Der Widerrufsjoker – Baufinanzierung widerrufen dank Formfehler
Bauherren und Immobilienbesitzer, die zwischen dem 01.11.2002 und dem 10.06.2010 ein Darlehen zur Immobilienfinanzierung aufgenommen hatten, hatten häufig Anspruch darauf, den Vertrag wegen Formfehler zu widerrufen. Zumindest bis zum Juni 2016.
Das Schöne daran war: Die alten Kreditverträge hatten ein wesentlich höheres Zinsniveau als es aktuelle Verträge aufweisen. So ließen sich viele tausend Euro sparen.
Laut WirtschaftsWoche seien es im Durchschnitt etwa 15.000 € bis 20.000 € je Einzelfall gewesen. Etwa 80 Prozent der Immobilienfinanzierungen waren wohl betroffen. Ein Check lohnte also in jedem Fall.
Für die Banken ging es dabei um zig Milliarden Euro. Ein heißes Tauziehen also, bei dem alle Parteien das letzte aus der Sachlage herauszuholen versuchten. Der folgende Artikel entstand zu einer Zeit, als der Widerruf noch als Option zur Verfügung stand.
Mit der Einführung der sog. Wohnimmobilienkreditrichtlinie im März 2016 wurde festgelegt, dass der Widerrufsjoker sein Ende findet. Noch bis zum Juni 2016 konnten die Widerrufe für alte Kreditverträge eingereicht werden, ab dann galt und gilt ein neues Gesetz, das das Widerrufsrecht auf ein Jahr und vierzehn Tage begrenzt.
Ablauf beim Widerruf von Kreditverträgen
Folgendes Video zeigt anhand eines realen Beispiels, warum es sehr lohnend sein konnte, vom Widerrufsjoker zu profitieren:
Folgende Infografik leitet Sie Schritt für Schritt durch den Prozess des Widerrufs von Kreditverträgen. Angefangen bei den ersten Prüfungen, ob ein Widerruf für Sie in Frage kommt, bis hin zur eventuellen Klageerhebung.
[UPDATE, 19.10.2015]
Es wird eng für Bauherren mit teuren Altverträgen und fehlerhaften Widerrufsbelehrungen. Die politsche Kraft, die dem endlosen Widerrufsrecht einen Riegel vorschieben will, wird stärker. Wir konnten sogar ermitteln, aus welcher Richtung der Vorstoß kommt und wer vermutlich dafür verantwortlich zeichnet (18).
[ENDE UPDATE]
[UPDATE, 13.10.2015] Widerruf vermutlich nur noch bis Juni 2016 möglich
Nachdem bereits erste Gerichte den Widerrufsjoker als nicht vereinbar mit dem Widerrufsrecht angesehen haben, kommt nun dessen Ende von Seiten des Gesetzgebers voraussichtlich Mitte 2016 (17). Laut Finanztest 11/2015 überlegen Beamte des Bundesfinanzministeriums und Politiker, das Recht zum Widerruf zwischen 2002 und 2010 geschlossener Kreditverträge im Juni 2016 erlöschen zu lassen.
Damit beugen sich die Behörden dem Druck der Bankenverbände und ein Stückweit auch dem gesunden Menschenverstand. Das ganze schmeckt insbesondere den Verbraucherzentralen zwar gar nicht aber die schiere Flut an Widerrufen zeigt, dass hier eine Vertragspartei das aktuelle Niedrigzinsniveau ausnutzen will, um aus der teuren Baufinanzierung auszusteigen und billiger zu refinanzieren.
Dass das nicht im Sinne eines Vertrages sein kann, offenbart sich spätestens bei dem Gedankenspiel was wäre, wenn wir heute höhere Zinsen als damals hätten. Richtig: dann würde kein Verbraucher den Widerrufsjoker nutzen.
[ENDE UPDATE]
Erste Gerichte spielen nicht mehr mit beim Widerrufsjoker
Tausende Verbraucher machten seit 2014 von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen bei Darlehensverträgen Gebrauch, um die aktuell niedrigen Zinsen im Rahmen einer Umfinanzierung zu nutzen und den alten Darlehensvertrag mit höheren Zinsen loszuwerden. Immer mehr Gerichte machen bei dieser im Grunde missbräuchlichen Nutzung des Widerrufsrechts nicht mehr mit.
Das Widerrufsrecht stellt im eigentlichen Sinn ein Reuerecht dar und soll Verbraucher vor langfristigen vertraglichen Verpflichtungen schützen, die er womöglich übereilt oder überstürzt eingegangen ist. Basierend darauf setzt sich vor Gericht immer öfter die Erkenntnis durch, dass der so genannte „Widerrufsjoker“ mit dem ursprünglichen Sinn des Widerrufsrechts nicht vereinbar ist.
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.03.2015 (Az. 2-21 O 253/14)
In einem Urteil vom 04. März 2015 urteilten die Richter am Landgericht Frankfurt am Main erneut und stellten unter dem Az. 2-21 O 253/14 fest, dass eine Widerrufsmöglichkeit eine kurzfristige Möglichkeit zur Lösung von einem Vertrag darstelle und der klagende Darlehensnehmer im Hinblick auf das von ihm zitierte Widerrufsrecht nicht mehr schutzbedürftig sei.
