Immobilienpreise & Niedrigzinsen verändern Baufinanzierungen
In seiner jüngsten Studie hat sich der Baufinanzierungsvermittler Interhyp mit der Entwicklung der Immobilienpreise und der daraus resultierenden Finanzierungsstruktur befasst. Das Ergebnis verwundert wenig, bestätigt aber die Erwartungen. Der Beobachtungszeitraum umfasst die Dekade von Juli 2010 bis Juli 2020. Die Datenbasis bilden über 600.000 vermittelte Baudarlehen aus dieser Zeit.
- Immobilienpreise haben im Durchschnitt in den letzten zehn Jahren um fast 60 Prozent angezogen. (1)
- Anteil der Kapitalanleger bei den Erwerbern hat sich mangels Alternativen verdoppelt. (1)
- Finanzierungskosten betragen in 2020 nur noch ein Viertel derer aus dem Jahr 2011. (1)
- Niedrige Zinsen ermöglichen hohe Tilgungsleistungen, die wiederum die Kreditlaufzeiten im Mittel deutlich verkürzen.
Noch bleibt coronabedingte Marktbereinigung aus
Experten hatten vorausgesagt, dass der Immobilienmarkt aufgrund der Coronakrise im günstigsten Fall nur nachgibt. Ein Blick in die Zahlen der Interhyp-Studie zeigt jedoch, dass dieser Umstand bislang ausblieb. Spätestens zum Ende des Jahres 2020 hätte sich ein Knick in der Preiskurve zeigen müssen. Diese tendiert aber weiterhin nach oben. Lag der durchschnittliche Kaufpreis für eine Immobilie im Jahr 2010 bei 277.000 Euro, notierte er im Herbst 2020 bei 434.000 Euro, ein Plus von 56,68 Prozent. (1)
Tatsache ist, dass einige potenzielle Erwerber ihre Kaufwünsche erst einmal hinten anstellen mussten. Gerade jüngere Käufer mit geringerer Eigenkapitalquote seien durch ein latentes Risiko des Arbeitsplatzverlustes oder bereits verordneter Kurzarbeit nicht mehr in der Situation, Eigentum zu erwerben (2).
Für die Erwerber von Eigentumswohnungen stellt der Quadratmeterpreis eine greifbarere Vergleichsmöglichkeit dar. Dieser stieg im Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 1.950 Euro auf 3.330 Euro. Für einige Käufer sind selbst 3.330 Euro noch ein Schnäppchen. Die horrenden Preise in den Metropolen werden durch die Niedrigpreise in den ländlichen und entvölkerten Regionen verwässert. Das neueste Bauvorhaben in der Innenstadt von Frankfurt am Main ruft Quadratmeterpreise im fünfstelligen Bereich auf (3).
Keine Anlagealternativen zu Immobilien
Trotz Corona suchen Anleger nach wie vor nach rentablen Investitionsmöglichkeiten. Der klassische Kapitalmarkt bietet konservativen Anlegern schon seit Jahren keine Perspektive mehr. Dies ist nach Expertenmeinung einer der Hauptgründe, weshalb die vielbeschworene Immobilienblase in Städten wie München, Stuttgart oder Frankfurt immer noch nicht geplatzt ist. Im Gegenteil, mit Hannover oder Tübingen machen sich jetzt auch die B-Lagen auf, am Boom teilzuhaben.
So verdoppelte sich der Anteil der Kapitalanleger unter den Immobilienerwerben von zwölf Prozent im Jahr 2010 auf 25 Prozent bis zum 31. Juli 2020. Die Zahl der Eigennutzer sank dagegen von 83 auf 70 Prozent. (1)
Immobilienpreise steigen stärker als Einkommen – höhere Darlehen sind die Folge
Die Entwicklung der Immobilienpreise zog der Einkommensentwicklung davon. Desaströse Kapitalmarktzinsen machen es potenziellen Erwerbern schwer, durch Ansparen Eigenkapital aufzubauen. Im Gegenteil, klassische Spareinlagen vernichten Eigenkapital durch Zinsen, die unter der Inflationsrate rentieren. Die Folge liegt auf der Hand. Viele Erwerber entfernen sich immer mehr von der traditionellen Eigenmittelformel „20 Prozent Eigenkapital zuzüglich der Erwerbsnebenkosten“. Im Durchschnitt stieg der Beleihungsauslauf jedoch nur marginal. Gegenüber 2010 mit 75 Prozent läuft er im Jahr 2020 im Mittel mit 79 Prozent aus. (1)
Finanzierungskosten steigen weniger als Erwerbskosten
Schaut man sich den Zuwachs bei den Erwerbskosten an, sollte man davon ausgehen, dass Immobilienerwerb für immer mehr Menschen unerschwinglich geworden ist. Die Realität zeichnet ein Bild, das wider Erwarten dem Gegenteil entspricht.
