Sachsen-Anhalt: Rückwirkende Kanalanschlussgebühren rechtskräftig
Das Landesverfassungsgericht von Sachsen-Anhalt in Dessau hat entschieden. Die rückwirkende Gebührenerhebung für Kanalanschlussgebühren aus den frühen 90er Jahren in Sachsen-Anhalt sind rechtskräftig.
Für die Immobilienbesitzer in Sachsen-Anhalt heißt es jetzt: „Zur Kasse, bitte“. Bis zu 10.000 Euro je Einzelfall werden fällig. Die Partei DIE LINKE steigt wohl aus dem Rechtstreit aus, der Verband Haus & Grund klagt in Kooperation mit Bürgerinitiativen weiter.
Damit kam ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Kommunen und Bürgern zu einem Ende. Während der Landtag die Gebührenbescheide durchaus als legitim einstufte, klagte die Fraktion der Partei „Die Linke“ gegen die Bescheide und reichte eine Normenkontrollklage ein.
Die Hintergründe
Als eines der Ergebnisse der Wiedervereinigung wurden in Sachsen-Anhalt Anfang der 90er Jahre zahlreiche der maroden Kanalanschlüsse saniert. Die Kommunen und das Land wollten den Bürgern kurz nach der Wiedervereinigung die Kosten dafür nicht sofort aufbürden, sondern kamen überein, die Zahlungen, teilweise in fünfstelliger Größenordnung, zu stunden.
Ermöglicht wurde die Stundung durch eine Übergangsvorschrift, welche die Zahlung dieser Anschlussgebühren für die Grundstücksbesitzer bis zum Jahr 2015 aussetzte.
Im Jahr 2015 wurden die Grundstücksbesitzer nun mit den Kosten für die teilweise 20 Jahre zurückliegenden Sanierungsmaßnahmen konfrontiert, die Abwasserzweckverbände verschickten die Gebührenbescheide.
Insgesamt geht es um ein Volumen in der Größenordnung von 70 Millionen Euro. Laut MDR sind 40.000 Grundstücksbesitzer betroffen (1), laut Mitteldeutscher Zeitung 85.000 Haushalte (2), von denen die Hälfte bereits gezahlt hat. In der Spitze geht es um Zahlungen von bis zu 10.000 Euro pro Einzelfall.
Die Rechtsgrundlage
Grundstückseigentümer müssen die Kosten für den Kanalanschluss ihrer Liegenschaft bezahlen. So sieht es das Abwassergesetz vor (3). Im Gegensatz zu den Kosten für Wasser und Abwasser können diese Aufwendungen aber nicht auf die Mieter umgelegt werden.
Für Hauseigentümer und Wohnungseigentümer bedeutet der Richterspruch, dass sie bezahlen müssen. Wohnungseigentumsgemeinschaften (WEG) können eventuell auf die Rücklagen zurückgreifen, vermutlich wird die eine oder andere WEG jedoch eine Sonderzahlung erheben.
Mieter sind von diesem Urteil nicht betroffen. Im Gegensatz zu den klassischen Kanalgebühren können die Anschlusskosten nicht auf den Mieter umgelegt werden. Bei dem Kanalanschluss oder der Sanierung desselben handelt es sich um eine Maßnahme, welche der Nutzbarkeit der Mietsache dient.
Wie geht es weiter?
Das Landesverfassungsgericht stellt in Sachsen-Anhalt die höchste richterliche Instanz dar. Der Streit um die Jahre später ausgestellten Gebührenbescheide ist kein sachsen-anhaltinisches Phänomen. Die gleiche Diskussion gab es auch bereits in Brandenburg. Und hier zogen die Kläger bis vor das Bundesverfassungsgericht. Und dieses hatte die Gebührenbescheide als unrechtmäßig abgewiesen.
Für die Partei DIE LINKE ist nach dem Urteil Schluss. Es sieht so aus, als wären die verfügbaren Rechtsmittel ausgeschöpft. Man wolle aber Bürgerinnen und Bürger unterstützen, die in die nächste Instanz gehen möchten (4).
Der Verband „Haus und Grund“ hat nach eigener Aussage zusammen mit Bürgerinitiativen bereits eine Musterklage angestrengt, die aber vorerst noch beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anhängig sei. Dr. Neumann, Landespräsident von Haus & Grund geht von einem Rechtsstreit aus, der sich über zwei bis vier Jahre hinziehen kann (5).
Das vollständige Urteil kann unter dem Aktenzeichen LVG 1/16 beim Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt abgerufen werden (6).
Quellen und weiterführende Informationen
(1) MDR – 40.000 Haushalte müssen nachzahlen
(2) Mitteldeutsche Zeitung – 85.000 Haushalte betroffen – Sind Gebührenbescheide zu Abwasseranschlüssen rechtmäßig?
(3) Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – Abwassergesetz (PDF)
(4) DIE LINKE Sachsen-Anhalt – Normenkontrollantrag zurückgewiesen – weiterhin Einsatz für Novelle des Kommunalabgabengesetzes
(5) Haus & Grund Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. – 24.01.2017: Chance auf Rechtstaatlichkeit vertan
(6) Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt – Urteil über Normenkontrollantrag der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt