Keine Einigkeit der Gerichte bei Kündigungen von Bausparverträgen
Durch die juristische Landschaft in Deutschland geht bei Bausparverträgen ein Riss. Unterschiedliche Oberlandesgerichte, an dieser Stelle seien Hamm und Stuttgart genannt, fällen mit schöner Regelmäßigkeit hinsichtlich der Kündigung von Verträgen durch die Bausparkassen unterschiedliche Urteile. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes scheint unausweichlich.
Hintergrund für die Klagewelle sind die aktuellen Niedrigzinsen. Bausparer halten nach wie vor ihre Verträge, obwohl diese längst angespart sind, und freuen sich weiterhin über Guthabenzinsen in Höhe von vier oder fünf Prozent.
– Update vom 12.04.2016 –
Das OLG Stuttgart sollte erneut verhandeln
Am 6. April 2016 hätte es erneut zu einer Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in der baden-württembergischen Hauptstadt kommen sollen. Wieder lautet die Paarung „Bausparkasse gegen Sparer“. Nach dem Urteil aus Hamm war es durchaus spannend, wie die Stuttgarter diesmal entscheiden.
Doch es kam anders, wenn auch nicht wirklich gänzlich überraschend. Die Deutsche Bausparkasse Badenia AG ließ es nicht zum Äußersten kommen. Wir sprachen mit dem Rechtsanwalt der Klägerin, die sich gegen die Kündigung ihres Bausparvertrages gewehrt hatte.
Am Landgericht Ellwangen konnte die Badenia zuvor noch eine Sieg gegen die klagende Bausparerin verbuchen (Az. 5 O 222/15) doch sie zog mit ihrem Rechtsanwalt Dr. Hofmann, Kanzlei Hofmann & Schneider (Heidenheim), zur nächsten Instanz.
Kurz vor knapp wurde diese Berufung von Seiten der Klägerin zurückgezogen. Die Bausparkasse musste somit kein erneutes negatives Urteil vor dem OLG Stuttgart riskieren (siehe weiter unten).
Vertrag kommt von Vertragen – Einigung ist besser als Urteil
Wir haben uns mit dem Rechtsanwalt Dr. Hofmann unterhalten und wollten wissen, was passiert war. Er erklärte, dass über die Details zwar Stillschweigen vereinbart worden war, aber er dürfe uns sagen, dass die Badenia einen Vergleich angeboten habe, wenn die Bausparerin im Gegenzug die Berufung zurücknehmen würde.
Im Ergebnis sieht es also so aus, dass die Bausparkasse vor dem LG Ellwangen gewonnen hatte, aber die Bausparerin den Endsieg davon trug. Dem Vergleich hatte sie sicherlich nur zugestimmt, wenn er finanziell mindestens so interessant war wie es ein positives Urteil hätte sein können.
Der Badenia gefällt das Ergebnis wohl nur bedingt. Einerseits hat sie wohl einen finanziellen Rückschlag hinnehmen müssen. Andererseits handelt sich nur um eine Kundin, deren Bausparvertrag die Bausparkasse wohl nicht zu sehr belasten wird.
Gleichzeitig konnte so verhindert werden, dass ein weiteres OLG Urteil aktenkundig wird, das die Interessen der Bausparer stützt. Für die weitere strategische Entwicklung im Spannungsfeld Bausparkassen vs. Bausparer ist dieser Aspekt wohl deutlich mehr wert, als ein Bausparvertrag mit hohen Zinsen an Kosten verursachen könnte.
– Ende Update –
Altverträge belasten die Institute
Die Bausparkassen argumentieren, dass der Zweck eines Bausparvertrages darin bestünde, einen Eigenanteil anzusparen, um damit einen Darlehensanspruch zu erwerben. Der Vertragsgegenstand sei im Grunde erfüllt, wenn die Ansparquote erreicht sei.
Man muss aber an dieser Stelle auch bemerken, dass die Bausparkassen auch massiv auf die Zielgruppe der reinen Anleger abstellen und die Abschlussgebühr zurückerstatten, wenn der Sparer auf das Darlehen verzichtet. Nach wie vor ignorieren viele Anleger die Aktienmärkte und tragen ihr Geld lieber zu den Bausparkassen. Wie sehr diese zulegen, berichtete die F.A.Z. schon im Jahr 2014.
Der Paragraf 488 BGB regelt die Kündigung von Bausparverträgen. Dieser sieht vor, dass eine Kündigung grundsätzlich möglich ist, allerdings gibt es drei Ausnahmen:
- Während der Ansparphase vor Erreichen des vereinbarten Sparanteils der Bausparsumme
- In der Zuteilungsphase
- Wenn das Darlehen in Anspruch genommen wurde
In allen anderen Fällen, beispielsweise bei Übersparung eines Vertrages, habe die Bausparkasse das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung. So sahen es zumindest die Richter am OLG Hamm (Az.: 31U175/15). Sie stimmten der beklagten Bausparkasse zu, dass ein Altvertrag mit überdurchschnittlicher Verzinsung, der ganz offenkundig nicht für eine Finanzierung genutzt werden soll, das Kollektiv der Bausparer unnötig belaste.
Die Gerichte sind sich oft uneinig
Erst Ende März hatte das OLG Stuttgart jedoch zugunsten einer Bausparerin entschieden (Az. 9 U 171/15). Diese besitzt einen Bausparvertrag, welcher jedoch vor Erreichen des vertragsmäßig vereinbarten Eigenanteils der Bausparsumme beitragsfrei gestellt wurde. Der Vertrag verzinst das Guthaben mit drei Prozent im Jahr.
Da die Bausparkasse seinerzeit der Beitragsfreistellung nicht widersprochen hatte, könne sie sich heute nicht darauf berufen, dass der Vertrag heute bestimmungswidrig ohne Beiträge geführt würde. Die Richter in Stuttgart sind sich sehr wohl bewusst, dass sie sich damit gegen Urteile anderer OLGs gestellt haben. Vor diesem Hintergrund ist eine Revision zugelassen.
Wo steht der Bausparvertrag in seinem Zyklus zum Zeitpunkt der Kündigung?
Eine Bausparkasse kann einen Bausparvertrag nicht ohne Weiteres kündigen. Eine entscheidende Frage ist, wie weit der Vertrag schon entwickelt ist? In welcher Phase befindet sich der Bausparer aktuell oder wie nahe ist er dem erreichen der Bausparsumme? Folde Info.Grafik veranschaulicht die Vertragsphasen:
Bereits am 6. April 2016 kommt es erneut zu einer Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in der baden-württembergischen Hauptstadt. Wieder lautet die Paarung „Bausparkasse gegen Sparer“. Nach dem Urteil aus Hamm bleibt abzuwarten, wie die Stuttgarter diesmal entscheiden.
Bislang kam es noch zu keinem Prozess mit Anhörung und mündlicher Urteilsverkündung, die Rechtsprechung erfolgte immer auf schriftlichem Weg. Grund war, dass die Richter der verschiedenen OLGs die Position der Sparer als aussichtslos einstuften. Könnte Stuttgart erneut zugunsten eines Bausparers entscheiden, dürfte dies Auswirkungen auf künftige Urteile überall in Deutschland haben.
Fraglich bleibt auch, ob die im ersten Stuttgarter Verfahren unterlegene Bausparkasse von ihrem Recht auf Revision, und damit dem Gang zum Bundesgerichtshof, Gebrauch macht. Wünschenswert wäre es, um in die seit nunmehr einigen Jahren anhaltende Diskussion zwischen Bausparkassen auf der einen Seite und Sparen sowie Verbraucherschützer auf der anderen Seite Klarheit zu bringen.
Co-Autor: Marc Opitz