Neue FED-Spitze = teurere Kredite?
Janet Yellen, bisherige Leiterin der US-amerikanischen Notenbank FED, tritt ab. Es folgt einer der bisherigen Notenbank-Gouverneure, Jerome Powell. Dieses Amt übt er seit 2012 aus und zählt zu den „Tauben“.
Es stellt sich die Frage, ob sich die Zinspolitik in den USA zügig ändern wird oder nicht. Und welche Auswirkungen hat der Wechsel auf unsere Märkte? Müssen wir zeitnah von steigenden Kreditzinsen ausgehen?
Umfeld für weitere leichte Zinsanhebungen ist gegeben
Unstrittig ist, dass die ökonomischen Eckdaten der USA durchaus dafür sprechen, dass es im Laufe des Jahres 2018 zu weiteren Anhebungen des Leitzinses kommen mag. So äußerte sich zumindest Bruce Kasman, Chefökonom beim US-Investmenthaus JP Morgan. Ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent und eine Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent sind Faktoren, die höhere Refinanzierungszinsen durchaus rechtfertigen.
Es ist allerdings kaum damit zu rechnen, dass Powell einen harten Geldkurs einschlagen wird. Er zählt, ebenso wie Yellen und deren Vorgänger Bernanke, nicht zu den „Falken“, sondern zu den „Tauben“ in der Führungsriege der amerikanischen Notenbank. Sollte es allerdings im Laufe des Jahres zu weiteren personellen Veränderungen in der Führungsetage der US-Notenbank kommen, schließen Analysten nicht aus, dass eine straffere Geldpolitik die Folge sein wird.
Wie Powell in einer Bestätigungsanhörung im November 2017 bereits ausführte, will er den von Janet Yellen vorgegebenen Kurs weiterverfolgen. Daraus lässt sich schließen, dass es in den USA im Jahr 2018 zu weiteren, wenn auch sehr moderaten Anpassungen des Leitzinses kommen wird. Aktuell liegt dieser nach der letzten Erhöhung im Dezember 2017 bei 1,5 Prozent.
Steigende Zinsen sind lang erwartet von den Sparern diesseits und jenseits des Atlantiks. Gleichzeitig gibt es die Kreditnehmer, denen die Zinsen eigentlich tief genug sein können. Eine Anhebung des Leitzinses in den USA wird beide Parteien treffen, die einen positiv, die anderen negativ.
Auf dem deutschen Markt zeigt sich eine Tendenz hin zum Kredit. Verbraucher halten in der Niedrigzinsphase nichts mehr vom „Hin-Sparen“ auf ein Ziel. Das neue Wort „Vor-Sparen“ liegt voll im Trend und meint den jetzigen Kauf mittels Kredit. Denn so günstig wie zurzeit war das Geld noch nie.
In unseren Themenwelten finden Sie die Rubrik „Statistiken“ mit umfangreichen Datenmaterial zum Kreditverhalten der deutschen Verbraucher und der Entwicklung diverser Zinsgrößen.
Aktien sind noch unbeeindruckt
Steigende Zinsen sind Gift für die Aktienkurse, so eine alte Binsenweisheit. Bekanntermaßen nehmen die Aktienmärkte durch die Erwartungshaltung der Anleger zukünftige Ereignisse vorweg. Die Tatsache, dass der Dow-Jones Index die Marke von 25.000 Punkten durchbrochen hat, deutet darauf hin, dass die Investoren die Ernennung Powells mit Gelassenheit sehen.
Allerdings rechnet Robert Johnson, Präsident des American College of Financial Services, damit, dass es zu einer deutlichen Verlangsamung bei den Kurssteigerungen kommt, wenn nicht sogar zu einer Seitwärtsbewegung.
Auf der anderen Seite plant die FED jedoch, ihre Liquidität abzubauen und die Bilanz monatlich um 20 Milliarden Dollar im Monat zu reduzieren. Welche Folgen dies haben kann, möchte keiner der Finanzanalytiker vorhersagen, da es sich um neues Terrain handelt.
Welche Auswirkungen hat der Wechsel für die Eurozone?
Die Zinsdifferenz zwischen den USA und Europa beträgt stolze 1,5 Prozent – nach wie vor liegt der europäische Leitzins bei null. Ein weiterer Anstieg der Zinsen in den USA könnte Investments dort noch attraktiver machen, ein Kapitalabfluss aus Europa wäre die Folge. Der Preis für die höheren Zinsen liegt allerdings im Wechselkursrisiko. Deutsche Anleger, die in der Schweiz investiert waren oder sind, wissen davon ein Lied zu singen.
Noch ist nicht abzusehen, wann Mario Draghi den ersten Schritt zu einer Erhöhung der Leitzinsen machen wird. Auch in Europa zeichnen sich inzwischen großflächig positive Konjunkturdaten ab, von wenigen Ausnahmen wie Griechenland abgesehen (1).
Es ist daher nicht auszuschließen, dass es auch hierzulande im Laufe des Jahres 2018 erste Erhöhungen bei den Kreditzinsen geben wird. Die Kombination aus positiven Wirtschaftsdaten in Europa und weiteren Zinsschritten in den USA könnte für den Chef der EZB Anlass sein, nachzuziehen.
Drängt die Zeit, jetzt einen Kredit aufzunehmen?
Die logische Frage aus dieser Betrachtung liegt auf der Hand: Soll jetzt noch schnell ein Kredit aufgenommen werden, um sich die günstigen Konditionen noch rechtzeitig zu sichern? Die vorherrschende Marktmeinung unterstützt diesen Gedanken nicht. Die Zinstrendwende wird zwar kommen, aber noch nicht so bald.
Herr Draghi und seine Kollegen sehen die europäische Wirtschaftszone noch nicht ganz dort angekommen, wo sie sein soll. Noch immer reicht ihnen die höhe der Inflationsrate nicht aus. Das umfangreiche Anleihekaufprogramm wird nicht eingestellt, sondern nur gedrosselt. Folgt man dem Geist der EZB kann es tatsächlich sein, dass wir in Europa 2018 keine Zinsanpassung sehen werden, unabhängig vom Verhalten der FED.
Eine klare Aussage lässt sich natürlich nicht treffen. Die EZB, so mächtig und groß sie auch ist, handelt flexibel und nicht dogmatisch auf die Marktbedingungen. Sollten alle oder zumindest die meisten europäischen Volkswirtschaften sich rapide und nachhaltig erholen, stünden die Zeichen für eine Zinswende auf grün. Geschieht das nicht, wird die EZB bei ihrem Kurs bleiben.
Verbraucher, die beispielsweise an kurz- bis mittelfristige Anschaffung eines neuen Wagens denken, sollten ein offenes Ohr für die Aussagen Draghis haben und dabei ganz entspannt bleiben. Auch wenn die EZB den Leitzins anhebt wird das kein übermäßig großer Sprung werden. Kredite verteuern sich dann zwar, aber nicht drastisch.
Den absoluten Tiefpunkt des Zinsniveaus zu erwischen ist ohnehin ein müßiges Unterfangen, da keiner genau weiß, wie es weitergeht. Sehr gut möglich, dass die Talsohle bereits hinter uns liegt und es bei einem günstigen und nicht dem günstigsten Kreditzins bleiben muss.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Handelsblatt – Europas Wiederaufstieg