Rückfall in alte (Datenschutz-)Zeiten
Am 14. April 2016 beschloss das EU-Parlament die Datenschutz-Grundverordnung; am 24. Mai diesen Jahres tritt sie in Kraft, zum anwendbaren Recht in den EU-Mitgliedsstaaten wird sie erst zwei Jahre später.
Doch Kritik erntet die Verordnung schon jetzt, vor allem in Deutschland: Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) sieht in Sachen Scoring – also der Einschätzung der Kreditwürdigkeit – ein Abfallen unter das derzeitige Schutzniveau. Die neue Verordnung erlaube es, die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers anhand der Straße, in der dieser wohnt, zu beurteilen.
Positive Ansätze
Grundsätzlich begrüßen Verbraucherschützer und Experten die Datenschutz-Grundverordnung. Vor allem das beschlossene Marktortprinzip sorgt für Zustimmung. Jedes Unternehmen, das seine Dienste in der EU anbietet, muss sich an die Verordnung halten – ganz gleich, wo das Unternehmen seinen Sitz hat.
Beim Scoring, der automatisierten Bewertung der Kreditwürdigkeit, sehen Verbraucherschützer jedoch einen Rückfall in alte Zeiten. In Deutschland gelten bereits detaillierte Regeln für Scoring, welche zum Teil durch die neue Verordnung wieder aufgelockert werden.
So ist es in Deutschland seit 2010 ausdrücklich verboten, vom Verbraucher bestrittene Forderungen, negativ in den Score einfließen zu lassen – mit der Datenschutz-Grundverordnung der EU wäre dies jedoch möglich. Selbst, wenn sich der Verbraucher zurecht gegen eine unberechtigte Forderung gewehrt hat, muss er mit der Herabsetzung seiner Kreditwürdigkeit rechnen.
Kreditvergabe nach Adresse?
Noch befremdlicher mutet der Passus, welcher das Scoring auf Basis der Anschrift des Verbrauchers erlaubt. Wohnt der Verbraucher in der falschen Straße, muss er damit rechnen, keinen Kredit zu kommen oder einen Kredit zu deutlich schlechteren Konditionen.
Für Unternehmen ergeben sich das daraus neue Druckmittel. Finanzielle Forderungen, ob berechtigt oder unberechtigt, können mit Hinweis auf einen möglichen negativen Score durchgesetzt werden. Zudem besteht keine Auskunftspflicht gegen über dem Verbraucher – ob er aufgrund seines Zahlungsverhalten oder seines Wohnorts negativ bewertet wird, ist nur schwer nachzuvollziehen.
Öffnungsklauseln lassen Spielraum
Die von der EU beschlossene Datenschutz-Grundverordnung ist jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern lässt den Mitgliedsstaaten durch Öffnungsklauseln Spielraum zur eigenen Datenschutz-Rechtsprechung.
Verbraucherschützer appellieren daher an die Bundesregierung, das gültige Bundesdatenschutzgesetz nicht zu Gunsten der EU-Verordnung aufzulockern. Auch sei es möglich, Regelungen aus dem Bundesdatenschutzgesetz in andere Bundesgesetze zu übertragen, um aktuelle rechtliche Standards zum Scoring zu halten.