Vergeben Sparkassen in Wahljahren eher Kredite an Unternehmen?
„Lokalpolitiker nutzen Sparkassen zur Wiederwahl“ heißt es in einem Titel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Sofort kommt dabei ein Geschmäckle auf, das sich nicht schönreden lässt, und das noch schlimmer wird, wenn da zu lesen ist: das Ergebnis stammt aus einer wissenschaftlichen Analyse des IWH.
Das heißt: die FAZ hat nicht bloße Vermutungen in die Welt gestellt in ihrem Artikel, sondern es handelt sich um Tatsachen, die Ergebnis einer Studie des Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sind.
Grundlage der Analyse: die Sparkassen-Bilanzen von 1995 bis 2006
Für ihre Analyse haben die Wissenschaftler des IWH die Bilanzen aller 452 deutschen Sparkassen aus den Jahren 1995 bis 2006 ausgewertet. Die Bilanzen wurden mit den in jenen Jahren terminierten Wahlen verbunden und gleichzeitig um Konjunktureffekte bereinigt.
In Wahljahren niedrigere Zinsen für Unternehmenskredite
Wie die Wissenschaftler des IWH im Rahmen ihrer Analyse berechneten, wurden in den Wahljahren zusätzlich Kredite von insgesamt 3,4 Milliarden Euro vergeben.
„In Jahren, in denen Kommunalwahlen stattfanden, erhöhten die einzelnen Sparkassen ihre Unternehmenskredite im Durchschnitt um 7,6 Mio. Euro“, erklärt IWH-Präsident Reint E. Gropp im Pressestatement des Institut für Wirtschaftsforschung Halle zum Ergebnis der Analyse.
Mehrvergabe von Krediten im deutlichen zweistelligen Bereich!
Das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle kam auf das äußert erstaunliche Ergebnis, dass die Kreditvergabe der Sparkasse an Unternehmen in Wahljahren um 40 Prozent höher lag als in den Jahren, in denen keine Wahlen anstanden.
Die bislang bereits vermutete Ansicht, dass Lokalpolitiker durch die Verstrickungen zwischen Politik und Sparkassen die Wahl mittelbar beeinflussen, scheint durch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse des IWH seine Bestätigung zu finden.
Gesamtes Kreditvolumen in Wahljahren erhöht
Durch die verstärkte Kreditvergabe der jeweiligen Sparkassen in Wahljahren kam es gleichzeitig zu einem Anstieg des gesamten Kreditvolumens. Das durchschnittliche Volumen von Krediten stieg um 0,4 Prozent an.
Dies ist zwar auf den ersten Blick eine gute Sache, da Unternehmen mehr Kredite erhalten haben. Die Einflussnahme der Lokalpolitik auf die Vergabe der Kredite durch die Sparkassen dürfte jedoch als sehr bedenklich einzustufen und zu bewerten sein.
Schrumpfende Zinseinkünfte der Sparkassen nach Wahljahren
Zwar wurden laut der IWH-Analyse in den Wahljahren mehr Unternehmenskredite durch die Sparkassen vergeben, dafür sanken jedoch in der Folge zugleich die Zinseinkünfte der jeweiligen Geldinstitute.
Was unter dem Strich heißt: es wurden nicht nur mehr Kredite an Unternehmen vergeben in der Zeit vor den Wahlen. Zugleich wurden diese Kredite mit niedrigeren Zinsen als allgemein zu jenen Zeiten üblich vergeben.
Das heißt im Klartext: In Wahljahren wurden häufiger Unternehmenskredite vergeben und die waren gleichzeitig auch niedriger verzinst.
Zwar haben die Wissenschaftler des IWH bislang nur die Bilanzen der deutschen Sparkassen aus den genannten Jahren überprüft. Das eindeutige Ergebnis der Analyse lässt jedoch den Schluss zu, dass sich an der Kreditvergabe-Praxis an Unternehmen bei den Sparkassen bis dato kaum etwas geändert haben dürfte.
Lokalpolitik meets Sparkassen?
Dies ist keine angenehme Sache, welche die Wissenschaftler des IWH da herausgefunden haben. Dürfte dies doch eine Bestätigung der bereits seit längerem gehegten Vermutung aufzeigen, dass Lokalpolitiker über Vergabe von Sparkassenkrediten an Unternehmen gezielten Einfluss auf das Wahlverhalten nehmen.
Ist dies wirklich der Fall, wäre dies ein Schlag ins Gesicht für alle jene Lokalpolitiker, die bei Wahlen unterlegen sind, weil sie eben nicht dazu in der Lage waren, die Kreditvergabe zu beeinflussen. Es wäre ein Schlag ins Gesicht für all jene Wähler, deren Kandidaten und Kandidatinnen nur deshalb gescheitert sind.
Die enge Verbindung zwischen Sparkassen und Lokalpolitik ist nicht erst seit gestern bekannt. Bekommt nun aber, durch die Ergebnisse der Analyse des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle einen ganz neuen, sehr bitteren Geschmack.
Dies bestätigt auch IWH-Präsident Gropp: „Das wahlzyklische Kreditvergabeverhalten der Sparkassen deutet darauf hin, dass politische Erwägungen bei der Kreditvergabe in Wahljahren eine bedeutende Rolle spielen“. Gropp weiter: „das verzerrt die Kapitalallokation und möglicherweise auch die lokalen Wahlergebnisse.“
Begünstigt durch das dezentrale Wesen der Sparkassen
Anders als Großbanken, die zwar Filialen unterhalten, aber zentralisiert arbeiten, sind die Sparkassen in Deutschland dezentral aufgebaut. Die Sparkassenchefs in den einzelnen Regionen und Städten haben unter anderem dadurch sehr freie Hand bei der Vergabe von Unternehmenskrediten.
Nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) gibt es in Deutschland 422 Sparkassen. Dazu kommen sieben Landesbank-Konzerne, die DekaBank, zehn Landesbausparkassen (LBS) sowie einige andere Institute.
Durch ihre regionale Tätigkeit sind die Sparkassen gut vernetzt mit der Lokalpolitik und ihren Vertretern. Gerade wenn es um die Förderung von regionalen Projekten wie Sportförderung und Kulturforderung geht, findet sich hier oft eine große Schnittmenge.
Zudem zeigen sich die Sparkassenchefs immer wieder gerne zusammen mit Lokalpolitikern in die Öffentlichkeit. Was zwar mittelbar als Eigenwerbung für die Sparkassen gewertet werden kann, aber eben auch wieder einen Beigeschmack hat.