Gesetzentwurf für leichtere Vergabe von Immobilienkrediten
Seit dem 21. März 2016 gilt die deutsche Version der EU-Richtlinie zur Vergabe von Immobilienkrediten. Das Regelwerk sollte diverse Risiken aus diesem Geschäft nehmen, um einer neuen Finanzkrise vorzubeugen.
Das Regelwerk, bzw. dessen Umsetzung in deutsches Recht, blieb nicht ohne Kritik. Unterschiedliche Interessensvertreter reklamierten Optimierungspotential. Am heutigen 21. Dezember 2016, nur neun Monate später, wurden Nachbesserungen formuliert.
Schäubles Team schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe
Mit dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf schlägt das Bundesministerium gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens können Korrekturen an der Wohnimmobilienkreditrichtlinie vorgenommen werden und gleichzeitig wird die Einführung neuer Kontrollmechanismen für den Immobilienkreditmarkt vorgelegt.
Die Kritik an der Umsetzung der sogenannten Wohnimmobilienkreditrichtlinie kam aus diversen Richtungen. Hier eine kurze Zusammenfassung:
- Da gab es Banken und vornehmlich einige Sparkassen, die ihr Geschäft in diesem Bereich zusammenbrechen sahen.
- Angehörige der Bauindustrie beklagten Auftragsrückgänge und die Vernachlässigung klima-politischer Ziele
- Andere monierten den Wegfall eines wichtigen Aspekts der Altersvorsorge.
- Anwälte forderten die Wiedereinsetzung des ewigen Widerrufsrechts.
- Etc.
Die Liste ist lang und die Unzufriedenheit ist groß. Grund genug zeitnah nachzubessern und die Regelungen zu konkretisieren. Dazu hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf beschlossen und diesem Werk einen wohlklingenden Namen gegeben:
„Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie“, kurz: Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz“ (1)
Verschlimmbesserung erfolgreich korrigiert
Die Kritiker konnten ihre Argumente erfolgreich vortragen. Die wichtigsten Punkte wurden mit einer Neufassung der bestehenden Gesetze umgesetzt. Tatsächlich waren dazu nur wenige textliche Änderungen nötig, die allerdings für die Praxis Enormes bedeuten.
Mit der wichtigste Punkt war, dass in der bisherigen Fassung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie stand:
Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass in den Fällen des § 491 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Wert des Grundstücks oder in den Fällen des § 491 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 (Die Bezüge auf §491 dienen der Definition für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge) der Wert des Grundstücks, Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt. (§ 505b (2), BGB und § 18a (4), KWG)
Diese Formulierung schließt alle Immobilienkredite ein, inklusive Umbaumaßnahmen oder Neubauten. Hier liegt auch das Problem für die Menschen begraben, die beispielsweise ein abbezahltes Haus haben, es aber nicht zur Besicherung für einen Umbaukredit heranziehen konnten.
Genau das soll geändert werden. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht daher eine Korrektur vor. § 505b Absatz 2 Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf sich nicht hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Wohnimmobilie den Darlehensbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass der Wert der Wohnimmobilie zunimmt, es sei denn, der Darlehensvertrag dient zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie.“
Das ist im Übrigen 1:1 der Wortlaut der EU-Richtlinie Artikel 18, Absatz 3 (2). Damit würde die Verschlimmbesserung der Bundesregierung rückgängig gemacht.
Umkehrhypotheken werden ausdrücklich ausgenommen
Ein weiter wichtiger Punkt ist die Ausklammerung von sogenannten Immobilienverzehrkreditverträgen. Hinter diesem Begriff verstecken sich Umkehrhypotheken, mit denen Besitzer von Eigenheimen ihr „Betongold“ wieder flüssigmachen können.
Das Prinzip ist ganz einfach, aber noch nicht wirklich in Deutschland angekommen. In Großbritannien und den USA sollen solche Geschäfte übrigens Routine sein. Ein Beispiel soll veranschaulichen, worum es geht:
Ein älteres Paar besitzt eine abbezahlte Immobilie, aber leider sind die Rentenbezüge eher knapp bemessen. Sie sind durch den Gegenwert ihres Hauses zwar theoretisch vermögend, doch im Geldbeutel herrscht eher Ebbe. Daher spricht der Volksmund auch von Betongold.
Eine Umkehrhypothek kann Abhilfe schaffen. Dazu bieten die Rentner das Haus als Sicherheit an und nehmen einen Kredit auf. Die Bank bezahlt die Kreditsumme entweder in einem Betrag aus oder auch als lebenslange monatliche Zahlungen. Die Rentner behalten dabei ein erstrangiges und lebenslanges Wohnrecht.
Nach der alten Fassung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie könnten solche Geschäfte nicht mehr gemacht werden, da sie ausschließlich auf den Gegenwert der Immobilie abstellen. Daher wird im neuen Gesetzentwurf der §491, Absatz 2 des BGB dahingehend abgeändert, dass diese Geschäfte ausdrücklich ausgenommen werden.
Wurden alle Kritikpunkte beseitigt?
