Nehmen Verbraucher mehr Kredite wegen Coronakrise auf?
In unsicheren Zeiten überlegt man genau, ob man sich mit neuen Schulden an feste Ratenzahlungen binden möchte. Doch wenn die Geldnot zu groß ist, ist der Gedanke an zukünftige Verbindlichkeiten oftmals nur noch zweitrangig. In der aktuellen Coronakrise ist der Geldbedarf offensichtlich sehr groß. Im März, dem Beginn der Coronakrise in Deutschland, war die durchschnittliche Kredithöhe deutlich höher als im Februar. Dass es bei diesem Thema allerdings sehr auf den Blickwinkel ankommt, zeigen wir hier!
- Der Kreditbedarf deutscher Verbraucher nahm im März gegenüber Februar zu.
- Da der Kreditbedarf saisonalen Schwankungen unterliegt, ist allerdings ein Vergleich der Jahres- statt Monatswerte aussagekräftiger.
- Beim Vergleich der Jahreswerte gibt es starke Unterschiede: Während die durchschnittliche Kredithöhe laut Verivox von März 2019 zu März 2020 um bis zu 40 Prozent wuchs, sank das Neugeschäftsvolumen von Konsumentenkrediten an private Haushalte im gleichen Zeitraum gemäß der Deutschen Bundesbank um 1,28 Prozent.
Erhöhter Kreditbedarf durch Corona
In Deutschland folgte dem Ausbruch des Coronavirus der Lockdown im März. Viele Arbeitnehmer konnten ihre Arbeitsplätze nicht oder nur eingeschränkt besetzen, Betriebe mussten das Geschäft teilweise oder vollständig einstellen, es wurde auf Kurzarbeit umgestellt oder Mitarbeiter sogar entlassen. Die Folge waren Lohnkürzungen und fehlendes Einkommen in den privaten Haushaltskassen. Dass bei vielen Betroffenen seitdem Geldnot herrscht, verwundert daher nicht.
Doch wie groß die Geldsorgen tatsächlich sind, zeigt sich in den folgenden Zahlen zu einer Auswertung von Verivox (1): Im März lag die durchschnittliche Kredithöhe 7,5 Prozent über der des Februars. Vor der Coronakrise lag die durchschnittliche Kreditsumme bei 14.588 Euro. Nach Ausbruch der Krise in Deutschland stieg sie somit auf 15.676 Euro an.
Unterschiedlicher Kreditanstieg je nach Einkommen
Fakt ist, dass die durchschnittliche Kredithöhe im März anstieg. Es zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Einkommensgruppen. So wuchs die Darlehenshöhe im März 2020 im Vergleich zum Vorjahr bei Gutverdienern deutlich stärker an als bei Geringverdienern.
Arbeitnehmer mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 1.000 Euro und 2.000 Euro nahmen im März diesen Jahres 3,5 Prozent mehr Kredit auf als im März 2019. Statt durchschnittlich 11.677 Euro waren es dieses Jahr 12.086 Euro.
