Mietpreisbremse, Mietendeckel – Mietenwahnsinn?
Der Berliner Senat macht kontinuierlich von sich reden. Mietpreisbremse und Mietendeckel stehen im Vordergrund der öffentlichen Diskussion des Landes. Die Einstellungen dazu laufen allerdings extrem kontrovers. Während die einen sagen, es sei die einzig richtige Lösung als Einstieg zu einer Vergesellschaftung des Wohnungsbaus, sehen andere die Mietpreisbremse als Auslöser für eine Verschärfung im Mietwohnungssektor.
- Mietpreisbremse und Mietendeckel schrecken private Investoren im Immobiliensektor ab.
- Baugenehmigungen und Fertigstellungen sind bereits rückläufig.
- Auftragszahlen im Baugewerbe gehen ebenfalls zurück.
- Bei verordneter Mietsenkung muss der Begriff „Wuchermiete“ für bestehende Mieten neu definiert werden.
Die Ausgangslage
Durch die Verknappung des Wohnraums in den Metropolen und im angrenzenden Umland stiegen die Mieten in den letzten Jahren kontinuierlich. Der Mietpreisindex für die durchschnittlichen Mieten in Deutschland im folgenden Diagramm zeigt, dass es kein Zurück gab. Der Index wurde mit 100 Punkten für das Jahr 2015 festgeschrieben.
Das einzig Beruhigende daran ist die Gleichmäßigkeit des Anstiegs. Mieter mussten nicht von unvorhersehbaren Preissprüngen ausgehen. Für Vermieter hatte die Mietpreisentwicklung auch etwas Positives. Sie konnten klar kalkulieren. Die Rede ist dabei nicht von den großen Unternehmen in der Wohnungsbranche, sondern von den rund vier Millionen Kleinvermietern. Diese wiederum haben fünfmal so viele Wohnungen im Bestand, wie die Institutionellen (1).
Privatanleger, die für die Altersvorsorge eine fremd vermietete Immobilie erwerben, müssen planen. Die Miete muss inflationsindexiert sein, der Mietertrag muss mögliche Sanierungskosten kompensieren. Nur dann lohnt sich diese Variante der privaten Zusatzrente. Wer im Jahr 2018 eine Wohnung erwarb und im Jahr 2020 erfährt, dass künftig der Mietspiegel von 2010 gelten soll, wird wenig erfreut sein.
Unsichere Rechtslage
Der Sprecher des Zentralen Immobilien Ausschusses der Region Ost, Niklas Karow, bezeichnet die Argumentation der Politik als Augenwischerei. Er sieht hinter dieser Diskussion eine Herabsetzung der Mieten „unter der Hand“, die den Begriff des Mietwuchers gemäß BGB aushöhlt (2). Dazu eine Grafik des Berliner Mietendeckels, orientiert am Fertigstellungsjahr der Immobilie, Stand November 2019:
Weniger Neubau auf dem Wohnungsmarkt
Für private Vermieter dürfte die von Berlin und inzwischen auch anderen Bundesländern angedachte Mietpreisbremse kontraproduktiv sein. Gerade Berlin hat sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Ruhm bekleckert. Anstatt sich selbst im sozialen Wohnungsbau zu engagieren, verkaufte das Land sämtliches vorhandene Bauland, um die Löcher im Etat zu stopfen.
Die Zahl der Neubauten in der Zeit zwischen 2007 und 2019 belief sich in Berlin auf gerade einmal 13.000 Einheiten. Bundesweit schrumpfte die Zahl Ende 2017 gegenüber dem Vorjahreswert um 49.000 – bei einem Bedarf von 80.000 neuen Einheiten pro Jahr (3).