Das werden mit Sicherheit die Anwälte verneinen. Aus Ihrer Sicht sollten auch alte Immobilienkreditverträge wegen einer ungenügenden Widerrufsklausel angreifbar bleiben. Schließlich hätten die Banken jederzeit die Möglichkeit gehabt, Vorlagen des Gesetzgebers zu verwenden oder im späteren Verlauf die Kunden auf notwendige Änderungen aufmerksam machen können.
Die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie hatte zwar überhaupt nichts mit dem Widerrufsrecht zu tun, aber irgendwann auf dem Weg von Brüssel nach Berlin haben sich ein paar nützliche Abschnitte in die Gesetzesvorlage eingeschlichen, die diese Angreifbarkeit direkt beendeten.
Da hatte die Bank-Lobby vor einem Jahr ganze Arbeit geleistet. Und auch heute: Der Protest des Deutschen Anwaltvereins (DAV) blieb gänzlich ungehört und die Banker müssen definitiv nicht mehr fürchten, X-Milliarden Euro an Immobilienkrediten rückabwickeln zu müssen.
Rechtsunsicherheit noch nicht aus der Welt
Die Kuh ist leider noch nicht zur Gänze vom Eis. Es ist nach wie vor unklar, wie genau die Kreditwürdigkeitsprüfung auszusehen hat. Die Tatsache, dass ein Vertrag direkt kündbar ist, wenn ein Verbraucher nachweisen kann, dass die Bank seine Kreditwürdigkeit nicht ordnungsgemäß geprüft hat, ist der lange Dorn im Fleisch vieler Kreditgeber.
Auch mit der nun vorliegenden Gesetzesnovelle wurde den Bankern die Unsicherheit nicht genommen. Daher werden wohl auch weiterhin vor allem einige Sparkassen bemängeln, dass sich für sie nichts geändert hat.
Oder besser: Noch nicht. Denn es gibt einen neuen Gesetzestext. Der Paragraph 505 des BGB wird um den neuen Abschnitt „505e“ erweitert. Dort heißt es in Zukunft:
BGB, § 505e Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden ermächtigt, durch gemeinsame Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen nach den §§ 505a und 505b Absatz 2 bis 4 festzulegen. Durch die Rechtsverordnung können insbesondere Leitlinien festgelegt werden:
- zu den Faktoren, die für die Einschätzung relevant sind, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann,
- zu den anzuwendenden Verfahren und der Erhebung und Prüfung von Informationen.
Neue Kontrollinstrumente für die BaFin
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist die deutsche Autorität für den Kreditmarkt. Um künftige Finanzkrisen bereits im Keim ersticken zu können, soll die Behörde mit neuen Befugnissen ausgestattet werden.
Die neuen Instrumente werden nicht direkt umgesetzt, sondern sie sollen für den Fall der Fälle zur Verfügung stehen, ohne dass langwierige Genehmigungsverfahren erforderlich sind. So erhalten außerdem das Bundesfinanzministerium (BFM) sowie das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) die Möglichkeit ohne Zustimmung des Parlaments weitergehende Beschlüsse zu erlassen.
Das BFM betont ausdrücklich, dass es sich um Möglichkeiten handelt, die ausschließlich zur gegebenen Zeit unter bestimmten Voraussetzungen und zur Stabilisierung des Finanzmarktes – und damit zum Schutz unserer Volkswirtschaft – eingesetzt werden.
Folgende Instrumente könnten dann gemäß § 48u KWG eingesetzt werden:
- Obergrenze für das Verhältnis zwischen Darlehenshöhe und Immobilienwert (Kreditvolumen-Immobilienwert-Relation bzw. „Loan-To-Value”: LTV);
- Vorgabe eines Zeitraums, in dem ein bestimmter Anteil des Darlehens getilgt werden muss, beziehungsweise im Fall von endfälligen Darlehen einer maximalen Laufzeit (Amortisationsanforderung);
- Anforderungen an die Schuldendienstfähigkeit in Form einer Obergrenze für den Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen („Debt-Service-To-Income“: DSTI) beziehungsweise in Form einer Untergrenze für den Schuldendienstdeckungsgrad („Debt-Service-Coverage-Ratio“: DSCR) sowie eine
- Obergrenze für das Verhältnis zwischen Gesamtverschuldung und Einkommen (Gesamtverschuldung-Einkommens-Relation, „Debt-To-Income“: DTI).
Wann können diese Instrumente zum Einsatz kommen?
Es geht um die Stabilität des Finanzmarktes. Wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, sind es vor allem die Immobilienkredite, von denen eine mögliche Störung ausgehen kann. Daher fokussieren sich die Instrumente auch ausschließlich auf diese Produkte.
Daher überwacht die BaFin besonders folgende Aspekte des Marktes:
- die Preisentwicklung auf den Immobilienmärkten
- die Entwicklung der Neuvergabe von Darlehen und
- die Kreditvergabestandards
Zur Überwachung nutzt die BaFin vorrangig, aber nicht nur, Immobilienpreise und andere makroökonomische Daten, sondern auch Erkenntnisse aus der Institutsaufsicht. Stellt sie beunruhigende Entwicklungen fest, können bei Bedarf oben genannte Instrumente eingesetzt werden.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesfinanzministerium – Anpassungen der Regelungen für die Wohnimmobilienkreditvergabe (PDF)
(2) Bundesgerichtshof – Die EU Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge