Negativzinsen im Baufinanzierungsboom wegen Coronavirus?
Das Coronavirus bringt ohne Frage vor allem negative Folgen mit sich. Neben den gesundheitlichen Aspekten sehen sich auch viele Unternehmen in ihrer Existenz bedroht. Lieferengpässe verhindern die Produktion, Mitarbeiter erkranken oder müssen in Quarantäne verharren, die Nachfrage stagniert. Doch es gibt auch einige Gewinner. Der Handel kann sich über Hamsterkäufe freuen und der Boom bei Baufinanzierungen bleibt ungebrochen. Möglich machen es die immer weiter sinkenden Bauzinsen. Doch die sind nicht erst seit dem Coronavirus so niedrig. Die Frage ist nur: Gibt es deswegen bald negative Bauzinsen?
- Der Immobilienerwerb boomt und es werden immer mehr Baufinanzierungen aufgenommen. Der Baufinanzierungsbestand deutscher Kreditinstitute stieg innerhalb der letzten zehn Jahre um 36 Prozent auf 1,3 Billionen Euro an. Das ist ein neuer Höchstwert.
- Der Baufinanzierungsboom birgt Risiken, da Banken in der Niedrigzinsphase immer bereitwilliger Darlehen vergeben. Der Anteil von Baufinanzierungen mit einem Beleihungsauslauf von 90 Prozent oder mehr stieg zuletzt auf 40 Prozent.
- Die Entwicklung der Bauzinsen gestaltet sich weitestgehend parallel zur Pfandbriefrendite, die zuletzt aufgrund des Coronavirus noch weiter in den Negativbereich sank. Negative Bauzinsen wegen der Coronakrise erscheinen daher nachvollziehbar, werden aber von einigen Experten ausgeschlossen.
So viele Baufinanzierungen wie noch nie
Dass der Immobilienerwerb in der letzten Zeit an besonderem Interesse gewonnen hat, ist nicht neu. Und das, obwohl die Kosten für den Hausbau oder Wohnungskauf tendenziell immer weiter steigen. Laut dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) stiegen Immobilienpreise in deutschen Städten im Jahr 2019 um durchschnittlich 6,5 Prozent. Das sind gleich zwei Gründe, warum immer mehr beziehungsweise immer höhere Baufinanzierungen von den Banken in Deutschland vergeben werden. Wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC ermittelte, schwoll der Baufinanzierungsbestand der Geldhäuser innerhalb von zehn Jahren um 36 Prozent auf 1,3 Billionen Euro an. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland so viele Baukredite vergeben wie noch nie.
Dass die Immobilienpreise immer weiter steigen oder sich die neuen Immobilienbesitzer finanziell immer mehr zutrauen, belegen die Zahlen zur durchschnittlichen Darlehenssumme. Allein zwischen Januar 2019 und Januar 2020 ist sie von 239.000 Euro auf 264.000 Euro gestiegen. Diese Zahlen stammen vom Baufinanzierungsvermittler Dr. Klein. Zum Vergleich: Anfang 2014 lag die durchschnittliche Darlehenssumme bei lediglich 156.000 Euro.
Für die Banken in Deutschland sind Baufinanzierungen heute also ein florierendes Geschäft. Allein im Jahr 2019 sollen sie dadurch 13 Milliarden Euro an Zinsen erwirtschaftet haben. Einnahmen aus Baufinanzierungen bilden somit mittlerweile einen Anteil von 15 Prozent an den gesamten Zinserträgen deutscher Banken.
Für die Kreditinstitute stellt daher die Finanzierung von Immobilien nicht nur einen bedeutenden Geschäftsbereich dar. Sie nimmt mit rund 42 Prozent sogar den Hauptanteil im Kreditgeschäft ein. Der Anteil von Unternehmenskrediten beispielsweise, denen ebenfalls eine hohe Bedeutung zukommt, liegt dagegen bei 35 Prozent. Darin enthalten sind sogar Finanzierung von Gewerbeimmobilien.