Die Auswirkungen der Mietpreisdiskussion auf das Baugewerbe
Unsicherheit ist kein guter Ausgangspunkt für Investitionen im sechsstelligen Bereich. Dies gilt zumindest für private Anleger. Wer Aktien erwirbt, weiß, dass die Dividendenzahlungen schwanken. Wer eine Wohnung kauft und vermietet, schreibt die Miete für die künftigen Jahre im Mietvertrag fest. Er hat in der Regel eine solide Planungsgrundlage.
Entfällt diese Planungsgrundlage, wird die Zahl der Investoren zurückgehen. Schrumpft die Zahl der Investoren, schrumpft auch die Zahl der Aufträge für den Wohnungsneubau.
Die Korrelation zwischen Intensität der Mietendeckeldiskussion und dem Rückgang der Aufträge ist nicht belegt, sollte aber dennoch zum Nachdenken anregen. Im Moment ist die Investition in Immobilien als Geldanlage vor allem noch vor dem Hintergrund des Niedrigzinsniveaus und des großen Zuzugs in die Großstädte und das Umland so attraktiv. Doch das ist kein Garant für zukünftige Investitionen.
Die Mieter – die lachenden Dritten?
Mieter können sich zurücklehnen. Mit dem Mietendeckel müssen sie sich keine Sorgen bezüglich explodierender Mieten machen. Zumindest gilt das für diejenigen, die eine Wohnung haben und nicht mehr auf der Suche sind.
Die Zahl der Sozialwohnungen ist rückläufig. Die Zahl der Neuinvestitionen ist rückläufig. Die Zahl derer, die eine Wohnung benötigen, steigt. Sowohl die Zahl der Baugenehmigungen war im Zeitraum von Januar bis August 2019 gegenüber dem Vorjahr bundesweit rückläufig (-2,5%) als auch die Zahl der fertiggestellten Neubauten (-3,7). Soll die Zahl der Wohnungslosen steigen, weil es keine (Sozial)wohnungen mehr gibt?
Bleiben wir bei dem Beispiel Berlin. Das Land hat sich sowohl von Grundstücken als auch von Wohnungen getrennt. Um sozialen Wohnraum zu schaffen, bleibt theoretisch nur eine Lösung: Die verkauften Liegenschaften zurückzukaufen. Abhängig vom Datum des Verkaufs dürfte nun beim Rückkauf eine entsprechende Preissteigerung in den Kaufpreis mit einfließen. Gut gemacht. Unter dem Strich müsste dann der Steuerzahler die Rechnung für die verfehlte Wohnungspolitik zahlen.
Wo der Staat versagt, schreitet mitunter die freie Marktwirtschaft ein. Aldi als treffendes Beispiel macht vor, wie es geht. Bereits 2018 kündigte der Discounter den Bau neuer Wohnungen über den eigenen Märkten an, darunter rund 30 Prozent Sozialwohnungen.
Die Lösung kann weder eine vollständige Liberalisierung des Wohnungsmarktes sein noch eine staatliche Reglementierung darüber, was eine marktübliche Miete ist. Eine Lösung liegt auch hier in der Mitte: Einerseits ein liberaler Wohnungsmarkt, der diejenigen bedient, die sich höhere Mieten leisten können. Und andererseits ein größeres staatliches Engagement im sozialen Wohnungsbau für diejenigen, die auf Mietendeckel angewiesen sind. Allein die schwarze Null zeigt sich, wie bei einigen anderen Notwendigkeiten, als Hindernis.
Wer privat in Immobilien als Geldanlage investieren möchte, sollte nach wie vor auch auf den Kaufpreisfaktor schauen. Wie sich dieser in den 20 größten deutschen Städten entwickelt hat, zeigt unsere Studie auf:
Autor: Uwe Rabolt
Redaktion: Tina Reisewitz
Quellen und weiterführende Links
(1) Handelsblatt – Kleinvermieter werden nicht reich
(2) Reguvis – ZIA: Mietendeckel-Kompromiss ist Augenwischerei
(3) Der Tagesspiegel – „Berlin hat es komplett versemmelt“