Die Darlehensvolumina stiegen im Schnitt von 188.000 Euro auf 313.000 Euro. Das durchschnittliche Eigenkapital wuchs, trotz schwacher Verzinsung des angesparten Geldes, von 83.000 Euro auf 111.000 Euro. Hier könnte die Tatsache eine Rolle spielen, dass viele Erwerber zur „Erbengeneration“ zählen.
Im gleichen Zeitraum fielen die Zinsen für ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung jedoch von durchschnittlich mehr als vier Prozent zu Beginn des Jahres 2011 auf unter ein Prozent Mitte 2020. Der Effekt aller dieser Faktoren in der Summe ist, dass die Monatsrate bei der Erstfinanzierung gerade einmal um 100 Euro im Mittel anstieg. Hält man sich die Wachstumszahlen bei den Kaufpreisen und den Darlehensgrößen vor Augen, ist dies kaum zu glauben. (1)
Niedrige Zinsen & hohe Tilgungsanteile verkürzen Darlehenslaufzeit
Nicht nur die Erstfinanzierer profitieren von den niedrigen Zinsen. Wer vor zehn Jahren eine Immobilie zu einem niedrigeren Preis erwarb, aber zu höheren Zinsen finanzierte, kann sich heute über theoretisch wesentlich niedrigere Raten freuen. Theoretisch deswegen, weil die tatsächliche Ratenhöhe bei Anschlussfinanzierungen leicht über der von vor zehn Jahren liegt. Grund ist hier, dass sich Darlehensnehmer für deutlich höhere Tilgungsleistungen entscheiden und damit das Darlehen schneller abbezahlen.
Niedrige Zinsen ermöglichen schon beim Start der Finanzierung die Abkehr von der klassischen 1-Prozent Tilgung hin zu Sätzen jenseits der Drei-Prozent-Marke. Bereits Erstfinanzierer wählen häufig eine höhere Tilgung und haben den Vorteil, dass die Restschuld bei der Anschlussfinanzierung ebenfalls deutlich unter den Sätzen vom Jahr 2010 liegt. Im Mittel sank der Beleihungsauslauf bei der Prolongation von 55 Prozent um elf Zähler auf 44 Prozent.
Bei Anschlussfinanzierungen stieg die anfängliche Tilgung von 3,6 Prozent im Jahr 2010 auf stolze sechs Prozent im Jahr 2020. Diese Größenordnung verkürzt die Darlehenslaufzeit um neun Jahre. (1)
Fazit der Interhyp-Studie
Gestiegene Immobilienpreise konnten der Nachfrage keinen Abbruch tun. Das niedrige Zinsumfeld macht es weiterhin möglich, dass Immobilien finanzierbar bleiben. Die Kosten für die Finanzierungen, auch für Prolongationen, haben sich gegenüber den Erwerbskosten als auseinandergehende Schere entwickelt. Allerdings steht die Eigenmittelausstattung nach wie vor im Fokus, gerade, wenn die Erwerber für die finanzierenden Institute coronabedingt als „Risikogruppe“ in Bezug auf die Finanzierung (Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit) gelten.
Quellen und weiterführende Links
(1) Interhyp – Baufinanzierung in Deutschland 2010 bis 2020
(2) Business Insider – Auswirkungen der Corona-Krise auf den Immobilienmarkt: „Vor allem für die junge Generation verändern sich die Perspektiven“
(3) Frankfurter Rundschau – Teuer leben in Frankfurt: Neue Hochhäuser in der Innenstadt mit Concierge und Dachgarten