Zahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland steigt
Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hat ihren Schuldenatlas Deutschland 2017 vorgestellt. Trotz boomender Wirtschaft stieg die Zahl derer, die aus ihren laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken können, gegenüber dem Vorjahr um 65.000 erwachsene Personen. Damit gelten im Jahr 2017 rund 6,91 Millionen Menschen in Deutschland als überschuldet.
Im zweiten Jahr hintereinander sind mehr als zehn Prozent der erwachsenen Deutschen überschuldet. Wer ist besonders betroffen und gibt es regionale Konzentrationen?
Regionale Schwerpunkte sind offenkundig
Der Schuldneratlas zeigt, dass es deutliche regionale Schwerpunkte gibt. Die drei Städte mit den höchsten Zahlen liegen alle in Nordrhein-Westfalen.
Duisburg führt das Trio mit 17,4 Prozent an, gefolgt von Dortmund mit 14,44 Prozent und Essen mit 13,76 Prozent überschuldeter erwachsener Personen. Berlin, Hauptstadt der Republik und Hauptstadt sozialer Brennpunkte, kommt immerhin auf 12,63 Prozent an überschuldeten Bürgern.
Es ist fast nicht verwunderlich, dass es auch bei diesem Thema ein Nord-Süd-Gefälle gibt. Bayern, wen wundert es, liegt auf dem positiven letzten Platz (7,47 Prozent). Baden-Württemberg nimmt mit 8,31 Prozent den vorletzten Platz hinter Thüringen mit 9,25 Prozent.
Während Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg unerwarteter Weise im Mittelfeld anzutreffen sind, gibt es auch in Sachsen-Anhalt durchaus eine Konzentration betroffener Bürger.
Welche Personengruppen trifft es besonders hart?
Neben der regionalen Aufschlüsselung stellt sich natürlich auch die Frage, welche Altersgruppen besonders betroffen sind und ob es Unterschiede bei Männern und Frauen gibt.
Bei den Männern haben 4,23 Millionen Personen durchschnittlich einen Schuldenberg in Höhe von 35.200 Euro aufgebaut. Dem stehen 2,67 Millionen Frauen mit durchschnittlichen Verbindlichkeiten in Höhe von 24.700 Euro gegenüber.
Bei den Altersgruppen nehmen die 30 – 39Jährigen den ersten Platz ein. Betroffen sind 1,92 Millionen Personen. Das entspricht 27,79 Prozent aller überschuldeten Haushalte. Einen überdurchschnittlichen Anstieg an nicht rückzahlbaren Verbindlichkeiten gab es bei den über 70Jährigen. Mit einem Anstieg von 11,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnete diese Altersklasse den höchsten Anstieg.
In absoluten Zahlen können 190.000 Menschen im Rentenalter ihre offenen Forderungen nicht mehr begleichen. Als Ursache führt die Creditreform schlicht und einfach zu niedrige Renten an. Im Dezember 2015 bezogen immerhin mehr als 536.000 Rentner Grundsicherung (1).
Überschuldung in Deutschland 2017 nach Personengruppen | |||
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Basiswerte
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Abweichungen
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Überschuldete Personen
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6,91 Millionen
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+ 65.000 Fälle
|
+ 0,9 Prozent
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Überschuldungsquote
|
10,04 Prozent
|
– 0,02 Punkte
|
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Personen mit harten Negativmerkmalen
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4,22 Millionen
|
+ 53.000 Fälle
|
+ 1,2 Prozent
|
Personen mit weichen Negativmerkmalen
|
2,69 Millionen
|
+ 12.000 Fälle
|
+ 0,5 Prozent
|
Überschuldete Haushalte
|
3,41 Millionen
|
+ 19.000 Fälle
|
+ 0,6 Prozent
|
Frauen
|
2,68 Millionen
|
+ 39.000 Fälle
|
+ 1,5 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
7,61 Prozent
|
+ 0,06 Punkte
|
|
Männer
|
4,24 Millionen
|
+ 26.000 Fälle
|
+ 0,6 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
12,59 Prozent
|
– 0,13 Punkte
|
|
bis unter 30 Jahre
|
1,66 Millionen
|
– 6.000 Fälle
|
– 0,4 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
14,06 Prozent
|
– 0,45 Punkte
|
|
30 bis 39 Jahre
|
1,92 Millionen
|
+ 31.000 Fälle
|
+ 1,6 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
18,93 Prozent
|
– 0,24 Punkte
|
|
40 bis 49 Jahre
|
1,48 Millionen
|
– 11.000 Fälle
|
– 0,8 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
12,88 Prozent
|
+ 0,33 Punkte
|
|
50 bis 59 Jahre
|
1,14 Millionen
|
+ 13.000 Fälle
|
+ 1,1 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
8,80 Prozent
|
– 0,10 Punkte
|
|
60 bis 69 Jahre
|
0,52 Millionen
|
+ 18.000 Fälle
|
+ 3,5 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
5,48 Prozent
|
– 0,03 Punkte
|
|
über 70 Jahre
|
0,19 Millionen
|
+ 20.000 Fälle
|
+ 11,5 Prozent
|
Überschuldungsquote
|
1,50 Prozent
|
+ 0,16 Punkte
|
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Gesamtschuldenvolumen*
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209 Mrd. Euro
|
– 8 Mrd. Euro
|
– 4 Prozent
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Quelle: Creditreform
Was sind die Ursachen für Überschuldung?
In zwei Drittel aller Fälle (67,6 Prozent) sind es fünf Gründe, auf die eine Überschuldung zurückzuführen ist:
- Verlust des Arbeitsplatzes (20,2%)
- Erkrankung, Unfallfolgen oder Sucht (15,3%)
- Scheidung oder Trennung vom Partner, Tod des Partners (12,8%)
- Unwirtschaftliche Haushaltsführung (10,9%)
- Erfolglosigkeit mit einer selbstständigen Tätigkeit mit finalem Scheitern (8,4%)
Als weiteren Grund führt die Creditreform das Konsumverhalten an. In diesem Zusammenhang bezeichnet sie eine besonders auffällige Gruppe als die „Weiter-so“-Strategen. Hierbei handelt es sich um Mitglieder der Mittelschicht, die wirtschaftliche Einbußen erlitten, diese aber ignorieren, um ihren sozialen Status nicht zu verlieren. Sie halten an teuren Hobbies fest oder legen weiterhin Wert auf hochwertige Nahrungsmittel – alles kreditfinanziert.
Überschuldungsrisiko trotz Vollbeschäftigung
Eigentlich sollte das Eine das Andere zwar nicht ausschließen, aber zumindest reduzieren. Das Gegenteil scheint der Fall. Ein stabiler Arbeitsmarkt mit Arbeitsplatzsicherheit kann für den einen oder anderen durchaus zur Schuldenfalle werden. Der Umgang mit Krediten erfolgt leichtfertiger. Viele kleine Finanzierungen, hier ein Handy, da ein Laptop und das Wochenende in Rom wird mit einem Kleinkredit finanziert, führen in kürzester Zeit in der Kreditspirale nach unten.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Der Tagesspiegel – Immer mehr Rentner brauchen Sozialhilfe