Schere bei Wohnkosten geht immer weiter auseinander
Während es in den ländlichen Regionen zu einer Entvölkerung kommt, erreichen die Preise für Mieten und Quadratmeter in den deutschen Metropolen immer neue Höchststände. Nach wie vor fehlen rund 400.000 Einheiten bezahlbaren Wohnraums in Deutschlands Metropolen.
Die einstige Verteilung zwischen Städten und Land hat einseitige Verhältnisse angenommen. Deutschland ist ein urbanes Land. Immerhin 75 Prozent seiner Bewohner leben in Städten und Großstädten. Jetzt wurden die aktuellen Daten zu dieser Entwicklung veröffentlicht.
Deutschland zweigeteilt
Gerade jüngere Menschen zieht es in die Ballungsgebiete, weil dort die beruflichen Chancen am Besten stehen. Universitäten finden sich nicht in der Heide oder im Oderbruch.
Die Zahl der Singlehaushalte nimmt auch immer weiter zu – Städte bieten das bessere Unterhaltungsprogramm. Diese Sachverhalte wirkten sich zwangsläufig auch in den letzten Jahren auf die Mieten aus.
München galt schon immer als im Durchschnitt teuerste Stadt Deutschlands. Im Mittel werden jetzt für den Quadratmeter 15 Euro Kaltmiete im Monat aufgerufen. Mit nur vier Euro je Quadratmeter wohnt es sich in Wunsiedel im Fichtelgebirge deutlich günstiger.
Dies ergab die jüngste Studie des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), welche am 13.9.2016 in Berlin vorgestellt wurde.
In Städten wie München, Frankfurt oder Stuttgart stiegen die Mieten im ersten halben Jahr bereits wieder um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Auswirkungen der Mietpreisbremse könnten jedoch noch nicht statistisch analysiert werden, da das Datengerüst noch zu schwach ausfällt.
Sowohl die Zuwanderung in den Großstädten als auch die Abwanderung vom Land kennt in beiden Fällen Gewinner und Verlierer. Die Gewinner auf dem Land sind diejenigen, die dort bleiben und von den niedrigen Mieten profitieren. Die Verlierer sind die Vermieter, deren Mietrenditen kontinuierlich rückläufig ausfallen.
Dem fehlenden Wohnraum in den Großstädten stehen auf der anderen Seite Leerstände in den ländlichen Regionen gegenüber. Deutschland verzeichnet rund fünf Prozent Leerstand auf dem Wohnungsmarkt. Dass der Neubau nicht so vorankommt, liegt weniger an den fehlenden Baugenehmigungen, als vielmehr am mangelnden Bauland in den Metropolen.
Diskussion fokussiert sich auf Großstädte
In der Regel ist bei der Mietpreis- und Quadratmeterpreisdiskussion von den Großstädten die Rede. Der Zuzug findet nun einmal dort Stadt. Die Tatsache, dass in München der Quadratmeter Bauland bis zu 1.200 Euro je Quadratmeter kostet, betrifft unter Umständen mehr Menschen, als die Tatsache, dass im Hintertaunus erschlossenes Bauland für 120 Euro je Quadratmeter zu haben ist.
Verdrängungsprozess in den Großstädten
Jede Großstadt oder Metropole hat ihre teuren Viertel mit wohlhabenderer Klientel und sehr günstige Viertel, welche von fehlender Bildung und Migration geprägt sind. Über viele Jahre war es beispielsweise das Nordend in Frankfurt am Main, welches bezahlbaren Wohnraum aufwies.
In den achtziger Jahren begann jedoch ein Verdrängungsprozess. Investoren entdeckten die Gründerzeithäuser mit einfachster Ausstattung als lohnenswerte Sanierungsobjekte. Die Folge war eine Verdrängung der Mieter in Richtung Ostend.
Es dauerte etwas mehr als ein Jahrzehnt, als auch das Ostend plötzlich für Sanierung und Wandlung in Eigentumswohnung in den Fokus der Bauträger geriet. Die nächsten Ziele der unfreiwilligen Mietnomaden auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum waren der Stadtteil Fechenheim und die benachbarte Stadt Offenbach.
