Vorfälligkeitsentschädigung: BGH stärkt Verbraucher
Zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hat der XI. Zivilsenat des BGH, unter anderem für Bankrecht zuständig, am 19.1.2016 ein Urteil gefällt, welches die Rechte der Verbraucher bei der intransparenten Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung weiter stärkt (AZ XI ZR 388/1).
Ausgangslage war die Klage eines Verbraucherschutzvereins gegen eine Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Sparkasse im Zusammenhang mit der Vergabe von Hypothekendarlehen.
In dieser Klausel heißt es „Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt.“
Die Konsequenzen des Urteils
Was bedeutet diese Aussage übersetzt für den Darlehensnehmer? Angenommen, die Restlaufzeit des Darlehens hätte noch drei Jahre betragen, die vorzeitig abgelöste Kreditsumme 70.000 Euro. Pro Jahr hat der Darlehensnehmer das Recht, eine entschädigungsfreie Sondertilgung von 10.000 Euro zu leisten.
Die Sparkasse berücksichtigt zum Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung die optionale Sondertilgung von insgesamt 30.000 Euro (10.000 Euro pro Jahr) nicht und berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung auf die vollen 70.000 Euro.
Der § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB besagt, dass derjenige, der einen Kreditvertrag vorzeitig kündigt, den Schaden zu ersetzen hat, der aus der vorzeitigen Kündigung heraus resultiert. Erstattungsfähig ist neben möglichen Verwaltungskosten aber nur der Zinsschaden, der die rechtlich geschützte Zinserwartung des Darlehensgebers beinhaltet.
Und genau an dieser Stelle hakt der BGH ein. Ein Sondertilgungsrecht stellt eben keine geschützte Zinserwartung für den Darlehensgeber dar. Im Gegenteil – die Sparkasse muss mit einer Sondertilgung rechnen, bezieht sie diese ja auch bei der Kalkulation des Sollzinses mit ein.
Laien werden durch AGB übervorteilt
Der XI. Senat monierte die AGB der Sparkasse und stellte klar, dass auch für die „rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden“ die Inhaltskontrolle der AGB, sofern diese abweichend von der gängigen Rechtslage sind, greifen muss.
Die Sparkasse hat mit der Einräumung des Sondertilgungsrechtes ihre geschützte Zinserwartung in vollem Umfang aufgegeben und kann diese nicht auf Umwegen (durch eine AGB –Klausel im Fall einer vollständigen vorzeitigen Ablöse des Darlehens) wieder zurückgewinnen.
BGH: „Nicht gerechtfertigte Überkompensation“
Vereinfacht formuliert verdient die Sparkasse im umstrittenen Fall doppelt. Mit dem Einräumen eines Rechtes auf Sondertilgung riskiert sie einen Zinsverlust. Dieses Risiko preist sie in den Nominalzins mit ein. Es kann also durchaus sein, dass ein Vertrag mit Recht auf Sondertilgung von vorneherein einen höheren Zinssatz aufweist, als ein Vertrag ohne dieses Recht.
Berücksichtigt das Kreditinstitut bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung das Sondertilgungsrecht nicht, bezahlt der Kunde doppelt. Der BGH sprach in diesem Zusammenhang von einer nicht gerechtfertigten Überkompensation.
Die Karlsruher Richter fanden in ihrer Urteilsbegründung harte Worte für die Beklagte. So hielten sie der Sparkasse unter anderem vor, ihre Kunden „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen“ zu benachteiligen.
Was bedeutet dieses Urteil für Kreditnehmer?
Verbraucherschützer bemängeln schon seit vielen Jahren die Intransparenz bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Die Verbraucherzentralen empfehlen daher grundsätzlich, die Berechnung der Bank von einem Fachmann überprüfen zu lassen.
Die Verbraucherzentrale der Stadt Hamburg hat dazu interessante Fakten ermittelt. In 40 Prozent der untersuchten Berechnungen wurden Abweichungen mit über zehn Prozent zuungunsten der Darlehensnehmer festgestellt.
Es bleibt die Frage, inwieweit das heutige Urteil auch rückwirkend für bereits abgewickelte vorzeitige Kündigungen noch Anwendung findet. Sollte dies der Fall sein, könnte auf die Bankenwelt eine ähnliche Klagewelle zu rollen, wie im Zusammenhang mit der rechtlich nicht zu vereinbarenden Kreditabschlussgebühr und der Kontoführungsgebühr für Konten, die ausschließlich der Abwicklung einer Baufinanzierung dienen.
Fazit
In den Medien taucht immer wieder die Aussage auf, die hiesigen Banken hätten einen großen Teil ihres Vertrauens bei ihren Kunden verspielt. Der vom BGH mit deutlichen Worten dargestellte Sachverhalt zeigt, dass diese Aussage durchaus begründet sein kann. Die in diesem Urteil nachgewiesene Praxis ist auf jeden Fall Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Kreditinstitute.