Neue Vorgaben zur Vergabe von Immobilienkrediten
Die Bundesregierung hat einen neuen Gesetzentwurf, nämlich das Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz), auf den Weg gebracht (1).
Das Gesetz sieht zum einen zahlreiche Neuerungen bei der Vergabe für Immobilienkredite vor. Zum anderen soll die vor einem Jahr in Kraft getretene Wohnimmobilienkreditrichtlinie etwas entschärft werden. Welche Neuigkeiten bringt die Gesetzesänderung im Einzelnen? Warum ist sie notwendig?
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie – die Fallstricke wurden erst später offenkundig
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie sah in ihrer ursprünglichen Form eine sehr restriktive Handhabung nicht nur bei Erstfinanzierungen, sondern auch bei Anschlussfinanzierungen vor (2).
Die bisherige Handhabung barg beispielsweise das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung abgelehnt werden konnte, wenn nicht sichergestellt war, dass der Darlehensnehmer das Darlehen im Rahmen der statistischen Lebenserwartung zurückführen kann. Der Gesetzgeber hat jedoch erkannt, dass der Eigenheimbesitzer in diesem Fall Gefahr läuft, sein Dach über dem Kopf zu verlieren.
Vor diesem Hintergrund wurden Prolongationen für Hypothekendarlehen von den Vorgaben der Richtlinie ausgenommen. Vorgabe ist jetzt nur noch, dass bei einer Prolongation der Wert der Immobilie mindestens der vorhandenen Restschuld entspricht.
Das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz
Grund für die Verabschiedung des Gesetzes ist nicht, dass die vom Gesetzgeber beschriebenen Umstände (wie Bankeninsolvenzen) bereits eingetreten sind. Die Bundesregierung will in Kooperation mit der Bafin lediglich jetzt schon Instrumente schaffen, welche einem systemischen Risiko gegebenenfalls entgegenwirken können.
Die Immobiliennachfrage in Deutschland steigt seit der Finanzkrise ungebrochen. Etwa zwei Drittel des Vermögens der deutschen Privathaushalte sind in Immobilien angelegt (3). Mit steigender Immobiliennachfrage steigt zwangsläufig auch die Nachfrage nach Baufinanzierungen.
Eine zu laxe Vergabe von Baufinanzierungen kann gefährlich für die Stabilität des Finanzsystems werden, was die letzte Wirtschaftskrise von 2007/08 anschaulich demonstriert hat. Die geplanten Instrumente sollen jetzt schon beschlossen werden, damit sie im Falle eines Falls auch eingesetzt werden können und nicht erst noch durch langwierige Gesetzgebungsverfahren laufen müssen.
Die wichtigsten neuen Möglichkeiten der BaFin
Maximalen Beleihungsauslauf anpassen
Eine alte Bankenregel besagt, dass der Erwerber mindestens 20 Prozent des Kaufpreises zuzüglich der Erwerbsnebenkosten aus eigenen Mitteln bestreiten sollte. In den letzten Jahren wurde diese Regel immer weniger beachtet. Vollfinanzierungen sind nach wie vor auch und gerade bei selbst genutzten Immobilien möglich.
Im Ernstfall müssten die Kreditinstitute davon wieder Abstand nehmen. Die BaFin kann künftig festlegen, bis zu welchem prozentualen Anteil des Kaufpreises eine Bank ein Objekt beleihen darf (Kreditvolumen-Immobilienwert-Relation).
Beschränkung der Rate von Einkommen vs. Kreditrate
Ein weiterer Punkt stellt die Relation Einkommen zu monatlicher Rate dar. Hier kann die BaFin regulieren, wie hoch der gesamte Schuldendienst eines Darlehensnehmers in Relation zu seinem Einkommen sein darf. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Kreditnehmer auch bei einer Zinserhöhung im Rahmen der Anschlussfinanzierung noch genügend finanziellen Spielraum besitzt.
Änderung der Amortisationsanforderung
Ein weiterer Bestandteil neuer Darlehen stellt die Amortisationsanforderung dar. Diese verlangt, dass der Darlehensnehmer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Darlehen oder einen vorher festgelegten Teil getilgt haben muss.
Kreditinstitute greifen bei auftretenden Rückführungsproblemen ihrer Kunden unter anderem zu dem Instrument der Umschuldung mit längerer Laufzeit. Damit werden die monatlichen Raten gesenkt, das Ausfallrisiko sinkt, die Wahrscheinlichkeit einer ordnungsgemäßen Rückführung steigt. Vor diesem Hintergrund wird angeregt, dass Stundungen oder Umschuldungen weiterhin zulässig bleiben.
Die Amortisationsanforderung kennt allerdings auch Ausnahmen. So werden Bagatellgrenzen eingeräumt oder Darlehensteile, welche nicht dieser Anforderung unterliegen.
