Cryan gescheitert – neuer Chef im Schleudersitz der Deutsche Bank
John Cryan, Nachfolger der ehemaligen Doppelspitze Jain und Fitschen, musste am 08.04.2018 seinen Stuhl räumen. Der Aufsichtsrat unter Leitung von Paul Achleitner hatte am Sonntag in einer Dringlichkeitssitzung die Abberufung Cryans entschieden.
Dass es dabei offensichtlich größeren Diskussionsbedarf gab, lässt sich aus der Länge der Sitzung schließen. Nachfolger des glücklosen Briten wird das Eigengewächs Christian Sewing, bislang Leiter des Privatkundengeschäfts.
Wie lang sein Vertrag als CEO gilt, ist noch nicht bekannt. Hält Achleitner jedoch an seiner Personalpolitik fest, würde sich ein Zweijahresvertrag empfehlen. Länger hatten es Jain/ Fitschen und anschließend John Cryan nicht geschafft.
Sewing erhält Unterstützung durch zwei Stellvertreter: Zum einen handelt es sich dabei um Garth Ritchie (Co-Leiter Investmentbanking) und Karl von Rohr (Personalvorstand).
Es bahnt sich allerdings womöglich der nächste Wechsel an. Neben dem von Achleitner favorisierten Sewing liebäugelte auch Marcus Schenck, einer der beiden Verantwortlichen für Unternehmenskunden und Investmentbanking, mit dem Vorstandsvorsitz.
Schenck hatte in der jüngeren Vergangenheit die Deutsche Bank bei den europäischen Konzernen wieder salonfähig gemacht. Dass dies nicht honoriert wurde, lässt den Schluss zu, dass bald eine weitere Führungskraft das Haus verlässt. Angepeilt ist der Termin der nächsten Hauptversammlung, der 24. Mai 2018.
Unzufriedenheit macht sich breit
In der Führungsetage der größten deutschen Bank rumorte es gewaltig. Die von Cryan geholte US-Amerikanerin Kim Hammonds wurde auf einer Führungskräftetagung Ende März 2018 mit den Worten „most disfunctional company“ (die unfähigste Firma) zitiert.
Trotz des passablen Börsenganges der DWS ist die Stimmung bei der Deutsche Bank aktuell alles andere als gut. Es stellt sich die Frage, ob sich der Aktienkurs der Stimmung im Haus angepasst hat, oder umgekehrt.
Zumindest führte der Wechsel an der Spitze zu einem etwas stärkeren Start der Deutsche Bank Aktie in die neue Woche.
Woran ist Cryan gescheitert?
Die Deutsche Bank hat viele Baustellen. Außer den berühmten Bildern aus dem Gerichtssaal hat Ackermann seinen Nachfolgern ein Institut im Umbruch mit den Herausforderungen der Zukunft hinterlassen. Eine IT, die völlig überaltert ist, eine Postbank, mit der keiner so recht wusste, was er damit anfangen soll und Gerichtsverfahren auf beiden Seiten des Atlantiks waren die hausgemachten Probleme. Dazu kamen die Einflüsse von außen, niedrige Margen im Privatkundengeschäft und eine daraus resultierende rückläufige Rentabilität. Cryan war kein Visionär, eher das bodenständige Gegenstück zu dem Highflyer Ackermann.
Die Ergebnisse blieben aus
Allerdings waren die Erwartungen des Österreichers Achleitner an seinen britischen CEO alles andere als von österreichischer Bedächtigkeit geprägt. Cryan brauchte zu lange, um erste Erfolge vorweisen zu können und die Bank aus der Ertrags-Talsohle zu führen. Jain und Fitschen hatten bereits wertvolle Zeit im Wettlauf mit den Mitbewerbern ungenutzt verstreichen lassen. Personalabbau ist bei allen Unternehmen ein beliebtes Mittel, um kurzfristig die Ertragslage zu verbessern.
Der Abbau von rund einem Drittel der Filialen dürfte aber die filialaffinen Kunden eher verprellen. Die Hoffnung, dass diese Generation ausstirbt, mag gegeben sein. Sich aber die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG, das Retailunternehmen im Konzern, als schwerpunktmäßig aktive Onlinebank vorzustellen, fällt wiederum schwer.
Wer ist Christian Sewing?
Mit Christian Sewing nimmt ein Mann den Vorstandsvorsitz ein, der so gar nicht in das Bild des „von außen eingekauften Vorstands“ passt. Der 47Jährige startete seine Karriere bei der Deutsche Bank AG ganz profan mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann in Bielefeld. Mit Sewing beerbt kein Investmentbanker John Cryan, sondern eher das Gegenteil dieser Spezies Bankmitarbeiter.
Der Bielefelder war viele Jahre im Risikomanagement tätig, bevor er die Leitung der internen Revision übernahm. Im Vorstand übernahm er das wenig spektakuläre Geschäftsfeld Privat- und Firmenkunden. Damit repräsentierte er den Teil der Deutsche Bank, der hierzulande von der Bevölkerung wahrgenommen wird: Die Deutsche Bank vor Ort. Seine Vorgänger standen für absurd hohe Boni im Investmentbanking. Es wäre Christian Sewing zu wünschen, dass er seine Historie als Außensignal transportieren kann und die Deutsche Bank den Nimbus des abgehobenen, nur noch auf internationales Geschäft bedachten Unternehmens wieder verliert.
Wie es um Achleitner steht
Das zweite Mal innerhalb von vier Jahren zieht der Österreicher die Reißleine und feuert den CEO vor Ablauf des Vertrages. Im Jahr 2018 tat er sich etwas schwer. Zum einen befand er sich rund drei Wochen auf Brautschau, ohne die anstehende Scheidung von Cryan zu bestätigen. International wurde er nicht fündig, sammelte nur Absagen.
Die länger als gedacht anhaltende außerordentliche Aufsichtsratssitzung am 08.04.2018 lässt vermuten, dass es hinter geschlossenen Türen hoch herging und Achleitners Wunschkandidat Sewing einen schwereren Stand gegen Schenck hatte, als gedacht.
Der Weggang von Schenck könnte erneut Gräben zwischen Investmentbanking und den anderen Sparten aufwerfen, sind doch die neuen Vorstände alles andere als bewandert in diesem Geschäftsfeld.
Paul Achleitner steht im Grunde für all die Fehler und Fehlentwicklungen, die er Cryan angelastet hat. Der Börsenkurs halbiert, ein Quartalsverlust schöner als der nächste, kein homogenes Geschäftsmodell und immer wieder die Kritik an den Bonuszahlungen. Achleitner muss sich vorhalten lassen, dass er Gelder an der Wall Street verbrennt und Vorstände am Main. Eigentlich könnte die Ernennung von Sewing das Signal sein, dass die Bank wieder bodenständigere Geschäftsfelder sucht und nicht mehr unbedingt in der Top-Liga der Investment-Bonus-Ritter mitspielen sondern eine Konsolidierung des Kerngeschäfts will. Allein durch die Berufung eines der bekanntesten Bonus-Einheimser, dem Ex-Meryll-Lynch-Chef John Thain fehlt dem Aktionär der Glaube.