Verbraucher mit einem Einkommen bis maximal 5.000 Euro nahmen diesen März bis zu 17 Prozent höhere Kredite auf. Doch am allerstärksten ist das Wachstum bei den Gutverdienern zu beobachten. Statt 19.189 Euro Darlehenssumme wurde hier ein neuer Durchschnittswert von 26.864 Euro ermittelt. Das bedeutet einen Anstieg von satten 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Hier noch einmal die Daten im Überblick:
Kreditanstieg nach Einkommensgruppen | |||
---|---|---|---|
Einkommen | 1.000€ – 2.000€ | 2.001€ – 5.000€ | > 5.000€ |
Ø Kreditbedarf März 2019 | 11.677€ | ./. | 19.189€ |
Ø Kreditbedarf März 2020 | 12.086€ | ./. | 26.864€ |
Veränderung | +3,5% | Bis +17,0% | +40,0% |
Kreditwachstum auch ohne Coronakrise
Ein Anstieg der durchschnittlichen Kedithöhe im März 2020 scheint gegenüber dem Vormonat und auch gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit den oben aufgeführten Zahlen belegt. Was die bloßen Zahlen allerdings nicht verraten, ist der Grund für dieses Wachstum. Die Vermutung liegt nahe, dass die Coronakrise der Treiber für diese Entwicklung ist. Doch ein Blick auf Zahlen der letzten Jahre zeigt, dass in der Vergangenheit auch ohne Coronakrise ein jährliches Wachstum beim durchschnittlichen Kreditvolumen stattgefunden hat:
Im folgenden Diagramm ist die durchschnittliche Kredithöhe bei Ratenkrediten seit 2006 abzulesen. Diese Werte stammen aus dem SCHUFA Kredit-Kompass 2019 (2). Zum Redaktionsschluss sind zwar nur Werte bis 2018 veröffentlicht, doch der Trend zeigt eindeutig nach oben. Allein von 2017 zu 2018 wuchs die durchschnittliche Kredithöhe um rund 8,5 Prozent an.
Neue Erkenntnisse liefern Zahlen der Deutschen Bundesbank (3). Während die SCHUFA Holding AG Jahreswerte präsentiert, bietet die Deutsche Bundesbank monatliche Einblicke.
Auch über die folgende Datenreihe wird bestätigt, dass im März 2020 mehr beziehungsweise höhere Kredite vergeben wurden als noch im Februar 2020. Das gesamte Neugeschäftsvolumen von Konsumentenkrediten an private Haushalte stieg von 9,284 Mrd. Euro auf 9,742 Mrd. Euro an, ein Wachstum von knapp fünf Prozent.
Doch wie das Diagramm zeigt, unterliegt der Graph starken saisonalen Schwankungen, weshalb ein Vorjahresvergleich mehr Aussagekraft hat. Und hier sieht es nämlich ganz anders aus: Im März 2019 lag das Neugeschäftsvolumen bei 9,868 Mrd. Euro. Demnach ist ein Rückgang innerhalb eines Jahres um 1,28 Prozent zu verzeichnen. Diesen Zahlen nach wurden also trotz Coronakrise sogar weniger Geld für Kredite ausgezahlt.
Warum gibt es so unterschiedliche Ergebnisse?
Warum stieg der Kreditbedarf im Jahresvergleich nach der Auswertung von Verivox an, während er den Daten der Deutschen Bundesbank zufolge sank? Dafür gibt es mehrere Gründe.
Zum einen nutzt die Deutsche Bundesbank für ihre Datenerhebung ein Stichprobenverfahren, während Verivox die komplett über die eigene Plattform abgewickelten Kreditanträge auszählt. Unterschiedliche Erhebungsverfahren führen oft zu unterschiedlichen Ergebnissen. Damit gelangen wir gleich zum zweiten Grund, denn zum anderen betrachtet die Deutsche Bundesbank den gesamten Markt, während Verivox nur auf die eigenen Zahlen schaut.
Außerdem kann es gut sein, dass sich die durchschnittliche Kreditsumme erhöht hat, aber zahlenmäßig deutlich weniger Kredite aufgenommen wurden. Das würde erklären, warum das Neugeschäftsvolumen gemäß der Deutschen Bundesbank geschrumpft ist.
Beide Datenreihen mögen somit korrekt sein, doch die Ergebnisse von Verivox resultieren lediglich aus einer einseitigen Sicht. Wer den Blick auf das große Ganze bevorzugt, sollte sich an den Daten der Deutschen Bundesbank orientieren und sieht, dass die Coronkrise zumindest bisher noch keine nennenswerten Auswirkungen auf die Kreditvergabe an Privathaushalte hatte.
Quellen und weiterführende Links
(1) Bild – Unglaublich, wie viel Geld sich Deutsche jetzt leihen
(2) SCHUFA Holding AG – SCHUFA Kredit-Kompass 2019
(3) Deutsche Bundesbank – Konsumentenkredite an private Haushalte insgesamt