Faule Kredite in Europa nehmen ab
Die vergangene und noch nachhallende Finanzkrise wurde durch faule Kredite in den USA ausgelöst. Kein Wunder, dass der hiesige Markt sich vor solchen Eskapaden bestmöglich schützen möchte.
Da fremde Regulierungen nicht direkt beeinflusst werden können, versucht die Bankaufsicht zumindest vor der eigenen Tür zu kehren. Mit Erfolg, wie die aktuellen Zahlen belegen.
Die vergangenen fünf Quartale zeigen, dass in Europa ein riesiges Stück vom faulen Kredit-Kuchen abgebaut werden konnte. Deutlich über 140 Milliarden Euro weniger sind es, die die Banken noch belasten.
So schön diese Nachricht auch sein mag, von 936 Milliarden Euro sind immer noch 795 Milliarden Euro an faulen Krediten übrig. Die Verbesserung ist deutlich, allerdings ist das Niveau noch immer viel zu hoch.
Nun gilt es die positive Entwicklung zu unterstützen und fortzusetzen. Ein neues Regelwerk für den Umgang mit diesen ausfallgefährdeten Krediten oder Non-Performing-Loans (NPL), wie sie im Fachjargon genannt werden, soll die entsprechende Sicherheit weiter festigen und verbessern.
Was ist ein fauler Kredit?
Gerät ein Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten, wandelt sich sein Kredit in einen sogenannten faulen Kredit. Im Fachjargon wird von NPLs gesprochen, was für Non-Performing-Loans steht. Im Bankgeschäft kommt das immer wieder einmal vor und stellt kein Problem dar. Häufen sich diese Fälle aber, wird es kritisch für das Kreditinstitut. Geraten mehrere Kreditinstitute in eine solche Lage, ist die Stabilität des Finanzsystems akut gefährdet.
Aktuell findet dazu eine Konsultation bei der europäischen Bankenaufsicht statt. Im Zeitraum vom 04. bis zum 08. Dezember 2017 können Vertreter der Wirtschaft und des Finanzwesens ihre Vorschläge einbringen, wie in Zukunft mit kritischen Krediten umgegangen werden soll.
Spannender Weise sind nicht nur Wirtschaftsexperten eingeladen, Vorschläge einzureichen. Tatsächlich kann sich auch jeder Privatmann mit konstruktiven Gedanken einbringen. Dazu findet sich eine Sammlung mit verschiedenen Kontaktmöglichkeiten auf der entsprechenden Seite der Bankenaufsicht (1).
Neues Regelwerk wird noch Zeit brauchen
Frau Daniele Nouy, oberste EZB Bankenaufseherin, erklärte bei einem öffentlichen Hearing am 30. November 2017, dass es wohl noch einige Monate dauern werde, bis das Regelwerk finalisiert ist.
„A few additional months are probably needed“, sagte Frau Nouy beim Hearing
Wir sprachen mit einem Vertreter der EZB, der uns das Prozedere kurz erklärte: Um die Regeln fertigzustellen, werden nun Vorschläge gesammelt, um vor allem auch beteiligte Wirtschaftsvertreter zu hören und deren Sichtweise Rechnung zu tragen.
Im nächsten Schritt durchlaufen diese Ideen und Anregungen mehrere Gremien, die sich mit der Umsetzbarkeit und möglichen Konsequenzen auseinandersetzen. Am Ende steht ein fertiges Regelwerk, dass den Banken vorgestellt wird.
Bis die neuen Verordnungen dann schlussendlich wirklich greifen und für die Banken verpflichtend werden, wird dann noch ein wenig an Zeit vergehen, denn die Kreditinstitute benötigen eine Vorlaufzeit, um ihre Prozesse entsprechend anzupassen. Wie viel Zeit daher noch vergehen wird, sei aktuell nicht absehbar, wie uns der Vertreter der EZB erklärte.
Vergleich der faulen Kredite in Europa
Die einzelnen Staaten performen sehr differenziert was den Bestand der faulen Kredite angeht. Folgende Tabelle gibt die aktuellsten Zahlen für das zweite Quartal 2017 aus, in der die Unterschiede sehr drastisch klarwerden. Die Zahlen für Europa finden sich in der „Total“-Zeile. Der prozentuale Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis der faulen Kredite in Bezug auf das gesamte Kreditvolumen:
Land | Kreditsumme (in Mrd. €) | Faule Kredite/NPLs (in Mrd. €) | Prozentualer Anteil |
---|---|---|---|
Belgien | 465,66 | 13,89 | 2,98 % |
Deutschland | 2.792,27 | 60,22 | 2,16 % |
Estland | C | C | C |
Finnland | 141,86 | 2,37 | 1,67 % |
Frankreich | 4.137,94 | 140,99 | 3,41 % |
Griechenland | 232,25 | 108,09 | 46,54 % |
Irland | 243,74 | 30,70 | 12,59 % |
Italien | 1.662,56 | 199,71 | 12,01 % |
Lettland | C | C | 2,72 % |
Litauen | 17,60 | 0,59 | 3,33 % |
Luxemburg | 81,98 | 1,15 | 1,40 % |
Malta | 13,52 | 0,53 | 3,94 % |
Niederlande | 1.736,01 | 41,16 | 2,37 % |
Österreich | 391,68 | 17,75 | 4,53 % |
Portugal | 152,89 | 29,16 | 19,07 % |
Slowenien | 15,11 | 2,14 | 14,17 % |
Slowakei | – | – | – |
Spanien | 2.354,64 | 127,31 | 5,41 % |
Zypern | 52,44 | 18,68 | 35,63 % |
Total | 14.516,86 | 794,91 | 5,48 % |
Quelle: Europäische Bankenaufsicht (2)
Vermutlich lagen die Daten der Länder Estland, Lettland und Slowakei zum Stichtag für den Quartalsbericht bei der Bankenaufsicht noch nicht vor.
