Leitfaden der EZB zum Umgang mit faulen Krediten
In den Medien fällt immer wieder der Begriff „faule Kredite“, speziell wenn es bei der Berichterstattung um die Finanzkrise, die Geldpolitik der EZB oder die Banken als solches, zum Beispiel in Italien, geht.
Wenn mit Krediten etwas faul ist, dann stimmt offensichtlich etwas nicht mit ihnen. Der Fachbegriff für diese kritischen Verträge lautet NPL – Non-Performing-Loans. Wie können Banken damit umgehen, wenn sie viele dieser notleidenden Kredite in den Büchern haben?
Kunden, die Geld aufnahmen, auch wenn sie es sich bei einer seriösen Betrachtung der Bonität und Lebenssituation nicht hätten leisten können, stecken nun in Zahlungsschwierigkeiten. Die Geldinstitute verlieren so nicht nur den Gewinn aus ihrem Krengeschäft, sondern müssen im Ernstfall sogar Gelder abschreiben.
Das ist für niemanden unproblematisch. Sowohl Privatleute, als auch Unternehmen, Banken und Staaten sind sehr daran interessiert, ausgeliehene Gelder zurückzubekommen.
Abbau von notleidenden Krediten
Sowohl gesamtwirtschaftlich, als auch für jedes betroffene Institut ist daher wichtig, den Bestand an NPL so gering wie möglich zu halten und Bestände abzubauen. Die EZB gibt mit ihrem Schreiben den Kreditinstituten dazu einen Leitfaden mit Best Practice Beispielen an die Hand.
Banken müssen sich damit auseinandersetzen, dass Kreditnehmer auch unverschuldet in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Unsere Studie zum Thema Überschuldung listet die wichtigsten Gründe für ein Abdriften in die Schuldenfalle.
Um sich von den hoffnungslosen Krediten zu lösen, bleiben den Banken nicht sehr viele Optionen. Im Grunde müssen Sie sehen, ob sie Sicherheiten haben, die sie verwerten oder ob sie die faulen Kreditbestände verkaufen können. So oder so: Die Fehlbeträge müssen die Banken abschreiben.
Sind die Fälle nicht vollkommen aussichtslos macht es Sinn, mit dem Kreditnehmer eine Lösung zu suchen. Eine Stundung oder eine Ratenreduzierung durch eine verlängerte Laufzeit können probate Mittel sein, um den Kreditvertrag noch zu retten.
Gebrauchsanweisung für den Umgang mit faulen Krediten
Am 20 März 2017 brachte die EZB einen Leitfaden für die Banken der Währungsunion heraus, in dem auf über 140 Seiten beschrieben wird, wie Kreditinstitute am besten mit den Verträgen umgehen sollten, die notleidend sind.
Als „notleidend“ wird ein Kredit bezeichnet, bei dem die Ratenzahlungen des Kreditnehmers nicht mehr unproblematisch laufen. Durch Zahlungsverzüge baut sich eine zusätzliche Zinslast für den Kunden auf und die ordentliche Rückführung wird noch schwerer. Stundungen verlängern die Kreditlaufzeit und damit auch die Wartezeit der Bank, bis sie das Geld wieder in andere Geschäfte stecken kann.
Banken teilen die Kreditverträge in Gruppen ein, die die unterschiedlichen Risikostufen in Betracht ziehen. Das reicht von Krediten, bei denen eine Rate einen Tag in Verzug ist, bis hin zu Darlehen, deren Ausfallwahrscheinlichkeit quasi als gegeben anzusehen ist.
Weitere Merkmale der Kredite helfen dabei, sie in gewisse Cluster zusammenzufassen. Für all diese Cluster soll, so die EZB, das Bankmanagement eine Strategie entwicklen. Diese Strategien sollen im Unternehmen verankert und deren Ergebnisse ständig überwacht werden.
Wie funktioniert eine Bankenstrategie zum Umgang mit NLPs
Grundsätzlich haben alle Maßnahmen den Zweck, den Bestand an notleidenden Krediten abzubauen. Die EZB stellt solche Strategien auf vier Säulen:
- Beurteilung des operativen Geschäftsumfelds
- Entwicklung der NPL-Strategie
- Umsetzung des Implementierungsplans
- Einbindung der NPL-Strategie in die Managementprozesse
Der erste Schritt stellt eine Analyse des Ist-Zustands dar. Das Kreditinstitut analysiert dazu die inneren Kapazitäten, die externen Bedingungen und die Auswirkungen einer NLP-Strategie auf das Eigenkapital.
Folgend werden termingebundene und quantitative NPL-Ziele definiert, die von der Geschäftsleitung genehmigt und jährlich überprüft werden. Diese Ziele beinhalten auch den aktiven Abbau von notleidenden Krediten durch Abschreibung und/oder Verkauf der Positionen.
