Keine Baufinanzierungen mehr ab 60 – Der IVD schießt gegen die Wohnimmobilienkreditrichtlinie
Gegen die massiv umstrittene Wohnimmobilienkreditrichtlinie macht jetzt auch der Immobilienverband Deutschland, IVD Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Sachverständigen und Verwalter massive Front.
In einem am 29.7.2016 veröffentlichten Positionspapier fordert der IVD, dass die Bundesregierung die Wohnimmobilienkreditrichtlinie überarbeite und anpassen solle.
Die Gründe für die Ablehnung der Richtlinie, auch bei Banken und Verbraucherschützern, sind hinreichend bekannt. Die Bonitätsprüfung stellt nicht mehr auf den Status quo des Antragstellers unter Einbeziehung des zu finanzierenden Objektes ab.
Relevant für die Zusage oder Ablehnung des Darlehens sind nur noch die künftigen persönlichen Lebensumstände des Kreditnehmers. Geprüft wird, ob der Antragsteller das Darlehen innerhalb seiner statistischen Lebenserwartung ordnungsgemäß zurückführen kann.
In diesem Zusammenhang wurde auch im KWG ein Paragraf umformuliert, § 18a, Abs. 1. (1)
Das BGB wurde ebenfalls bemüht, die neue Richtlinie zu untermauern. Neu hinzu kamen die Paragrafen 505a bis 509a. (2) Die Prüfungsgrundlage für die Vergabe eines Hypothekendarlehens war bis dahin im § 509 BGB geregelt, welcher gestrichen wurde.
Die Neuerungen bedingen, dass die Bonitätsprüfung nicht mehr unter dem Blick auf aufsichtsrechtliche Verpflichtungen erfolgt, sondern als zivilrechtliche Schutzverpflichtung in Bezug auf den Verbraucher.
Es muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass Deutschland bis zur Einführung der Richtlinie schon die strengsten Bonitätsprüfungen hatte. Ein Beispiel dafür bieten die Sparda-Banken. Die Sparda-Banken hätten, laut Aussage ihres Verbandschefs Joachim Würmeling, bei einem Volumen von 35 Milliarden Euro an Baufinanzierungen eine Ausfallquote von 0,2 Prozent (Interview Wirtschaftswoche, 10.6.2016).
Senioren in besonderem Ausmaß betroffen
Der IVD führt in seinem Positionspapier weiter aus, dass Senioren von der neuen Richtlinie besonders betroffen seien. Wer mit 60 Jahren eine Finanzierung aufnehmen möchte, um sein Eigenheim barrierefrei zu gestalten, muss entweder eine überdimensionierte Tilgung in Kauf nehmen oder auf den Umbau verzichten.
Die statistische Lebenserwartung fällt zu kurz aus. Dass im Todesfall eine Immobilie zur Verwertung vorhanden ist, fällt nicht mehr in das Gewicht. Der IVD geht noch einen Schritt weiter. Er sieht im Paragraf 505a BGB einen Verstoß gegen das Grundgesetz.
Ältere Menschen werden gegenüber jüngeren Darlehensnehmern diskriminiert, da ihnen die Kreditaufnahme verweiger würde. Der IVD fordert die Bundesregierung daher auf, den Passus in dieser Form zu ändern, dass die Diskriminierung entfällt. Die Richtlinie selbst wurde aufgrund einer Vorgabe der EU-Komission umgesetzt.
Deutschland war bei der Umsetzung einmal mehr der Musterschüler unter den besonders Gründlichen. Es hätte völlig gereicht, den Passus in der Vorlage der EU-Komission zu übernehmen:
„[…]der Kreditgeber dem Verbraucher den Kredit nur bereitstellt, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag in der gemäß diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise erfüllt werden.“ (EU Wohnimmobilienkreditrichtlinie, Kapitel 6, Absatz 5).
Die Ausgangsrichtlinie verlangt nicht, dass der Kreditnehmer selbst das Darlehen zurückführt. Sie verlangt nur, dass die Rückzahlung sichergestellt ist.