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.04.2015 (Az. 2-25 O 518/14)
Ein Verbraucher, der nach meist reichlicher Prüfung einen Darlehensvertrag abschließt und diesen jahrelang anstandslos bedient, kann selbigen nicht aufgrund eines Formfehlers widerrufen, nur um vom günstigeren Zinsniveau zu profitieren. Zu diesem Schluss kam das Landgericht Frankfurt am Main in seinem am 26. April 2015 ergangenen Urteil (Az. 2-25 O 518/14). Das Gericht befand, dass ein Verbraucher das Widerrufsrecht nicht zu einem beliebigen Zweck instrumentalisieren könne, auch wenn es für die Ausübung desselben keines Grundes bedürfe.
Ähnliche Urteile ergingen auch am Landgericht Hamburg (Az. 309 O 37/14), am Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-21 O 139/13; 2-19 O 201/14 und 2-25 O 370/14).
Ersetzen eines Kreditvertrags durch einen günstigeren
Will man unter normalen Umständen einen höher verzinsten Kreditvertrag durch einen mit günstigeren Konditionen ersetzen, spricht man von einer Umschuldung.
Da Banken aber mit den Zinseinkünften aus dem alten Kreditvertrag gerechnet haben, lassen sie sich einen früheren Ausstieg bezahlen. Diese Gebühr wird Vorfälligkeitsentschädigung genannt. Daher war es bisher ein Rechenbeispiel, ob sich die günstigeren Zinsen im Gegensatz zur fälligen Vorfälligkeitsentschädigung durchsetzen konnten.
Dank des sogenannten Widerrufsjokers ist das für Kreditnehmer unter Umständen allerdings anders. Immer dann, wenn die Belehrung über das Widerrufsrecht des Darlehensnehmers nicht korrekt umgesetzt wurde, kann der Verbraucher seinen Vertrag widerrufen.
Wir sprachen mit dem Fachanwalt für Bank- und Kapitalrecht Dr. Jochen Strohmeyer der Kanzlei mzs aus Düsseldorf (1). Er sagt dazu:
„Da für die Zeit von November 2002 bis Mitte 2010 gilt, dass die Banken/Sparkassen überaus häufig mit fehlerhaften Widerrufsbelehrungen gearbeitet haben, könnten Sie damit zu denjenigen zählen, denen Rechtsansprüche zustehen könnten. Hintergrund ist, dass der Bundesgerichtshof (BGH, Aktenzeichen XI ZR 156/08) in einem von uns in den Vorinstanzen betreuten Verfahren die vom Bundesverband Deutscher Banken entworfene Widerrufsbelehrung als unwirksam angesehen hat (2). Als Folge können tausende Darlehensnehmer mit dieser Widerrufsbelehrung ihren Darlehensvertrag auch noch Jahre nach dem Abschluss des Darlehensvertrags widerrufen.“
Die Vorteile beim Widerrufsjoker für Immobilienkredite
Sollte die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sein, kann der Vertrag quasi für unwirksam erklärt werden. Warum? Weil Sie praktisch keine Möglichkeit hatten, von Ihrer Widerrufsoption Gebrauch zu machen.
Das bedeutet, die erwähnten 14 Tage haben noch nicht angefangen zu laufen und Sie können den Widerruf geltend machen. Für diese Option gibt es keine Verjährungsfrist, das Recht auf Widerruf steht Ihnen also immer zur Verfügung, egal wie lange Ihre Immobilienfinanzierung schon läuft.
Im Ergebnis wird der Vertrag rückabgewickelt. Sie nehmen einen neuen Kreditvertrag zu aktuellen, wesentlich günstigeren Konditionen auf und lösen damit den alten Kreditvertrag ab.
Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Widerruf
Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt nicht an. Sie lösen den Vertrag definitionsgemäß nicht vorzeitig auf, sondern üben faktisch Ihr Widerrufsrecht aus, quasi so, als ob sie kurz nach Vertragsunterschrift Ihre Meinung geändert hätten. Als wäre nichts gewesen. Dieser Zustand muss nun wieder hergestellt werden. Sie brauchen eine völlig neue Finanzierung.
Reichlich rückwirkende Verzugszinsen
Darüber hinaus muss Ihnen die Bank die bereits bezahlten Gelder verzinsen. Dazu wird der gesetzliche Standard herangezogen, der bei 5 Prozent über dem Basiszinssatz liegt (Unsere Schwesterseite basiszinssatz.de gibt Ihnen zum Thema Verzugszinsen alle relevanten Informationen und eine Übersicht über die Entwicklung der Verzugszinsen (3). Für Sie ist die mittlere Spalte relevant: Verzugszinssätze bei Verbrauchergeschäften).
Wichtig bei der Berechnung des Verzugszinses ist übrigens nicht das aktuelle Zinsniveau, sondern das, was zum Zeitpunkt der jeweiligen Ratenzahlung gültig war. Dieser Umstand spielt den Verbrauchern gut in die Karten: Diese Verzinsung wird nämlich immer höher, je weiter man in die Vergangenheit blickt, zumindest bis zum ersten Halbjahr 2008.