Klare Zuständigkeiten und Entscheidungsstrukturen helfen den Kreditinstituten dann bei der Umsetzung der Strategie in das tägliche Geschäft. Das mag für manche Banken mit einer hohen NPL Belastung durchaus weitreichende Umstrukturierungen bedeuten.
Abgeschlossen wird der Prozess mit der Einbindung der Strategie in allen Hierarchieebenen und allen Unternehmensprozesses.
Ist der Leitfaden ein bindendes Instrument für alle Banken?
Die Ausarbeitung der EZB hat keinen Gesetzescharakter. Angesprochen sind nicht alle Geldhäuser, sondern nur die, die Institute, die als bedeutend gelten und gemäß des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM – Single Supervisory Mechanism) direkt von der EZB beaufsichtigt werden.
Welche Banken das in Deutschland sind, lässt sich einer Liste der Bankenaufsicht der EZB entnehmen (2). Diese Liste nennt nicht nur die Institute, sondern gibt auch an, warum die jeweiligen Häuser gelistet sind. Zum Stichtag 15. November 2016 waren es 28 deutsche Banken.
Es wird erwartet, dass diese Banken und ihre ausländischen Tochterunternehmen nach Verhältnismäßigkeit und Dringlichkeit die Handlungsempfehlungen annehmen und umsetzen. Wörtlich formuliert die EZB das so:
„Der NPL-Leitfaden ist derzeit nicht verbindlich. Allerdings sollten Banken auf Verlangen der Aufsichtsbehörden bei Abweichungen eine nachvollziehbare Erklärung und eine fundierte Begründung abgeben. […] die Nichteinhaltung seiner Bestimmungen kann zu aufsichtlichen Maßnahmen führen.“
Die Banken werden in unterschiedliche Risikoklassen eingeteilt. Der vorgelegte Leitfaden richtet sich an Kreditinstitute mit einem hohen NPL Bestand (deutlich mehr NPL in den Büchern als der EU-Durchschnitt).
Zur Beurteilung der Eigenbestände im Vergleich zum Wettbewerb verweist die EZB auf das Risk Dashboard der EBA – European Banking Authority (3).
NPL als Problem für die Wirtschaft
Sind die Volumina an faulen Krediten in den Büchern der Banken sehr hoch, hemmt das die Institute, Kredite auszugeben. Das liegt an den Sicherheitspolstern, die eine Bank für ausgegebene Kredite vorhalten muss.
Vereinfacht bedeutet das, dass Banken für jeden ausgeliehenen Euro ein paar Cent als Sicherheit auf die Seite legen müssen. So soll sichergestellt werden, dass Banken und Sparkassen sich selbst helfen können, wenn Kredite nicht mehr bedient bzw. zurückbezahlt werden.
Dieses System basiert auf der Annahme, dass nicht mehr als X-Prozent der Kredite in Schwierigkeiten geraten. Wird diese Schmerzgrenze erreicht oder sogar überschritten, hat die Bank ein sehr ernstes Problem.
Banken liefern den finanziellen Schmierstoff für die Wirtschaft in Form von Krediten. Angefangen vom Dispo, über Privatkredite und Baufinanzierungen bis hin zu Unternehmensfinanzierungen, wenn beispielsweise Rohstoffe vorfinanziert oder neue Maschinen gekauft werden müssen.
Es wird daher klar: Werden keine Kredite mehr in die Wirtschaft ausgegeben, gerät alles ins Stocken. Menschen verlieren ihre Arbeitsplätze, der Staat hat weniger Steuereinnahmen bei gleichzeitig erhöhten Sozialausgaben. So geschehen in der aktuellen Finanzkrise, die noch nicht überall überwunden ist.
Woher weiß die EZB um den Bestand der notleidenden Kredite?
Eine Analyse des Marktes und möglichst präzise Informationen sind für eine steuernde Einrichtung wie die EZB unabdingbar. Daher hat sie 2014 eine umfassende Bewertung des Bankensystems vorgenommen, die auf zwei Säulen steht:
- Eine Qualitätsprüfung der vorhandenen Kredite (Asset Quality Review)
- Ein Stresstest, um die Konsequenzen von sich ändernden Marktbedingungen zu prüfen
Bei den weiteren Analysen stellte die EZB fest, dass Banken ganz unterschiedlich mit der Problematik umgehen. Identifizierung, Bemessung, Verwaltung und Abschreibung verliefen uneinheitlich und mit ungleichen Zielsetzungen.
In Zukunft wird der EZB für dieses Knowhow ein weiteres Tool zur Verfügung stehen. Mit dem Projekt AnaCredit werden die Zentralbanker in der Lage sein, in Echtzeit die Kreditsituation in Europa auf granulare Weise beurteilen zu können.
Quellen und weiterführende Informationene
(1) Europäische Zentralbank – Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten (PDF)
(2) EZB Bankenaufsicht – Liste der von der EZB beaufsichtigten Kreditinstitut (PDF)
(3) European Banking Authority (EBA) – Auflistung der aktuellen Risk Dashboards