Was bedeutet der Brexit für deutsche Kreditnehmer?
Der Brexit ist beschlossene Sache. Die Briten wollen nicht länger in der EU bleiben. Die Auswirkungen dieser Entscheidung lassen sich derzeit nur erahnen. Das sorgt für Unsicherheit und hat die Finanzmärkte kurz nach Bekanntwerden des Ergebnisses bereits in tiefrote Vorzeichen gehüllt.
Doch was bedeutet das „No“ der Engländer für deutsche Kreditnehmer, wenn sie sich Geld bei Banken mit Stammsitz in Großbritannien geliehen haben?
Was ändert sich für bestehende Verträge?
Da im Moment nur feststeht, dass England die Europäische Union verlassen wird, laufen bestehende Verträge ganz normal weiter. Daran wird sich auch in den kommenden Wochen und Monaten nichts ändern. Denn es dauert voraussichtlich bis zu zwei Jahre, ehe die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Austritt geklärt sind.
Die Bank of Scotland informiert ihre Kunden
Darauf macht aktuell auch die Bank of Scotland aufmerksam. Wer die Kundenhotline des Unternehmens anruft, wird sofort auf die Informationen rund um den Brexit hingewiesen. Für die Kunden der Bank of Scotland Deutschland ändere sich dadurch (den Austritt aus der EU) momentan nichts. Weitere Aussagen dazu, welche praktischen Folgen sich aus der Wahlentscheidung ergeben könnten, seien zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.
Gleichzeitig weist das Bankhaus auf die Einlagensicherung hin – mit Blick auf die Tagesgeldanleger. Die Kapitalsicherung ist bei der Bank of Scotland zweigeteilt. Im ersten Schritt sind 75.000 Britische Pfund über das britische Einlagensicherungssystem (Financial Services Compensation Scheme) geschützt. Beträge darüber hinaus sichert bis 250.000 Euro die Mitgliedschaft im Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken ab.
Was passiert mit Krediten, wenn eine britische Bank Konkurs anmeldet?
Da der Brexit besonders den Finanzmarkt Englands tangieren wird, gehören Bankenpleiten zu einem möglichen Szenario. Was dann mit Krediten passiert, die (deutsche) Kunden aufgenommen haben, ist schwer zu prognostizieren.
Zunächst einmal wurden die Verträge nach aktuell geltendem Recht abgeschlossen. Daran ändert auch der Brexit nichts. Damit sind Kunden auch bei einer Pleite nach wie vor verpflichtet, die vereinbarten Raten zu zahlen.
Ob eine britische Bank ihrerseits das Recht hat, aufgrund finanzieller Probleme Kredite sofort fällig zu stellen, ist fraglich. Maßgeblich sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), zu denen der Kredit abgeschlossen wurde.
Gibt es keine feste Laufzeit, ist die Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich. Denkbar wäre auch ein Verkauf des Kredites an eine andere Bank bzw. ein Finanzunternehmen. Die Kreditkonditionen bleiben davon aber unberührt.
Wie werden sich die Kreditzinsen nach dem Brexit entwickeln?
Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Brexit stellt, und zwar sowohl Anlegern als auch Kreditnehmern: Wirkt sich der britische Austritt aus der EU auf die Zinsen aus? Die Antwort darauf: sehr wahrscheinlich! Die Unsicherheit an den Märkten wird, so sagen es Experten voraus, dafür sorgen, dass die Zinsen weiter sinken.
Das betrifft Einlagezinsen und Kreditzinsen gleichermaßen. Sparer haben teilweise bereits im Vorfeld des Brexit schmerzlich zu spüren bekommen, dass die Konditionen unter anderem für Tagesgeld leicht nach unten korrigiert wurden.
Erfreulich ist dieser Trend für alle, die planen, in naher Zukunft einen Kredit aufzunehmen. Sie können mit niedrigeren Zinsen rechnen. Allerdings wird es aller Voraussicht nach ein wenig dauern, bis die Brexit-Folgen bei Verbrauchern ankommen und sich in den Kreditkonditionen widerspiegeln. Denn Banken bereitet das Niedrigzinsumfeld schon jetzt viele Probleme, zumal die Gewinnmarge immer weiter schrumpft.
Für englische Verbraucher kann die Entscheidung, die EU zu verlassen, teuer werden – zumindest mit Blick auf das Kreditgeschäft. Erik Weismann, Chefökonom des US-Großinvestors MFS sieht die kurzfristigen Zinsen auf der Insel auch weiterhin eher auf einem niedrigen Niveau, wohingegen die längerfristige Zinsen, etwa bei Immobiliendarlehen, steigen. Als Grund nennt der Ökonom die Gefährdung der Kreditwürdigkeit Großbritanniens.
Lohnen sich jetzt Kredite in Pfund?
Das Britische Pfund hat der Brexit bereits jetzt mit voller Härte getroffen. Die Währung erlebt einen schwarzen Freitag und hat den tiefsten Stand seit 30 Jahren erreicht. Damit hatten viele Briten gerechnet und Pfund in Euro und Dollar gewechselt. Der Kursverfall bringt durchaus Vorteile, auch für Kreditnehmer, die einen Kredit in Pfund abgeschlossen haben und das Darlehen zeitnah tilgen müssen.
Daraus abzuleiten, dass es jetzt sinnvoll wäre, ein Fremdwährungsdarlehen in Britischen Pfund aufzunehmen, ist ein riskantes Spiel. Denn nicht nur die britische Währung schwächelt angesichts des Brexit. Auch der Euro leidet und verliert an Wert – wodurch der Kursvorteil gemindert wird. Wie sich die Devisenkurse auf lange Sicht entwickeln, ist mit einem großen Fragezeichen versehen. Daraus ergibt sich ein Risiko, dessen sich Kreditnehmer bewusst sein müssen.
Fazit: Abwarten und Tee trinken
Noch ist der Brexit zu frisch, als dass sich langfristige Konsequenzen abzeichnen könnten. Für bestehende Verträge ändert sich vorerst nichts. Für Verträge, die jetzt noch unterzeichnet werden, gelten die aktuellen Regeln. Was in Zukunft sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Darauf zu bauen, dass die Zinsen merklich sinken, ist sicherlich eine Option. Die Frage ist, wie lange man warten kann und möchte. Denn sicher ist derzeit nur eines: Bis der Brexit vollzogen ist, vergehen viele Monate. Von daher: Tee trinken und abwarten.
Quellen:
- Welt.de: Brexit kann Briten arm machen – aber Sie reich
- Die Presse: Ein schwarzer Freitag – nicht nur an den Börsen
- FMH: Schicksalswahl in Großbritannien: So könnten die Märkte reagieren
- Süddeutsche Zeitung: Dax stürzt um zehn Prozent ab
- Finanzen.ch: Markt: Bankenwerte stürzen nach „Brexit“-Entscheid ab – Versicherungen schwach
- Test.de: Brexit: Was passiert, wenn die Briten „Bye“ sagen?