Besonders spannend aus deutscher Sicht sind natürlich die Werte für unser Land und für die EU. Außerdem haben wir noch Italien gesondert betrachtet, da deren Banken in der Presse mitunter am schlechtesten wegkommen, wenn es um faule Kredite geht. Das prozentuale Schlusslicht Griechenland darf natürlich auch nicht fehlen.
Wir erkennen auf den ersten Blick, dass Deutschland ausgenommen gut dasteht. Das mag durchaus an der konservativen Grundeinstellung unserer Kreditnehmer und Banker liegen:
Ein Verbraucher wird sich zwei Mal überlegen, ob er wirklich einen Kredit aufnehmen möchte. Entscheidet er sich zur Kreditaufnahme kommt der Bankberater als zweite Sicherungshürde, der sorgfältig prüft, ob die Kreditraten zumutbar sind und durchgehalten werden können. Im Zweifel wird er lieber auf das Geschäft verzichten, als sich mit einem gescheiterten Kredit auseinandersetzen zu müssen.
Diese Vorsicht auf beiden Seiten des Bankschalters findet sich natürlich nicht nur bei uns. Auch Finnland, Luxemburg und die Niederlande liegen deutlich unter 2,5 Prozent an faulen Krediten verglichen mit dem gesamten Kreditvolumen des jeweiligen Landes.
In der deutschen Medienlandschaft kommt Italien nachweislich sehr schlecht weg. Lässt sich hinsichtlich fauler Kredite auf Neu-Deutsch schon von einem Italien-Bashing sprechen? Ohne Frage sind 12 Prozent ein Wert, der alles andere als in Ordnung ist, aber faktisch gibt es auch Länder, bei denen der NPL-Anteil noch höher ausfällt und die lange nicht so oft erwähnt werden.
Das Hauptproblem für viele Journalisten dürfte weniger der prozentuale Anteil der schlechten Kredite am gesamten Kreditvolumen sein, als viel mehr die Summe in Milliarden Euro. Kein Wunder, knapp 200 Mrd. Euro sind kein Pappenstiel. Mit diesem Volumen liegt Italien auf Platz 1 des NPL-Vergleichs und verdient sich das Bashing somit bis zu einem gewissen Punkt.
Über 140 Milliarden Euro weniger
Die Zahlen sind nicht so, wie sie sein sollten. Klar ist aber auch, dass es Zeit braucht, den Bestand der Non-Performing-Loans zu reduzieren. Allein die Betrachtung des vergangenen Jahres stimmt optimistisch, denn 140 Millarden Euro konnten vom ursprünglichen Volumen des zweiten Quartals 2016 abgezogen werden.
Die Richtung stimmt, so kann es weitergehen. Bei diesem Tempo ist nach nur etwa 5,5 Jahren nichts mehr von dem Berg an ausfallgefährdeten Finanzierungen übrig.
Fazit und Warnung zur NPL-Situation
Die aktuelle Entwicklung und die Aussichten für den europäischen Markt scheinen positiv zu sein. Bei dieser Betrachtung darf nicht vergessen werden, dass es noch immer einzelne Mitglieder der EU gibt, bei denen die Lage extrem angespannt ist. Sollte dort das Problem nicht in den Griff bekommen werden, wird das unmittelbare Auswirkungen auf die anderen Volkswirtschaften haben.
Schon allein aus diesem Grund ist es angezeigt, dass gerade die Länder, die die Finanzkrise schon weitestgehend abschütteln konnten, sich um die Sorgen der anderen bemühen. Denn sollte ein Teil des EU-Finanzsystems kollabieren, wird sich dem keiner entziehen können.
Ein anderer Aspekt ist in diesem Spannungsfeld ebenfalls sehr wichtig: Es ist einerseits gut und recht, dass es künftig bessere Regelungen für den Umgang mit NPLs auf dem europäischen Markt gibt. Wird gleichzeitig aber nicht verhindert, dass hiesige Banker in NPLs im europäischen Ausland investieren dürfen, dann kann es keinen Garanten gegen eine künftige Finanzkrise geben.
Wer faule Kredite als Spekulationsinstrument nutzt, holt sich die faulen Kredite indirekt ins Haus. Auch wenn sie beispielsweise in den USA ihren Ursprung haben, hat es im Ergebnis den gleichen Effekt, als hätte die europäische Bank selbst den faulen Kredit vergeben.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank – Public consultation on the draft addendum to the ECB Guidance to banks on non-performing loans (engl.)
(2) Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank – Supervisory Banking Statistics Second quarter 2017 (engl. PDF)
Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank – Guidance to banks on non-performing loans, March 2017 (engl. PDF)