu viele Mikroapartments geben wird, gibt es insgesamt einen nicht zu stillenden Baubedarf in den Ballungszentren. So sind beispielsweise in Hamburg laut IW in den vergangenen Jahren insgesamt nur 59 Prozent der benötigten Wohnungen gebaut worden.
In München sind es sogar nur 43 Prozent und in Berlin nur 40 Prozent des Baubedarfs, der gedeckt werden konnte. Diese Zahlen beziehen sich jedoch auf Immobilien sämtlicher Größen.
Mancherorts hingegen gar kein Bedarf
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat in seiner Baubedarfsanalyse weiter herausgefunden, dass in manch einer Gegend überhaupt keine Notwendigkeit besteht, zu bauen. Und zwar teilweise völlig unabhängig, ob kleine Apartments oder größere Einfamilienhäuser. Mehrheitlich handelt es sich um ostdeutsche Landkreise, die sich fernab großer Metropolen befinden.
Dazu zählen beispielswiese Görlitz, Bautzen, Spree-Neiße, Erzgebirgskreis, Zwickau, Vogtlandkreis, Kulmbach, Hochsauerlandkreis, Stendal, Ostprignitz-Ruppin, Uckermark, Mecklenburgische Seenplatte und Ostspreewald-Lausitz. Im Westen der Republik ist der Baubedarf nur in ausgewählten Landkreisen wie Kusel, Birkenfeld oder Südwestpfalz insgesamt nicht vorhanden.
Am Bedarf vorbei geschaut | |||
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Region | Baubedarf insgesamt zu … Prozent gedeckt | ||
Hameln-Pyrmont | 1.701 | ||
Kaiserslautern | 820 | ||
Bad-Kissingen | 586 | ||
Minden-Lübbecke | 4212 | ||
Mayen-Koblenz | 221 | ||
Emsland | 206 | ||
Göttingen | 75 | ||
Bremen | 54 | ||
München | 43 | ||
Berlin | 40 |
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Hinweis: Wert < 90 = Bedarf nicht erfüllt; Wert 90-110: Bedarf erfüllt; Wert >110: Bedarf übererfüllt
Übrigens: Am meisten fehlt es deutschlandweit an 2- bzw. 3-Zimmer-Wohnungen. Für kleinere 1-Raum-Wohnungen ist der Baubedarf in den meisten Regionen jedoch schon jetzt nahezu gedeckt. Auch der Bedarf an 5-Raum-Wohungen ist fast deutschlandweit nicht gegeben.
Lösungsansätze, um Leerstand auf dem Land zu verhindern
Dadurch, dass gerade in den ländlichen Regionen insgesamt zu viel gebaut wird, droht in der Zukunft massiver Leerstand. Die IW-Experten empfehlen deshalb zum Beispiel, keine neuen Bauflächen in Kommunen auszuweisen. Dass dieses Vorhaben schwierig durchzusetzen ist, liegt auf der Hand. Schließlich konkurrieren die Kommunen regelmäßig um neue Bauprojekte – es geht letztendlich um Steuereinnahmen.
Ein weiterer in den Niederlanden entstandener Lösungsansatz, ist, Neubau nur dann zu erlauben, wenn Leerstand abgebaut wird. Bedeutet: Wer neu bauen will, muss erst einmal Leerstand abbauen. Zu guter Letzt könnte es laut IW hilfreich sein, die Stadtzentren wieder attraktiver zu gestalten. Da viele Kommunen mit zurückgehenden Bevölkerungszahlen zu kämpfen haben, entsteht mehr und mehr auch hier ein Konkurrenzkampf.
Interessant ist diesbezüglich die Aussage von Stephan Kippes, Marktforschungsleiter beim Immobilienverband Deutschland Süd in München. Er ist der Ansicht, dass es hierzulande unterm Strich genügend Immobilien gibt: „In der Summe hätten wir eigentlich genug Wohnraum in Deutschland – wenn er an der richtigen Stelle wäre“.
Immobilienblase droht vorerst nicht
Die Analyse des Kölner Instituts gibt in Bezug auf eine drohende Immobilienblase jedoch vorerst Entwarnung. So heißt es im Papier der IW-Experten, dass in Deutschland aktuell nicht zu viel gebaut wird. Auch von einer größeren Expansion der Immobilienkredite kann demnach keine Rede sein. Konkret heißt es laut IW:
„Die Chancen stehen gut, dass der Boom mit einer weichen Landung endet“.
Fazit
Der Ruf nach mehr kleinen Studentenwohnungen in den Großstädten wurde mittlerweile erhört. In manchen Städten wie Frankfurt, Essen oder Dortmund gibt es schon jetzt zu viele dieser zumeist hochpreisigen Mikroapartments. Größere Wohnungen sind hier in den zurückliegenden Jahren kaum entstanden.
In den ländlichen Regionen der Republik war das Gegenteil zu beobachten gewesen. Wegen des Niedrigzinsniveaus stürzten sich viele auf Einfamilienhäuser – an kleinere Wohnungen wurde hier nur selten gedacht. Wichtig ist jetzt, die Balance wiederherzustellen, indem ein optimales Gleichgewicht aus kleinen und größeren Immobilien in der jeweiligen Region entsteht und gehalten wird.
Autor: Christian Finkenbrink, 10/17
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Institut der deutschen Wirtschaft Köln – Wohnungsmangel in den Städten, Leerstand auf dem Land
(2) Institut der deutschen Wirtschaft Köln – Steigende Zinsen treffen zuerst das Land
(3) FOCUS online – IW warnt: Drei Risiken muss jeder Immobilienbesitzer jetzt kennen
(4) Stern – In diesen Regionen sollten Sie bitte kein Haus kaufen
(5) Haufe – Bei Einfamilienhäusern und Studentenapartments droht Überversorgung