Der Wunsch der Bundesregierung nach Perfektion auf Nebenkriegsschauplätzen hat bereits erste zweifelhafte Erfolge zu verbuchen. In Zeiten historisch niedriger Zinsen ist die Kreditvergabe seit Inkrafttreten der Richtlinie im März 2016 bereits um 20 Prozent zurückgegangen.
Der Traum vieler junger Familien von den eigenen vier Wänden scheiterte möglicherweise daran, dass der Banker das Scheidungsrisiko mit den finanziellen Folgen in Betracht zog. Die Hauptrisikofaktoren, weshalb eine Baufinanzierung nicht mehr ausgereicht wird, finden Sie in einem anderen Beitrag (3).
Wie steht es mit Vermietung?
Bei der Wohnimmobilienkreditrichtlinie handelt es sich um eine Verbraucherschutzrichtlinie. Vermieter gelten per se aber zunächst nicht als Verbraucher, sondern als gewerbliche Investoren. Die Definition, wann ein Verbraucher ein Verbraucher ist, findet sich in Paragraf 13 BGB (4).
Vor diesem Hintergrund findet die Richtlinie bei der Finanzierung vermieteten Wohnraums keine Anwendung. Aber auch hier gibt es wieder eine Einschränkung, welche sich im § 505a BGB wiederfindet.
Als „Kleinvermieter“, und damit als Verbraucher, gilt, wer nicht mehr als drei Wohnungen vermietet. Weniger aufwendig, als das BGB zu ändern, wäre es gewesen, einfach den Wortlaut der EU-Richtlinie aus Kapitel 6, Artikel 3, Absatz 3 zu übernehmen:
„(3) Die Mitgliedstaaten können beschließen, die folgenden Bestimmungen nicht anzuwenden:
- b) bei Kreditverträgen für den Erwerb einer Immobilien, in denen festgehalten ist, dass die Immobilie zu keinem Zeitpunkt als Haus, Wohnung oder sonstige Wohnstätte durch den Verbraucher oder ein Familienmitglied des Verbrauchers genutzt werden kann und dass sie auf der Grundlage eines Mietvertrags als Haus, Wohnung oder sonstige Wohnstätte genutzt werden soll, die vorliegende Richtlinie“.
Die Selbstnutzung zum Unterschied
Wie bereits ausgeführt, trifft die Richtlinie potenzielle Käufer mit voller Härte. Sie macht es Menschen ab 60 Jahren quasi unmöglich, eine Hypothek aufzunehmen – und das, obwohl die Vorgabe aus Brüssel keinerlei Restriktionen in dieser Richtung vorsieht.
Im Gegenteil, Brüssel ließ noch viel mehr Spielraum. Der Bund blockiert mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie seine eigenen Vorhaben in Bezug auf die Energiewende. Photovoltaikanlagen sind keine Schnäppchen und müssen in der Regel finanziert werden.
Eigenheimbewohner über 60 können sich leider nicht mehr aktiv an der Energiewende beteiligen – sie sind zu alt. Dabei ließe Absatz 18 der Erwägungsgründe zur Richtlinie 2014/17/EU (5) durchaus Spielraum, diese Absurdität auszubügeln. In diesem Abschnitt heißt es:
„Unbesicherte Kreditverträge mit dem Zweck der Renovierung einer Wohnimmobilie mit einem Gesamtkreditbetrag von mehr als 75.000 EUR sollten in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG fallen, um diesen Verbrauchern ein vergleichbares Maß an Schutz zu gewähren und Regelungslücken zwischen jener und dieser Richtlinie zu vermeiden. Die Richtlinie 2008/48/EG sollte daher entsprechend geändert werden“.
Die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie stößt nicht nur beim IVD, sondern auch bei Banken, Handwerksverbänden und Verbraucherschützern auf Kritik. Sie zeigt, dass es einigen Abgeordneten wichtiger ist, Verbraucher vor sich selbst zu schützen, als Wichtiges zu bewegen.
Verbraucherschutz ist wichtig. Verbraucher zu blockieren, wo bislang bestehende Schutzmechanismen funktionierten, ist konjunkturschädlich.
Weiterführende Informationen
(1) Neuformulierung § 18a, Abs. 1 KWG
(2) 505a BGB
(3) Unser Ratgeber zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie
(4) Definition Verbraucher
(5) Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie