Kreditnehmer zahlen oft zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung
Der günstigste Kredit ist kein Kredit. Das gilt auch für Baufinanzierungen. Vor diesem Hintergrund ist vermutlich jeder Darlehensnehmer daran interessiert, sein Darlehen so rasch wie möglich zurückzuführen. Sondertilgungsrechte werden von vielen Banken angeboten, allerdings meist gegen eine Gebühr, der Vorfälligkeitsentschädigung. Die Vorgehensweise ist so umstritten, dass sich damit sogar eine eigene Arbeitsgruppe im Finanzministerium beschäftigte. Doch das Ergebnis war dürftig. Worauf müssen Bankkunden achten?
- Die Berechnungen für Vorfälligkeitsentschädigungen fallen häufig fehlerhaft aus.
- Darlehen mit einer Laufzeit von mindestens zehn Jahren können zum Ende des zehnten Jahres kostenfrei abgelöst werden.
- Zinszuschläge dürfen bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden.
- Zusätzliche Gebühren für die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzulässig.
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
Eine Bank und ein Kunde schließen einen Kreditvertrag mit einem für die vereinbarte Laufzeit unveränderlichen Zins ab. Die Zinsvereinbarung gibt beiden Seiten Sicherheit. Der Kunde weiß, dass die Bank keine Zinserhöhung vornehmen wird und die Bank kann für die Dauer der Zinsfestschreibung mit festen Einnahmen kalkulieren.
Kündigt der Darlehensnehmer den Vertrag vorzeitig, erleidet die Bank einen kalkulatorischen Zinsverlust. Für diesen Verlust hat sie gesetzlichen Anspruch auf eine Kompensation, die Vorfälligkeitsentschädigung.
Undurchsichtige Berechnungswege
Das Ergebnis der Arbeitsgruppe im Bundesministerium, die sich mit der Vorfälligkeitsentschädigung beschäftigt, war eher dürftig. Nach wie vor unterstellen die Verbraucherschützer den Banken, ihre Kunden bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu übervorteilen (1).
Eigentlich sollte die Vorfälligkeitsentschädigung für ein Immobiliendarlehen so transparent sein, wie für einen Konsumentenkredit. Der Gesetzgeber sagt, dass diese bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr maximal ein Prozent der Restschuld betragen darf, bei weniger als zwölf Monaten 0,5 Prozent.
Bei einer Baufinanzierung ist es leider nicht ganz so klar. Zunächst einmal stehen den Kreditinstituten zwei Berechnungswege zur Verfügung:
- Die Aktiv-Aktiv-Methode: Hier ermittelt sich die Zinskompensation aus dem Zinsschaden der Bank, wenn der künftige Zinssatz bei einer Neuausleihung den aktuellen Zinssatz unterschreitet.
- Die Aktiv-Passiv-Methode: Diese ermittelt zunächst die künftigen, nun ausgefallenen, Zahlungsströme. Diesen werden die Wiederanlagerenditen zu fiktiven Fälligkeiten von Pfandbriefen zum jeweiligen Zins- und Tilgungszeitpunkt gegenübergestellt. Die Differenz ergibt den Zinsschaden.
Die Krux an den Ermittlungsmethoden ist, dass beide für einen Laien kaum nachvollziehbar sind. Bedauerlich ist auch, dass bei Anwendung der Aktiv-Aktiv-Methode bei einem zwischenzeitlich erhöhten Zinssatz die Bank den Kunden nicht an dem künftigen Mehrertrag beteiligen muss, den sie durch seine vorzeitige Kündigung nun theoretisch erwirtschaften kann.
Die Tricks der Banken
Einer der ersten Fallstricke für Verbraucher wurde bereits vom Bundesgerichtshof im Jahr 2016 gekippt. Die Kreditinstitute haben gerne übersehen, dass ein Darlehensvertrag ein Sondertilgungsrecht vorsah. Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wurde die hypothetisch kostenfrei rückzahlbare Summe nicht berücksichtigt. Sieht der Vertrag eine mögliche Sondertilgung von zehn Prozent auf die Restschuld vor und diese beträgt 200.000 Euro, darf die Vorfälligkeitsentschädigung nur auf 180.000 Euro berechnet werden.