Dieses Beispiel steht stellvertretend für den Verdrängungsprozess aller Großstädte in Deutschland. Der Direktor des Institutes, Harald Herrmann, weist im Rahmen der Studie explizit auf den Verdrängungsprozess hin.
Preisentwicklung für Neubaueigentumswohnungen seit 2010 | |||
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Stadt | Kaufpreis 2015, | Index | Indexveränderung |
Euro/m² | (2010=100) | 2014 – 2015 | |
Stuttgart | 5.100 | 162 | +25 |
München | 6.300 | 156 | +9 |
Köln | 3.800 | 152 | +8 |
Dortmund | 3.000 | 148 | +7 |
Berlin | 4.300 | 145 | +14 |
Münster | 3.800 | 144 | +2 |
Leipzig | 3.200 | 143 | +9 |
Frankfurt a. Main | 4.400 | 139 | +15 |
Nürnberg | 3.600 | 139 | +11 |
Hannover | 3.500 | 138 | -2 |
Dresden | 3.000 | 136 | +5 |
Bochum | 2.800 | 136 | +16 |
Hamburg | 4.200 | 135 | +5 |
Düsseldorf | 4.300 | 134 | +3 |
Bielefeld | 2.500 | 134 | +11 |
Wuppertal | 2.800 | 131 | +2 |
Duisburg | 2.400 | 126 | +4 |
Bremen | 3.500 | 125 | +4 |
Bonn | 3.400 | 121 | ±0 |
Essen | 2.900 | 120 | +12 |
Index der 20 größten deutschen Städte | 141 | +10 |
Quellen: Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, GEWOS
Aber: Zuwachszahlen in den Großstädten erstmals rückläufig
Der Trend, dass die Großstädte wachsen und wachsen, ist jedoch erstmals seit zwanzig Jahren durchbrochen worden. In Deutschlands sieben größten Städten
- Berlin
- München
- Frankfurt
- Hamburg
- Düsseldorf
- Stuttgart
- Köln
lag die Zahl der Zuzüge erstmals wieder unter der Zahl der Abgänge. Das bedeutet aber bei Weitem nicht, dass es zu einer Rückkehr zum Landleben kommt. Die Abwanderung erfolgt viel mehr in die „Speckgürtel“ der Metropolen, in das nahe Umland, wie die F.A.Z. in ihrer Ausgabe vom 12.9.2016 berichtet (1). Das klassische Hinterland profitiert nicht von dieser Abwanderungswelle.
Randregionen und Kleinstädte profitieren
Nimmt man einmal das Beispiel Frankfurt am Main, so sind es Regionen wie der Vordertaunus, der Kreis Offenbach oder Darmstadt, welche verstärkt Zuzüge registrieren. Der Hintertaunus, rund 40 Kilometer von der Bankenmetropole entfernt, bekommt davon nichts mit, obwohl ebenfalls mit guter Verkehrsanbindung.
Das Absurde am Beispiel Rhein-Main ist dabei, dass Vordertaunus und der vordere Hochtaunus schon von jeher das teurere Pflaster waren.
Abwanderung in kleinere Städte
Der Trend, weg von der Stadt, zurück aufs Land, darf nicht falsch interpretiert werden. Als „Land“ gelten bereits Städte wie Regensburg oder Trier, die von der „Stadtflucht“ profitieren. In den Augen derjenigen, welche vom Land in die Stadt gezogen sind, ist die Stadt das bessere Land. Bioeier vom Bauernhof gibt es an jeder Ecke, begrünte Dächer und Dachgärten mit Bienenstöcken bieten ländliches Ambiente, die Tierwelt in der Stadt Berlin kann es mit einem deutschen Mittelgebirge aufnehmen.
Weiterführende Informationen
(1) Frankfurter Allgemeine – Bevölkerungsrückgang in den Großstädten