Prognosen zu Kreditausfällen aufgrund der Coronakrise verdüstern sich
Schon seit Beginn der Coronakrise waren sie da: Die Warnungen vor Kreditausfällen, wenn Kredite betroffener Verbraucher und Unternehmen nicht mehr zurückgezahlt werden können. Dabei ist zweitrangig, ob die jeweiligen Kredite vor oder nach Ausbruch des Coronavirus aufgenommen wurden. Seit Krisenbeginn sind die Banken allerdings angehalten, einerseits Betroffene mit Liquidität zu versorgen, andererseits die Rückstellungen für das Kreditausfallrisiko, das sich seit Krisenbeginn deutlich erhöht hat, entsprechend anzupassen. Umfrageergebnissen zufolge sehen sich zahlreiche Banken gut aufgestellt. Berater warnen dennoch immer stärker vor hohen Kreditausfällen. Droht eine neue Finanzkrise?
- Ab 90 Tagen Zahlungsverzug gilt ein Kredit als notleidend.
- Für das Jahr 2020 rechnet die Unternehmensberatung Accenture mit einer Abschreibung der Banken im Euroraum aufgrund ausfallgefährdeter Kredite von bis zu 415 Milliarden Euro insgesamt. 2019 waren es nur 80 Milliarden Euro. (1)
- Banken in Deutschland sehen sich entgegen der Meinung einiger Analysten gut aufgestellt. Beispielsweise die Deutsche Bank legte im ersten Halbjahr 2020 1,3 Milliarden Euro zurück. (1)
Ausfallrisiko notleidender Kredite
Die Kreditvergabe ist stets mit dem Risiko verbunden, dass der Kreditnehmer das Geld nicht oder nicht vollständig an den Kreditgeber zurückzahlen kann. Um das Kreditausfallrisiko möglichst gering zu halten, nehmen Banken daher vor der Kreditvergabe eine Bonitätsprüfung vor. Neben einer Schufa-Anfrage wird beispielsweise auf die Einkommensverhältnisse und bestehende Verbindlichkeiten geschaut, um die Kreditwürdigkeit einschätzen zu können.
Gerät ein Kreditnehmer mit seiner Ratenzahlung in Verzug, wird ab einer Verzugszahlung von 90 Tagen von einem notleidenden Kredit gesprochen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gilt ein Kredit als ausfallgefährdet, wenn nicht sogar schon vorher weitere Indizien dafürsprachen. Wie der Bestand an notleidenden Krediten in Prozent zum Gesamtkreditvolumen in den jeweiligen Euroländern bis 2019 aussah, zeigt das folgende Diagramm:
Die EZB erwartet Im Zuge der Coronakrise ein ansteigendes Volumen der ausfallgefährdeten Kredite und befürwortet daher mehr Flexibilität beim Umgang mit ihnen. Die Unternehmensberatung Accenture rechnet mit einer Abschreibung aufgrund ausfallgefährdeter Kredite von bis zu 415 Milliarden Euro im Jahr 2020 bei allen europäischen Banken insgesamt.
Im Vergleich: Für das Jahr 2019 ermittelte Accenture eine Rückstellung der Banken im Euroraum in Höhe von insgesamt 80 Milliarden Euro zur Deckung potenzieller Kreditverluste. Bis zu 335 Milliarden Euro könnten also demnach in diesem Jahr hinzukommen.
Deutsche Banken sehen sich gut aufgestellt
Deutsche Großbanken haben sehr schnell hohe Rückstellungen für Kreditausfälle gebildet, so die Beobachtung von Markus Hamprecht, der bei Accenture die Leitung für den Bereich Financial Services in der DACH-Region verantwortet. Volks- und Raiffeisenbanken beispielsweise erwarten angesichts der Coronakrise mehr Risikovorsorge, sehen aber keine Schieflagen bei ihren Instituten.
Auch Sparkassen sehen keinen Grund zu großer Sorge. Einer Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands zufolge hätten diese Kreditinstitute „in den vergangenen Jahren in Milliardenhöhe Vorsorge gebildet“ und seien gut genug aufgestellt, um ihre Kunden auch in der Krisenzeit zu begleiten.
Auch die großen Banken legten viel für schlechte Zeiten zurück. Im ersten Halbjahr 2020 erhöhten beispielsweise die Deutsche Bank und die Commerzbank ihre Rückstellungen für ausfallgefährdete Kredite drastisch. Konkret legte die Deutsche Bank insgesamt 1,3 Milliarden Euro zurück, die Commerzbank 795 Millionen Euro. Beide Institute gehen von weiteren Rücklagen im Jahresverlauf aus.
Analysten zeigen sich dennoch skeptisch
Wenngleich die Rücklagen der deutschen Banken schon im bisherigen Jahresverlauf 2020 deutlich über dem Niveau der Vorjahre lagen, zeigen sich zahlreiche Analysten dennoch skeptisch. Ihr Argument: Die Rücklagen für ausfallgefährdete Kredite anderer europäischer Großbanken sei höher ausgefallen. Eine deutliche Nachbesserung der Rücklagen in der zweiten Jahreshälfte sei daher ihrer Ansicht nach der richtige Weg.
Die regionalen Banken argumentieren zum einen damit dagegen, dass die Firmen in Deutschland dank umfänglicher Bundes- und Landeshilfen weniger leiden würden als in anderen EU-Staaten. Zum anderen seien die verschiedenen Volkswirtschaften unterschiedlich stark von dem Coronavirus betroffen. Ein Vergleich dieser Form sei daher problematisch.
Droht eine neue Finanzkrise?
Laut Accenture sind die Banken heute besser aufgestellt als vor der Finanzkrise von 2008. Allerdings waren die Herausforderungen an die Institute noch sie so hoch wie jetzt mit der Coronakrise. Mit Blick auf den gesamten Globus rechnet der Unternehmensberater allerdings mit einer Ausfallquote von bis zu 2,4 Prozent der bestehenden Kredite im Jahr 2020. 2008 lag dieser Wert sogar darunter, bei 1,5 Prozent, und 2019 bei 0,7 Prozent. Auch andere Unternehmensberater, wie die Firma Bain & Company, erwarten einen Anstieg auf ein Niveau, das über dem der letzten Finanzkrise lag.
Auch wenn die Banken jetzt noch verhältnismäßig gut dastehen, so kann sich das schon in der zweiten Jahreshälfte oder auch erst im nächsten Jahr ändern. Einige Unternehmen konnten sich schließlich noch eine Zeitlang mit Zahlungsaufschüben oder staatlichen Soforthilfen über Wasser halten. Die Frage ist, wie lange noch.
Seit 2008 hat sich allerdings viel getan, denn man hat aus den Erfahrungen gelernt. Die Richtlinien für die Kreditvergabe wurden angepasst und das Risikomanagement spielt eine zentrale Rolle bei der Kreditvergabe. Daher kann es passieren, dass die Banken mehr Kreditanfragen ablehnen, trotz des Liquiditätsbedarfs im Land. Einen Kompromiss zwischen Kreditsicherheit und Liquiditätsbeschaffung zu finden, wäre daher Aufgabe der Politik und der Finanzaufsicht.
Quellen und weiterführende Links
(1) Handelsblatt – Bei Kreditausfällen herrscht die Ruhe vor dem Sturm