Baufinanzierungsboom birgt Risiken
Finanzexperten sehen den Baufinanzierungsboom, getrieben durch die Niedrigzinsen, allerdings mit Skepsis. Bei einem Stresstest unter kleinen und mittelgroßen Banken in 2019 kamen Bundesbank und BaFin zu dem Ergebnis, dass die Vergabestandards bei Krediten für Wohnimmobilien „in den vergangenen drei Jahren sukzessive weniger konservativ geworden“ sind. Ferner hätten Risiken aus der Wohnungsbaufinanzierung zugenommen.
Verbraucher können das gut an den Finanzierungsmöglichkeiten beobachten. Mittlerweile sind unter Umständen 30-jährige Baufinanzierungen schon zum Preis von 15-jährigen Baufinanzierungen zu haben. Für gewöhnlich aber steigen die Zinskosten mit der Dauer der Laufzeit. Doch wo der Wettbewerb groß ist, geht so manche Bank gern ein gewisses Risiko ein.
Das bezieht sich auch auf den Beleihungsauslauf, welchen die Banken mit der Zeit immer weiter ansteigen lassen. Während er im Januar 2014 noch bei durchschnittlich 77,6 Prozent lag, ist er nach Angaben von Dr. Klein bis zum Januar 2020 auf 84,5 Prozent geklettert. Der Beleihungsauslauf gibt das Verhältnis von Kreditsumme zum Beleihungswert, der konservativ ermittelte Wert einer Immobilie, wieder.
Je höher der Beleihungsauslauf, desto höher ist auch der Verschuldungsgrad durch einen Immobilienerwerb. Und der Anteil von Baufinanzierungen mit hohem Verschuldungsgrad steigt, denn die Banken machen es ihren Kunden immer leichter. Während Anfang 2017 nur 17 Prozent aller Darlehen einen Beleihungsauslauf von 90 Prozent oder mehr aufwiesen, waren es Ende 2019 schon circa 40 Prozent. Das belegen Daten von Europace, einem Schwesterunternehmen von Dr. Klein.
Das Problem dabei: Niemand kann in die Glaskugel schauen und erst recht in Zeiten des Coronavirus lassen sich wirtschaftliche Risiken kaum abschätzen.
Bald negative Bauzinsen wegen Coronavirus?
Die Bauzinsen bewegen sich in der letzten Zeit immer weiter Richtung Null- oder Negativzinsen. Wie folgende Statistik zeigt, entwickeln sich die Bauzinsen üblicherweise weitestgehend parallel zur Pfandbriefrendite, die bei einjähriger Restlaufzeit schon im September 2016 einen Negativwert eingenommen hatte.
Aus Furcht vor den Folgen des Coronavirus in finanzieller Hinsicht griffen Investoren zuletzt vermehrt auf die als sehr sicher geltenden Staatsanleihen zurück. Dies lies die Rendite noch weiter sinken. Die Debatte um negative Bauzinsen scheint daher nicht unberechtigt.
Allerdings seien die Negativzins-Debatten gemäß einiger Finanzexperten schon wieder überholt. Mirjam Mohr beispielsweise, Vorständin für das Privatkundengeschäft bei Interhyp, gibt bekannt, dass einige Banken einen positiven Mindestzins eingerichtet hätten, also eine Untergrenze mit positivem Vorzeichen. Außerdem wird von einem anhaltenden Boom beim Immobilienerwerb ausgegangen. Banken verdienen mit Baufinanzierungen sehr gutes Geld, dies möchte sich sicher kein Kreditinstitut nehmen lassen.
Quellen und weiterführende Links
- Handelsblatt – Banken saugen sich mit Baufinanzierungen voll
- FAZ – Die Tücken rekordtiefer Bauzinsen
- Kreditvergleich.net – Aktuelle Bauzinsen