Niedrigzinspolitik der EZB: Folgen für die Verbraucher bei der Kreditsuche
Mario Draghis Abschiedsgeschenk kam nicht überraschend. Bereits im Vorfeld seiner letzten EZB-Sitzung wurde angedeutet, dass die Europäische Zentralbank ab November 2019 die Aufkäufe von Anleihen wieder aufnehmen wird. Darüber hinaus wurde der Strafzins für Banken, die Gelder bei der EZB parken, von –0,4 Prozent auf –0,5 Prozent erhöht. Seine Nachfolgerin Christine Lagarde signalisierte bereits, dass sie an dem eingeschlagenen Weg festhalten wird. Der Zins für Unternehmenskredite beispielsweise hat sich indes dennoch enorm erhöht. Was bedeutet diese Entwicklung also für die Suche nach günstigen Krediten?
- EZB hält an expansiver Geldpolitik auch unter Lagarde fest.
- Private Kreditnehmer profitieren auch weiterhin von Niedrigzinsen – hier dennoch aufzupassen, lohnt sich für den Geldbeutel.
- Restschuldversicherungen verteuern einen Privatkredit laut eigener Studie um bis zu 26,14 Prozent.
- Unerklärlicher Anstieg bei den Zinsen für deutsche Unternehmenskredite.
Was bedeutet die aktuelle Zinspolitik der EZB für Verbraucher?
Günstige Ratenkredite dank EZB
Die beiden Antworten auf die eine Frage liegen klar auf der Hand. Für Sparer bleiben die Zeiten weiterhin düster, für Darlehensnehmer hingegen grundsätzlich rosig. Die folgende Grafik zur Zinsentwicklung von Ratenkredite macht dies deutlich:
Draghis Ziel, die Banken dazu zu motivieren, noch mehr Kredite auszureichen, um die Wirtschaft anzukurbeln, kann zumindest nicht an der Bonität der deutschen Verbraucher scheitern. Der Schufa-Kreditkompass 2019 belegt, dass sich die Zahlungsmoral der Deutschen noch weiter verbessert hat und die ordnungsgemäße Rückzahlung aller Ratenkredite bei 97,7 Prozent lag (1).
Noch mehr Druck auf den Immobilienmarkt
Für Baufinanzierungen gilt aktuell: Wer bei einer Zinsbindung von zehn Jahren für einen Neuabschluss oder eine Prolongation deutlich mehr als ein Prozent Zinsen bezahlt, ist selbst daran schuld. Im Mittel, über alle Laufzeiten, also auch 15 oder 20 Jahre, gibt sich folgendes Bild:
Potenzielle Erwerber müssen damit rechnen, dass der Druck auf den Immobilienmarkt noch weiter zunimmt. Die Zahl der Neubauten hinkt nach wie vor bundesweit dem tatsächlichen Bedarf hinterher. Die momentan einzig sinnvolle Lösung scheint, in die ländlichen Regionen auszuweichen, wo die Nachfrage noch nicht so stark angekommen ist. Hier finden sich noch eher günstige Neubauten. Allerdings sollten die infrastrukturellen Herausforderungen in diesen Lagen nicht vergessen werden.
Altersvorsorge massiv betroffen
Auch wenn es der Chefökonom des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV), Klaus Wiener, nicht beim Namen genannt hat: Die aktuelle EZB-Politik hat auch Auswirkungen auf die Altersversorgung (2). Die Regularien aus Brüssel für die Anlage der Versichertengelder machen die Auswahl für die Gesellschaften nicht leichter.
Trotz niedriger Zinsen – Kreditangebote können optimiert werden
Verbraucher sollten jetzt nicht voller Freude über die niedrigen Zinsen das erstbeste Angebot ihrer Hausbank wählen. Zum einen bietet sich ein Kreditvergleichsrechner an, um zunächst einmal Angebote zu vergleichen. Zum anderen bestehen noch andere Optionen, einen Zinsbonus zu erhalten:
Zweckgebundene Darlehen
Zweckgebundene Kredite sind oftmals günstiger als Darlehen zur freien Verwendung. Wer ein Auto finanzieren möchte, sollte auf jeden Fall bei der Auswahl auf „Autokredit“ oder das passende Synonym klicken. Damit lassen sich mitunter zusätzlich einige Euro im Monat sparen.
Gleiches gilt bei Wohnungsrenovierungen oder Sanierungen für Immobilieneigentümer. Sogenannte Modernisierungskredite bewegen sich im Zinsniveau zwischen den Zinsen für Baufinanzierungen und Ratenkrediten. Eine Grundschuldbestellung entfällt, dennoch profitieren Eigentümer von besseren Konditionen.
Berufsspezifische Darlehen
Sogenannte Beamtenkredite, Darlehen für Beamte und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, bieten ebenfalls Zinsvorteile. Hintergrund ist die berufliche Stellung, die einen Verlust des Arbeitsplatzes weniger wahrscheinlich macht, als in der freien Wirtschaft. Dieser Umstand führt zu einer Verbesserung der Bonität und wird als Zinsbonus an den Kreditnehmer weitergegeben.
Finger weg von Restschuldversicherungen
Restschuldversicherungen bieten den Banken ein erkleckliches Zubrot beim Kreditverkauf. Sie sollen die Ratenzahlungen im Fall von Arbeitslosigkeit oder einem Unfall und die Ablösung der Restschuld bei Tod des Kreditnehmers sicherstellen. Kreditvergleich.net hat allerdings in einer Studie herausgefunden, dass die Mehrkosten eines Kredits durch eine Restschuldversicherung bis zu 26,14 Prozent betragen können.
Wie sieht es im gewerblichen Bereich aus?
Die Intention der EZB zielt ja nicht nur auf die Kreditvergabe an private Haushalte ab, sondern auch an die Darlehensvergabe an Unternehmen. Investitionskredite ziehen einen ganzen Schweif von weiteren Investitionen nach sich. Wer investiert, vergibt einen Auftrag an einen Zweiten, der wiederum einen Dritten als Zulieferer benötigt.
Im September 2019 trat jedoch bei Krediten für deutsche Unternehmen ein merkwürdiger Umstand auf, der kaum zu erklären ist. Für Unternehmenskredite mit fünfjähriger Laufzeit schnellten die Kosten im Mittel von 1,02 Prozent am 6. September innerhalb einer Woche auf 1,18 Prozent am 13. September nach oben (3).
Über eine Antwort auf die Frage nach der Ursache lässt sich noch nicht einmal spekulieren. Auf der einen Seite könnte eine erhöhte Nachfrage den Preis für Darlehen verteuert haben. Auf der anderen Seite stehen jedoch die internationalen Handelskonflikte, die sich eher investitionshemmend in der letzten Zeit ausgewirkt haben (4).
Quellen und weiterführende Links
(1) Allgemeine Zeitung – Wie Verbraucher günstige Kredite finden
(2) Berliner Morgenpost – Was der Kurs der EZB für Kredite und gespartes Geld bedeutet
(3) Barkow Consulting – Barkow Consulting Corporate Credit Index bei 1,18%
(4) Bankenverband – Handelskonflikte bremsen die deutsche Wirtschaft