Geld bekommen für’s Geld ausleihen
Was wäre, wenn Sie einen Mietwagen nicht nur kostenlos ausleihen dürften, sondern die Mietwagengesellschaft gäbe Ihnen noch einen Tankgutschein obendrauf? Würden Sie Ja zu dem Angebot sagen? Smava hofft nun, dass die Kunden Ja zu diesem Geschäftsprinzip sagen, und verleiht Geld zu einem Negativ-Zins.
Die Geldleihe ist ein Geschäft, wie jedes andere Vermietungsgeschäft auch. Jemand verleiht etwas und lässt sich diesen Service bezahlen. Dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um einen Mietwagen oder um Geld handelt, das Prinzip ist das gleiche.
Geld-Drucken leichtgemacht?
Wer jetzt denkt, die Gelddruckmaschine sei endlich erfunden, dem muss der Wind leider wieder aus den Segeln genommen werden. Es handelt sich nämlich nicht um ein Angebot, mit dem jeder sein Schäfchen schnell und einfach ins Trockene bringen kann.
Smava ist ursprünglich eine P2P-Kreditplattform, fühlt sich heute aber mehr wie ein Kreditvergleichsportal. Die Wurzeln der Berliner waren in der Idee verankert, dass die Gemeinschaft privaten Kreditsuchern Geld leiht. Von Privat für Privat also, daher der Begriff P2P (peer-to-peer).
Heute vermitteln Sie Kredite von Kreditinstituten, deren Konditionen Smava in Tabellen-Form gegenüberstellt. Doch nur einer dieser Kreditgeber spielt bei dem erst widersinnig klingenden Angebot mit.
P2P-Plattformen dürfen selbst keine Kreditgeschäfte machen, es sei denn, sie haben eine Banklizenz. Für diese Lizenz bedarf nicht nur einiges an Bargeld, sondern auch Know-how, dem Anschluss an den elektronischen Zahlungsverkehr und natürlich der Unterwerfung unter die Kontrolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin (1).
Daher arbeiten die sogenannten FinTechs, deren Sinn im Online-Business liegt, lieber in Kooperation mit Banken zusammen, die die Zahlungsabwicklungen übernehmen und die rechtlichen Voraussetzungen für Finanzgeschäfte übernehmen. So treffen zwei Kernkompetenzen für eine Win-Win-Situation zusammen.
Wer verschenkt Geld und warum?
Die Bank, die effektiv hinter dem Angebot der Smava steckt, ist die Fidor Bank, wie beim Kreditvermittler zu lesen ist. Speziell dieses Haus ist für ungewöhnliche Aktionen bekannt und begeht nun mit dem Berliner FinTech Neuland im Kreditgeschäft.
Wozu haben sie den Negativzins eingeführt?
Selbstverständlich haben sowohl das FinTech aus Berlin als auch die Bank sehr gute Gründe, ein so provokantes Kreditangebot zu formulieren. Im Folgenden durchleuchten wir die Offerte und kommen den wahren Hintergedanken auf die Spur.
- Der Negativzins ist exakt der gleiche, den die Bank auch für das Zwischenparken des Geldes bei der EZB zahlen müsste. Von daher handelt es sich um ein Null-Summen-Spiel.
- Natürlich entstehen zusätzliche betriebswirtschaftliche Kosten, auch für diese Kreditvergabe wie für jedes andere Kreditgeschäft auch.
- Handelt es sich am Ende um ein Schein-Angebot?
Wie sieht das Angebot im Detail aus?
Die Smava und die Fidor Bank haben – wie jedes andere Unternehmen auch – nichts zu verschenken, schon gar kein Geld. Da sie aber Negativzinsen für Kreditgeschäfte einräumen, und damit faktisch Geld abfließt, muss es sich um ein Investment handeln.
Genau das ist auch der Fall. Schon allein die Kreditkonditionen, für die das Angebot gilt, sind extrem eng gesteckt.