Ausnahme KfW-Darlehen
Darlehen staatlicher Förderbanken sind von diesen Regelungen allerdings ausgenommen. Die Kreditvergabe erfolgt bereits unter sehr strikten Auflagen und ist zweckgebunden. Die oben beschriebenen Neuerungen stehen in den Augen der Bundesregierung den Zielen der Förderbanken, Immobilieneigentum für niedrigere Einkommen durch flexible Tilgungen und gesonderte Zinssätze zuschaffen, entgegen.
Immobilienverzehrkredite neu geregelt
Der neue Terminus „Immobilienverzehrkredit“ steht für die frühere Umkehrhypothek. Der Immobilienbesitzer belieh seine Immobilie, nach dem diese schuldenfrei war, das Objekt ging nach seinem Tod an die Bank über, wenn die Erben den Kredit nicht ablösen wollten.
Dieses Modell war bislang in Deutschland eher unbekannt. Die Bundesregierung erwartet jedoch aufgrund der demografischen Entwicklung, dass Immobilienverzehrkredite an Popularität gewinnen. Damit sei eine klare gesetzliche Grundlage hinsichtlich der Transparenz dieser Darlehen und eine Herauslösung aus dem bisherigen Begriff der Verbraucherdarlehensverträge notwendig.
Verbraucherfreundlichere Regelungen bei Vorfälligkeitsentschädigungen
Vorfälligkeitsentschädigungen waren immer wieder Gegenstand von Interventionen seitens der Verbraucherberatungen (4).
Die Bundesregierung hat im Rahmen der Gesetzesnovelle die Kritik der Verbraucherschützer aufgegriffen und klare Anforderungen in Bezug auf die Transparenz bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung formuliert:
- Alle Faktoren, die sich zugunsten des Kreditnehmers auswirken, müssen berücksichtigt werden. Dazu zählen auch Sondertilgungen.
- Nachweis des Zinsverschlechterungsschadens
- Zeitpunkt der Schadensermittlung
- Angewendete Berechnungsmethode
Wichtige Gründe sprechen für die Neuerungen
Den Neuerungen liegt eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung zugrunde. Eine große Zahl an Kreditausfällen betrifft im Ergebnis nicht nur die Banken, sondern kann zu einem gesamtwirtschaftlichen Einbruch führen.
Eine Ursache-Wirkung-Kette beschreibt, dass bei einer Überschuldung einer größeren Anzahl von Verbrauchern ein Rückgang des Konsums folgt. Das wiederum entspricht einer nachlassenden Nachfrage die dann zu einer geringeren Produktion führt.
Weniger Produktion bedeutet weniger Arbeitsplätze. Das belastet nicht nur die Einzelschicksale, sondern die gesamte Volkswirtschaft, da einerseits die Steuereinnahmen einbrechen und gleichzeitig die Sozialausgaben steigen.
Wann kann die BaFin letztendlich eingreifen?
Die BaFin kann nicht willkürlich ihre Vorstellungen umsetzen. Voraussetzung ist, dass die erwähnten Beschränkungen in der Vergabe von Immobiliendarlehen eine Anhörung der Spitzenverbände vorausgeht. Grundlage für die Anhörung wiederum bilden Anzeichen, dass es zu einer Störung des inländischen Finanzsystems oder der Finanzstabilität kommt.
Während die erweiterten Handlungsspielräume der BaFin zu einem Teil Zukunftsmusik sind, bringt die Aufweichung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie im Rahmen des Finanzaufsichtsergänzungsgesetzes zeitnah Rechtssicherheit gerade für ältere Immobilienbesitzer.
Wie sieht es mit der Haftung bei Verstößen aus?
Grundsätzlich sind die Banken auch dann in der Haftung, wenn sie zwar gegen die Vorgaben verstoßen, dies aber folgenlos bleibt. Das heißt, trotz einer negativ ausfallenden Prüfung der Sicherheiten und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Darlehensnehmers wird ein Darlehen vergeben, welches der Darlehensnehmer jedoch anstandslos bedient.
Theoretisch könnte dieser Kunde seinen Vertrag rückwirkend anfechten. Gerade wenn in Zukunft das Zinsniveau niedriger sein sollte als beim Abschluss des angegriffenen Vertrages, wird diese Option interessant. Eine Welle solcher Kündigungen aufgrund eines Formfehlers wurde unter dem Stichwort „Widerrufsjoker“ bekannt.
Dieser Umstand bedeutete für die Kreditinstitute eine Rechtsunsicherheit. Der Bundesrat schlägt daher vor, dass die Haftung der Institute auf die Dauer von zehn Jahren begrenzt wird. Bei länger laufenden Darlehen besteht zum Ende des zehnten Jahres die Möglichkeit zur Kündigung ohne Vorfälligkeitsentschädigung.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Der Bundesrat – Gesetze zur Ergänzung des Finanzdienstleistungs (PDF)
(2) Frankfurter Allegemeine Zeitung – Enttäuschte Träume vom Eigenheim
(3) Das Bundesfinanzministerium – Ist die Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland so bedeutend, dass sie eine Finanzkrise auslösen könnte?
(4) Verbraucherzentrale Hamburg – Vorfälligkeitsentschädigung: Nachrechnen lohnt sich!