Kreditvergabe vieler Banken leidet unter Wertpapiereigengeschäften
Dieser Vermutung ging das Forschungszentrum der Deutschen Bundesbank auf den Grund. Das Ergebnis zeigte, dass es in Krisenzeiten tatsächlich zu einem vermehrten Eigengeschäft einiger Kreditinstitute kommt. Was bedeutet das?
Der Eigenhandel mit Wertpapieren macht bei einigen Banken einen großen Teil des Geschäftsvolumens aus. In Deutschland sind durchschnittlich rund 19 Prozent der Bilanzsumme in Anleihen und Aktien Dritter investiert, in den USA bis zu 20 Prozent. Bei den deutschen Banken dienen 89 Prozent dieser Investments dem Eigengeschäft.
An dieser Stelle kommen die Frage und auch die Kritik auf, ob diese gebundenen Gelder der Wirtschaft als potenzielle Kredite fehlen. Gerade in Krisenzeiten fehlen den Märkten damit liquide Mittel. Vor diesem Hintergrund gibt es bereits politische Interventionen.
Mit der Volcker Rule (USA), dem Liikanen-Papier (EU) und dem Vickers Report (GB) hat die Politik Maßnahmen vorgeschlagen und bereits teilweise umgesetzt, um den Eigenhandel der Institute stärker einzuschränken und freie Liquidität für Finanzierungen zu erhalten.
Eigenhandel rentabler als Kredite
Für die Kreditinstitute stellt sich die Frage, wo sie investieren. Auf der einen Seite ist die Kreditvergabe in Krisenzeiten mit höheren Kreditausfallrisiken verbunden, auf der anderen Seite geben die Wertpapierkurse nach, die Titel sind günstig zu erhalten.
Kurzfristige Marktverwerfungen einschließlich Panikverkäufen führen dazu, dass bei einem niedrigen Einstiegskurs langfristig höhere Renditen zu erzielen sind, als mit der Kreditvergabe.
Die Forschungsgruppe der Deutschen Bundesbank identifizierte bei ihrer Analyse eine bestimmte Gruppe von Banken, die handelsaffiner sind als andere. Die Aussage, dass alle Institute Gelder alternativ zur Kreditvergabe anderweitig platzieren, gilt daher nicht.
Die Grundlagen der Untersuchung
Bislang gab es noch keine Untersuchungen dazu, ob der Wertpapiereigenhandel tatsächlich zu einer Verknappung bei der Kreditvergabe führte.
Grundlage dieser Erhebung waren sowohl die Datensätze zu den Wertpapierregistern als auch zu den Kreditregistern aus den Jahren 2005 bis 2012. Damit sollte ausgeklammert werden, dass eine Bank dann einsprang, wenn eine andere in Wertpapiere investiert war. Dies hätte nur eine Verschiebung unter den Marktteilnehmern bedeutet, aber keinen Beleg dafür gebracht, ob tatsächlich Liquidität fehlt.
Bei der Analyse der Banken kristallisierte sich heraus, dass es einige Institute gibt, die über mehr Erfahrung im Wertpapierhandel verfügen als andere. Diese Banken sind eher in der Lage, Marktentwicklungen vorherzusehen und entsprechend zu agieren. Da es ihnen leichter fällt, entsprechende Titel für ein Engagement herauszufiltern, steigen bei diesen handelserfahrenen Geldhäusern tatsächlich in Krisenzeiten die Eigengeschäfte zulasten der Kreditvergabe.
Als Untersuchungsbeispiel diente eine Anleihe von JP Morgan, variabel verzinst mit einer Restlaufzeit von sieben Jahren. Es war zu beobachten, dass nach der Lehman-Pleite dieses Papier massiv an Wert verlor. Gleichzeitig deckten sich einige Banken mit der Anleihe in größerem Umfang ein. Mit Erreichen des Kursniveaus vor dem Lehman-Crash verkauften diese Institute die Anleihe wieder mit entsprechendem Profit.
Banken mit geringerer Handelsexpertise waren hier kaum beteiligt.
Auch andere Beobachtungen belegten, dass bei Banken mit hoher Handelsexpertise der Wertpapierbestand in Krisenzeiten überdurchschnittlich anstieg, was bei Instituten mit geringer Handelsexpertise nicht der Fall war.
Im Wertpapierhandel erfahrene Banken stocken ihre Bestände gerade in Krisenzeiten signifikanter auf, als Banken mit weniger Erfahrung
Lohnt der Wertpapierhandel im Vergleich zum Kreditgeschäft?
Es stellte sich im Rahmen der Untersuchung auch heraus, dass vor allem Banken mit höherer Eigenkapitalausstattung überdurchschnittlich hohe Eigengeschäfte tätigten. Der Wertpapierhandel lebt von Kursschwankungen, unerwartete Ereignisse können zu massiven Kurseinbrüchen führen – die handelsaffinen Banken gehen also ein hohes Risiko ein. Die Frage, die sich an diesem Punkt stellt, lautet: Lohnt es sich?
Die Geldhäuser, die im ersten Quartal 2009 in den Eigenhandel einstiegen, realisierten im Mittel zwölf Prozent Rendite – bei einer vergleichsweisen Darlehensverzinsung von fünf Prozent. Unter der Prämisse, dass die Händler auf das richtige Pferd gesetzt hatten, ein lukratives Geschäft. Dieser Sachverhalt legt den Schluss nahe, dass es profitabler war, mit Wertpapieren zu handeln, anstelle Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben.
Bedauerlicherweise profitieren von diesem Sachverhalt nur die Aktionäre der Kreditinstitute, aber nicht die Volkswirtschaften, die auf Kredite angewiesen sind.
Eine Analyse der Kreditvergabe im gleichen Zeitraum bestätigte die These der reduzierten Kreditvergabe durch Eigenhandel. Die Bundesbank untersuchte die Kreditvergabe bestimmter Banken an ausgewählten Orten an ausgewählte Darlehensnehmer.
Die Kreditvergabe dieser Banken ging abhängig von Eigenkapitalhöhe und Handelserfahrung mit dem Engagement in Wertpapiere überproportional zurück. Die potentiellen Kreditnehmer konnten dieses Defizit durch Anfragen bei anderen Kreditinstituten nicht in voller Höhe kompensieren.
Eigengeschäft einschränken oder nicht?
Der Wertpapiereigenhandel der Banken wirft Fragen über Fragen auf. Auf der einen Seite übernehmen die Banken mit dem Eigenhandel Risiken, in dem sie Papiere mit schwächerer Bonität aufkaufen und führen den Märkten auf diese Weise Liquidität zu.
Auf der anderen Seite wird diese Liquidität selten in voller Höhe von anderen Marktteilnehmern zur Kreditvergabe genutzt. Durch die Aufkäufe wird auch das Risiko eines weiteren Kursrückgangs dieser Papiere ausgebremst, ein stabilisierendes Momentum ist die Folge.
Beschränkungen des Eigenhandels brächten einen Liquiditätsengpass im Wertpapiersektor mit sich, die Zahl der Käufer würde die Zahl der Verkäufer unterschreiten. Dies führte wiederum dazu, dass Kurse weiter nachgeben und das Marktrisiko erhöhen.
Fazit
Die Studie der Deutschen Bundesbank kommt zu dem Schluss, dass die Kreditvergabe in Krisenzeiten tatsächlich unter dem erhöhten Eigenhandel der Banken leidet. Dies einzuschränken würde aber den Wertpapiermärkten Liquidität entziehen, was sich ebenfalls kontraproduktiv auswirken könnte.