- 1.000 Euro
- Festgeschrieben auf 36 Monate
- Beste Bonität vorausgesetzt
- Nur für Neukunden
Laut Handelsblatt besteht Smava-Chef Alexander Artopé darauf, dass es sich um kein Schaufenster-Angebot handelt, der Kredit sei so wie er ausgepreist ist auch zu bekommen (2). Das dürfte auch kaum zu bezweifeln sein.
Wo ist der Haken an der Sache?
Wer sich die Konditionen genau anschaut, merkt schnell, dass etwas nicht ganz stimmig ist. Wer würde denn am meisten von diesen Konditionen profitieren? Das sind Menschen, die einen recht kleinen Kreditbetrag über drei Jahre hinweg finanzieren möchten.
Das bedeutet, dass die originäre Zielgruppe:
- einen Kredit über „nur“ 1.000 Euro aufnehmen würde
- offensichtlich keine oder nur geringe Barreserven zur Verfügung hat
- im logischen Schluss über eine suboptimale Bonität verfügt
Ergo: Dieser Personenkreis kann von dem Kreditangebot nicht profitieren, denn es bleibt Personen mit tadelloser Bonität vorbehalten. Wer allerdings über tadellose Bonität verfügt, muss sich keine 1.000 Euro leihen und einen Kredit über drei Jahre hinweg im Auge behalten müssen.
Gleichzeitig gestatt Smava aber Sondertilgungen. Wie es in den Produktdetails heißt sind „Sondertilgung jederzeit kostenfrei möglich“. Wir haben uns telefonisch bestätigen lassen, dass Kunden den Krtedit tatsächlich quasi am nächsten Tag vollständig zurückbezahlen können.
Selbst wenn es Antragssteller dieser angepeilten Sorte gäbe, würde sich folgende Rechnung ergeben: Die Anbieter zahlen 1.000 Euro aus und bekommen 994 Euro zurück. Ein Verlust von 6 Euro je Vertrag (natürlich vor den internen Betriebskosten). Dennoch, der Kostenaspekt bleibt überschaubar.
Betriebswirtschaftliche Hintergedanken:
Ein feines Plus bei der Sache: Jeder der diesen Kredit bekommt, ist per Definition ein solventer Kunde. Diese Kunden sind sehr begehrt, gerade auch für sogenannte Cross- und Up-Selling Strategien. Auf Deutsch: es sind Neukunden, denen viele andere Dienstleistungen verkauft werden können.
Eine Alternative um für zukünftige Promotions an diese Kunden zu kommen, wären herkömmliche Kreditgeschäfte und ein Scan der Kundschaft hinsichtlich der Bonität. Diese Selektion kann man sich zu gewissen Teilen vereinfachen, wenn durch Angebote wie dem vorliegenden Kunden bereits als sehr solvent gekennzeichnet sind. Das spart künftig Arbeit und damit Geld.
Fazit: Cleverer Schachzug der Berliner
Nehmen wir alle Fakten zusammen bleibt unter dem Strich ein „Hut ab – cleverer Schachzug“ für Smava und die Fidor Bank. Ihr Angebot ist so gestaltet, dass es voraussichtlich zu nicht sehr vielen positiv beschiedenen Kreditanträgen kommen wird.
Die Kunden, die das Angebot annehmen, werden die Kosten durch den Negativzins durch zukünftiges Geschäft mehr als wett machen.
Was gleichzeitig erreicht wurde, ist ein durchdringendes Medien-Echo, wozu auch dieser Artikel zählt. Aus Marketing-Sicht einfach genial: Wie viele Kreditverträge müssten über Smava abgeschlossen werden (Extrakosten von 6,- € pro Stück) um diese Medien-Resonanz zu kaufen, falls das überhaupt zu machen wäre?
Wie gesagt, FinTechs sind vor allem eins: Online-Marketing Spezialisten.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin – Zulassung von Banken und Finanzdienstleistern sowie von Zahlungs- und E-Geldinstituten
(2) Handelsblatt – Geld fürs Schuldenmachen