Risikozuschlag bei Zinsen darf nicht berücksichtigt werden
Fällt die Eigenkapitaldecke dünner aus als die üblichen 20 Prozent zuzüglich der Erwerbsnebenkosten, darf die Bank einen Risikozuschlag in den Zinssatz einpreisen. Dieser Zuschlag darf bei der Ermittlung des Zinsschadens durch vorzeitige Ablösung allerdings nicht berücksichtigt werden. Angenommen, der „reguläre“ Zinssatz beträgt drei Prozent, der individuelle Zuschlag für den Darlehensnehmer 0,5 Prozent, dürfen für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nur 3,0 Prozent Zinsen herangezogen werden und nicht 3,5 Prozent.
Zinsbindungen von zehn Jahren und mehr
Grundsätzlich darf ein Darlehen mit einer Zinsbindung von zehn Jahren und länger mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende des zehnten Jahres gekündigt werden. Der Bank steht in diesem Fall keine Vorfälligkeitsentschädigung zu.
Angenommen, ein Darlehensnehmer mit einer Finanzierungslaufzeit von 15 Jahren kündigt sein Darlehen nach acht Jahren, darf die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung nicht bis zum Ende der Zinsbindungsfrist berechnen. Zulässig ist die Berechnung nur bis zum zehnten Jahr.
Unzulässig sind auch die Gebühren, die manches Institut für die Berechnung und Mitteilung der Vorfälligkeitsentschädigung erheben möchte. Eine Bank ist per Gesetz dazu verpflichtet, den Verbraucher über die Höhe der auf ihn zukommenden Kosten zu informieren.
Was passiert, wenn die Bank das Darlehen vorzeitig kündigt?
Bei einer Vorfälligkeitsentschädigung liegt in der Regel die Prämisse zugrunde, dass der Darlehensnehmer den Vertag vorzeitig auflöst. Was passiert aber, wenn die Bank aufgrund unregelmäßiger oder ausbleibender Ratenzahlung den Kredit fällig stellt?
In diesem Zusammenhang gibt es ein bemerkenswertes Urteil des Bundesgerichtshofes (XI ZR 103/15) (2). Eine Sparkasse hatte zwei Darlehen aufgrund eines Zahlungsverzugs fällig gestellt und dem Darlehensnehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung berechnet. Dieser klagte dagegen. Die erste Instanz gab der Sparkasse Recht. Der Darlehensnehmer zahlte die Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt. Der Fall landete im Rahmen der Revision vor dem BGH. Dieser urteilte, dass die vorzeitige Ablösung des Kredits nicht durch den Kreditnehmer zu verantworten sei und die Sparkasse daher die geleistete Zahlung zuzüglich Zinsen zurückerstatten musste.
Fazit
Vor dem Hintergrund der hohen Quote an Falschberechnungen und teilweise undurchsichtigen Machenschaften der Kreditinstitute sollte jeder Darlehensnehmer, der eine Vorfälligkeitsentschädigung in höherer Summe entrichten soll, diese von einem Fachanwalt oder einer Verbraucherzentrale prüfen lassen. Die Zahlen der Verbraucherzentrale Hamburg belegen, dass die Chance auf eine Korrektur der Berechnung hoch sind. Immerhin geht es in den meisten Fällen um vierstellige Beträge zu Lasten der Kunden.
Quellen und weiterführende Links
(1) Verbraucherzentrale Hamburg – Vorfälligkeitsentschädigung: Nachrechnen lohnt sich!
(2) Bundesgerichtshof – Urteil des XI. Zivilsenats vom 19.1.2016 – XI ZR 103/15 – (Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung durch Bank unzulässig)