Zahl der Baugenehmigungen für Wohnraum in Deutschland sinkt
Mieter, Politiker und Experten sind sich einig: Es fehlt in Deutschland an Wohnraum, vor allem an bezahlbarem Wohnraum in den Großstädten. Dennoch wurden von den Behörden in den ersten sieben Monaten 2017 weniger Baugenehmigen erteilt als im Vorjahreszeitraum. Das ergaben Berechnungen des Statistischen Bundesamts (Destatis).
So sank die Zahl der erteilten Baugenehmigungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden von rund 213.600 (Januar bis Juli 2016) auf etwa 199.400 (Januar bis Juli 2017), das bedeutet ein Minus von etwa 6,6 Prozent. In knapp 175.800 Fällen ging es dabei um Neubauten. Hier sank die Zahl der Genehmigungen gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent.
Abebben des Flüchtlingsstroms trägt zum Rückgang der Baugenehmigungen bei
Besonders stark gesunken sind die Genehmigungen von Wohnungen in Wohnheimen. Das Minus zum Vorjahr beträgt gut 4.000 Wohnungen bzw. 29,9 Prozent. Zu dieser Kategorie zählen unter anderem Flüchtlingsunterkünfte, sodass sich das große Minus auch mit dem Abebben des Flüchtlingsstroms im vergangenen Jahr erklären lässt.
Ebenfalls einen starken Rückgang gab es bei den Wohnungen, die durch bis Juli 2017 genehmigte Um- und Ausbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden entstehen sollen. Gab es 2016 noch rund 30.800 Genehmigungen, waren es dieses Jahr nur noch 23.600 – ein Minus von 23,3 Prozent.
Einen geringen Rückgang verzeichneten die Baugenehmigungen von Wohnungen in Einfamilienhäusern (rund 4.500 Wohnungen bzw. 7,7 Prozent weniger als 2016) und Zweifamilienhäusern (rund 100 Wohnungen bzw. 1,0 Prozent als zwischen Januar und Juli 2016).
Mehr Genehmigungen von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern
Doch nicht in allen Bereichen ist die Entwicklung rückläufig. So stieg die Zahl der Genehmigungen von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zwischen Januar und Juli 2017 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um etwa 1.800 Wohnungen bzw. 1,9 Prozent. Insgesamt wurden 96.300 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt – der höchste Wert im Vergleichszeitraum seit 20 Jahren.
Da das Plus jedoch moderat ausfällt, ist nicht damit zu rechnen, dass sich die angespannte Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt deutlich verbessert. Die Nachfrage wird in den großen Städten weiterhin größer sein als das Angebot. Für eine dauerhafte Entspannung des Wohnungsmarktes ist eine weitere Steigerung der Genehmigungen und umgesetzten Bauprojekte notwendig.
Die Zahlen im Überblick
Alle genauen Zahlen der Baugenehmigungen zwischen Januar und Juli 2017 können Sie der nachfolgenden Tabelle entnehmen. Die Werte sind außerdem den Zahlen aus dem Vorjahreszeitraum gegenüber gestellt. Das Zahlenmaterial wird herausgegeben vom Statistischen Bundesamt.
Gebäudeart | Genehmigte Wohnungen | |||
---|---|---|---|---|
Anzahl Januar – Juli | Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum |
|||
2017 | 2016 | absolut | in Prozent | |
Wohn- und Nichtwohngebäude (alle Baumaßnahmen) |
199.426 | 213.615 | – 14.189 | – 6,6 |
Neu errichtete Gebäude | 175.799 | 182.813 | – 7.014 | – 3,8 |
davon: | ||||
Wohngebäude | 172.675 | 179.594 | – 6.919 | – 3,9 |
– mit einer Wohnung | 53.507 | 57.999 | – 4.492 | – 7,7 |
– mit zwei Wohnungen | 13.220 | 13.354 | – 134 | – 1,0 |
– mit drei oder mehr Wohnungen | 96.275 | 94.447 | + 1.828 | + 1,9 |
– Wohnheime | 9.673 | 13.794 | – 4.121 | – 29,9 |
darunter: | ||||
– Eigentumswohnungen | 44.373 | 44.298 | 75 | 0,2 |
Nichtwohngebäude | 3.124 | 3.219 | – 95 | – 3,0 |
Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden | 23.627 | 30.802 | – 7.175 | – 23,3 |
Quelle: Statistisches Bundesamt
Behörden blockieren größere Baufortschritte
Doch woran liegt es, dass weniger Baunehmigungen erteilt werden? Schließlich sinkt nicht nur die Anzahl der Genehmigungen für Wohnheim, was mit der Vermindung für Flüchlingszahlen zu erklären ist. Trotz steigender Nachfrage nach Wohnraum sinkt die Zahl der Genehmigungen in fast allen Bereichen, von einem moderaten Anstieg bei den Wohnungen in Mehrfamilienhäusern abgesehen.
Eine schwächelnde Konjunktur oder fehlende Bauaufträge können nicht als Begründung herhalten. Wie die nachfolgende Statistik zeigt, werden Jahr für Jahr mehr Bauaufträge im Wohnungsbau erteilt. Die Dellen im Diagramm spiegeln lediglich saisonale Unterschiede wieder, der Trend zeigt jedoch stetig nach oben.
So liegt die Vermutung nahe, dass die Ämter die Bauaufträge nicht schnell genug bearbeiten bzw. die Genehmigungen in manchen Fällen auch verweigern. Der Rückgang der Baugenehmigungen im Wohnungsbau liegt also weniger im fehlenden Bauwillen begründet, sondern vielmehr in der Arbeit der Behörden, die die Bauaufträge genehmigen müssen. Eine effektivere und unbürokratischere Abwicklung der Bauaufträge könnte also die Not auf dem Wohnungsmarkt etwas lindern.
Auch die Zahlen für dieses Diagramm stammen vom Statistischen Bundesamt. Dieses verarbeitete die absoluten Werte für Bauaufträge im deutschen Wohnungsbau zu einem Indexwert. Für das Jahr 2010 wurde der Durchschnittsindex auf 100 festgesetzt.
Im Jahr 2016 lag der Wert bereits bei durchschnittlich 193,95. Das heißt, die Zahl der Aufträge im Wohnungsbau hat sich in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Werden die Werte für den ersten sechs Monate 2016 und 2017 gegenübergestellt, fällt auf, dass der Wert für 2017 (203,72) nicht unerheblich über dem von 2016 (194,22) liegt – und sich damit konträr zur Statistik der sinkenden Zahl der Baugenehmigungen entwickelt.
Denn, während die Zahl der Aufträge sich im Vergleichszeitraum um 4,8 Prozent erhöhte, sank die Zahl der Genehmigungen um 6,6 Prozent. Um den Mangel an Wohnungen, vor allem an bezahlbaren Wohnungen in Ballungszentren, auszugleichen, müssten Politik und Behörden intensiver an der Umkehr dieses Missverhältnisses arbeiten.