Umfrage zeigt Schwierigkeiten für Senioren bei Finanzierungen
Viele unserer Best Ager verfügen im Herbst des Lebens über ein Eigenheim, das ihnen einen mietfreien Lebensabend garantiert. Aber, die Objekte wollen in Schuss gehalten und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden.
Eine Dachreparatur, eine neue Heizung, energetische Sanierungen oder auch der Umbau für ein barrierefreies Wohnen stemmt man nicht aus der Portokasse. Dazu braucht es einen Immobilienkredit, doch Senioren kommen nur schwer an das Geld, wie eine aktuelle Umfrage nahelegt.
In Kooperation haben die Verbraucherzentrale Bremen und der Deutsche Seniorenliga e.V. eine Umfrage unter den Vereinsmitgliedern gestartet und darum gebeten, die Erfahrungen hinsichtlich der Beantragung eines Immobilienkredits in der Zeit nach dem 21. März 2016 zu teilen.
Zu diesem Zeitpunkt trat in Deutschland die neue EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft. Dieses Werk aus Brüssel hat zwei parallel laufende Ziele:
- Der Markt soll vor einer Immobilienblase geschützt werden
- Verbraucher mit ungenügender Bonität sollen keine Immobilienkredite aufnehmen können
Ergebnisse der Umfrage
Im März 2017 wurden 305 Personen befragt, von denen 71 in der Zeit nach dem März 2016 versucht hatten, einen Immobilienkredit für den Kauf, Bau, Umbau oder die Renovierung des Eigenheims zu bekommen.
21 dieser Personen berichteten von Schwierigkeiten, was 30 Prozent der Zielgruppe entspricht. Bei 71 Prozent der Fälle wurde neben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie auch das Alter des Antragsstellers als Ablehnungsgrund genannt.
Leider liegen dem Deutsche Seniorenliga e.V. keine Daten zum Stand der Immobilienkreditvergabe an Senioren vor der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie vor. Das macht es im logischen Schluss momentan unmöglich fundiert zu erklären, dass nur die neue Richtlinie die Lage verschlimmert habe.
Eine gleichlautende Anfrage bei der Verbraucherzentrale Bremen wurde zum Redaktionsschluss noch nicht beantwortet. Sobald uns das Feedback vorliegt, werden wir es an dieser Stelle nachreichen.
Lektionen der Vergangenheit
Grundlage zur Erarbeitung der neuen Regularien für die Politiker in Brüssel war die jüngste Finanzkrise. Sie wurde durch eine Immobilienblase in den USA ausgelöst und hat bis heute spürbare Folgen in den Volkswirtschaften hinterlassen.
Damals wurden in den vereinigten Staaten Kredite für Hauskäufer und Häuslebauer vergeben, auch wenn deren Einkommenslage eine Kreditzusage nicht unterstützten. Diese Finanzierungen standen also von Anfang an auf wackeligen Beinen.
Da riskante Geschäfte sich leicht zu Spekulationsgeschäften machen lassen, wurden diese bedenklichen Finanzierungen zu Paketen geschnürt und als Investments verkauft. Wir wollen an dieser Stelle aber nicht zu tief auf die komplizierten Finanzjonglagen eingehen.
Am Ende kam es, wie es kommen musste: Die Blase platzte. Abertausende Immobilienkredite konnten nicht mehr bedient werden, den Kreditgebern ging die Luft aus, Banken meldeten die eigene Zahlungsunfähigkeit und das System kollabierte beinahe.
Damit sich so etwas in Europa erst gar nicht entwickeln kann, wurden in Brüssel Regelungen erdacht, die die Kreditwürdigkeitsprüfung definierten. Damit sollte sichergestellt werden, dass nur derjenige eine Baufinanzierung aufnimmt, der sie sich leisten kann. Das schützt sowohl den Kreditnehmer vor zu profitgetriebenen Kreditgebern als auch das System als Ganzes.
Kreditwürdigkeit bezeichnet die Bonität des Antragsstellers, also dessen Fähigkeit, das ausgeliehene Geld samt Zinsen innerhalb eines definierten Zeitraums zurückzubezahlen.
Dem gegenüber steht die Kreditfähigkeit, die lediglich abklärt, ob die juristischen Rahmenbedingungen für eine Kreditvergabe gegeben sind. Dazu zählt die Volljährigkeit, der Wohnsitz in Deutschland und die Geschäftsfähigkeit.
Schattenseite der neuen Regelungen
Bis hier klingt das alles sehr vernünftig und nachvollziehbar. Leider erlaubte es die neue EU Richtlinie den einzelnen Mitgliedstaaten, die Regeln strenger zu gestalten, wenn sie das für nötig erachteten. Und genau das wurde für den deutschen Markt getan. So zumindest die Meinung zahlreicher Beschwerdeführer.
Hauptkritikpunkt war, dass im Original die Kreditwürdigkeitsprüfung für den Bau und den Umbau/Renovierung einer Immobilie von den EU-Vorgaben ausgenommen wurden. Im deutschen Recht war das dann nicht mehr der Fall.
Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie | |
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EU Richtlinie 2014/17/EU | Deutsches Recht (BGB, KWG) |
Artikel 18 (1): | § 505a (1), BGB |
Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung werden die Faktoren, die für die Prüfung der Aussichten relevant sind, dass der Verbraucher seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommt, in angemessener Formberücksichtigt. | Der Darlehensgeber hat vor dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen. |
Artikel 18 (3): | § 505b (2), BGB und § 18a (4), KWG |
Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf sich nicht hauptsächlich darauf stützen, dass der Wert der Wohnimmobilie den Kreditbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass der Wert der Wohnimmobilie zunimmt, es sei denn, der Kreditvertrag dient zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie. | Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass in den Fällen des § 491 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Wert des Grundstücks oder in den Fällen des § 491 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 (Die Verweise auf §491 dienen der Definition für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge) der Wert des Grundstücks, Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt. |
Artikel 18 (5a): | § 505a (1), BGB und § 18a (1), KWG |
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Kreditgeber dem Verbraucher den Kredit nur bereitstellt, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag in der gemäß diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise erfüllt werden. | Der Darlehensgeber darf den Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, […] dass es bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird. |
Quelle: 2014/14/EU, BGB, KWG (Stand: 27.04.2017)
Da die EU „wirksame und abschreckende“ Maßnahmen gegen Kreditgeber forderte, die diesen Regelungen nicht oder nur ungenügend nachkommen, trieb es einigen Bankern den Angstschweiß auf die Stirn. Sollten sie nämlich Kredite nach eigenen Maßgaben vergeben, die nicht regelkonform wären, würden ihnen all diese Finanzierungen um die Ohren fliegen.
Das Problem für ältere Semester
Wenn nun ein Bank-Chef auf Nummer Sicher gehen will, schenkt er folgenden Formulierungen besondere Beachtung:
- „Die Kreditwürdigkeitsprüfung darf nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass […] Wert des Grundstücks, Gebäudes oder grundstücksgleichen Rechts voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt.“
- „Der Darlehensgeber darf den Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, […] dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird.“
Der erste Punkt kann so ausgelegt werden, dass der Wert einer Immobilie nicht mehr in die Kreditwürdigkeitsprüfung miteinbezogen wird. Das bedeutet, der Senior muss allein mit seinem Einkommen für die Kreditverpflichtung haften. Dass sein Eigenheim bereits Wert besitzt und noch an Wert gewinnt, wird vollkommen ausgeklammert.
Der zweite Punkt stellt auf die Lebenserwartung ab. Im Kreditvertrag wird festgeschrieben, wie lange der Finanzierung läuft. Kommen jetzt Sterbetafeln und Statistiken der Finanzierungsabsicht in die Quere, würde der vorsichtige Banker den Kredit verweigern. Dass die Erben die Finanzierung fortführen oder das Objekt verwertet werden kann, wird dabei vollkommen ausgeklammert, ebenso der individuelle Zustand des Antragsstellers.
Aus diesen beiden Hauptaspekten erwachsen den Senioren die Schwierigkeiten, von denen die Umfrage der VZ Bremen und des Seniorenliga Deutschland e.V. berichten.
Ein Silberstreif am Horizont?
Vielseitiger Protest durch diverse Interessensvertreter führte schließlich dazu, dass der deutsche Gesetzgeber von seinen unglücklichen Formulierungen wieder abrücken will. Am 21. Dezember 2016 bereits hatte das Bundeskabinett dazu den Entwurf zum neuen Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz beschlossen (2)(3).
Wir sprachen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Ein Sprecher erklärte uns, dass das Verfahren bereits fortgeschritten sei und höchstwahrscheinlich den Bundesrat bereits passiert habe (4).
Es besteht also guter Grund zur Hoffnung, dass die aktuell gültigen Paragrafen des BGB und des KWG zeitnah geändert werden und Senioren mit Schwierigkeiten somit leichter an die benötigten Finanzierungen kommen.
Immobilienkreditgeschäft seit der EU Wohnimmobilienkreditrichtlinie
In einer von Kreditvergleich.net durchgeführten Studie im Herbst 2016 konnte übrigens ermittelt werden, dass längst nicht alle Sparkassen und Volksbanken weniger Immobilienkredite vergaben. Ganz im Gegenteil, die Bankensektoren legten für Q2/2016 um 2,35 bzw. um 4,72 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zu.
Noch deutlicher wurde das Geschäft von den privaten Kreditbanken ausgebaut. Sie konnten im selben Vergleich eine Steigerung von 6,10 Prozent verzeichnen.
Den Senioren sei also gesagt: Es gibt Licht am Horizont. Erstens werden die Regeln in absehbarer Zeit gelockert und zweitens scheinen die Privatbanken weniger restriktiv bei der Kreditvergabe zu sein. Schauen Sie sich also um auf dem Markt, es muss nicht zwingend die Hausbank um die Ecke sein.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Verbraucherzentrale Bremen – Zu alt für einen Immobilienkredit?
(2) Bundesministerium der Finanzen – Anpassungen der Regelungen für die Wohnimmobilienkreditvergabe
(3) Deutscher Budnestag – Entwurf des Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz
(4) Deutscher Bundestag – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 29.03.2017 (PDF)