Wesentlich bessere Zinskonditionen für neuen Kreditvertrag
Da Sie Ihren Kreditvertrag widerrufen, wird der Zustand hergestellt, wie er vor Beginn des Darlehensvertrages war. Das heißt, die Bank oder Sparkasse erstattet Ihnen Ihre monatlichen Kreditraten zurück. Mehr dazu weiter unten beim Thema Rückabwicklung.
Die Bank bezahlte damals Ihre Kosten für den Bau oder den Kauf einer Immobilie. Diese Kosten müssen Sie der Bank natürlich erstatten.
Daher lässt sich Rückabwicklung wie folgt definieren: jeder bekommt wieder, was damals seins war, es wird der Urzustand wiederhergestellt.
Zur Absicherung haben Sie eine Grundschuld zu Gunsten der Bank eingetragen. Die Bank gibt die Löschung dieser Grundschuld erst dann frei, wenn sie ihr Geld wieder bekommen hat. Dieses Geld organisiert der ehemalige Darlehensnehmer durch einen neuen Kreditvertrag zu wesentlich besseren Konditionen, als er sie vielleicht 2007 akzeptiert hat.
Auch wenn heute die günstigsten Bauzinsen auf dem Markt zu haben sind, sollte nicht vorschnell investiert werden. Gleichzeitig sind nämlich die Immobilienpreise stellenweise stark in die Höhe geschnellt. Daher lohnt sich der Vergleich zwischen Miete und Kaufpreis heute vielleicht mehr denn je.
[UPDATE, 10.12.2015]
OLG Stuttgart berechnet Rückabwicklung nachteilig für den Bankkunden
Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 24.11.2015 (Az. 6 U 140/14), eine neue Berechnungsweise für die Rückabwicklung einer Baufinanzierung definiert (4). Damit ändert sich Elementares für den Kreditnehmer:
- Dem Bankkunden stehen Verzugszinsen nur für die bezahlten Kreditzinsen zu, nicht aber für die Tilgungsleistungen
- Der Verzugszins beträgt nur 2,5 Prozent über dem Basiszinssatz und keine 5 Prozent wie in unserem Rechenbeispiel
Im Ergebnis bedeutet das für den Kunden eine erhebliche Schlechterstellung. Im Dezember 2015 beträgt der Basiszinssatz minus 0,83 Prozent. Der Darlehensnehmer erhält somit einen Verzugszins auf die geleisteten Zinszahlungen von 1,67 Prozent (-0,83 + 2,50) anstatt 4,17 Prozent (-0,83 + 5,00).
Mit diesem Verzugszinssatz, den er von der Bank als Nutzungsentschädigung bekommt, liegt der Darlehensnehmer mit ziemlicher Sicherheit unter dem Darlehenszins, den er bisher an die Bank geleistet hat. Und da sich die Berechnungsgröße durch die Außerachtlassung der Tilgungsleistung erheblich verkleinert, muss jeder für sich erneut abwägen, ob in einem solchen Fall ein Widerruf sinnvoll und wirtschaftlich ist.
Wir sprachen erneut mit Dr. Jochen Strohmeyer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Düsseldorfer Kanzlei mzs (5):
„Einige Gerichte folgen Bereits der Einschätzung des Stuttgarter OLG, aber der vorherrschenden Auffassung entspricht diese Regelung nicht. Ich gehe davon aus, dass eine Grundsatzentscheidung des BGHs in absehbarer Zukunft Klarheit schaffen wird und dem Kreditnehmer einen Verzugszins von 5 Prozent über dem Basiszinssatz garantiert.“
Seiner Einschätzung nach, dürften etwa ein Drittel der deutschen Gerichte den Stuttgartern folgen, die Mehrheit berechnet die Rückabwicklung allerdings so, wie wir es exemplarisch im kommenden Abschnitt vorrechnen.
[ENDE UPDATE, 10.12.2015]
Sehr lohnenswerter Nebeneffekt – geringere Kreditsumme
Dadurch, dass dem Darlehensnehmer alle bisher bezahlten Tilgungsleistungen nebst Verzugszinsen zustehen, bekommt er von der bisherigen Darlehensbank theoretisch einen großen Batzen Geld ausbezahlt. Diesen verwenden clevere Kreditnehmer um die Schuld bei der Bank zu begleichen und besorgen den Rest der Summe mit einem neuen Kredit. Dadurch wird der neue Kredit in seiner Summe geringer ausfallen.
Zur Veranschaulichung:
Die damalige Kreditsumme betrug 200.000 €. Er zahlte auf das Baugeld 4,6 Prozent und tilgte jährlich 2 Prozent.
4,6% + 2%= 6,6% von 200.000 € = 13.200 € pro Jahr => 1.100 € pro Monat
Nach sieben Jahren hat der Bankkunde insgesamt 32.959,61 € an Tilgungsleistungen und 59.440,39 € an Zinsen bezahlt, wie untere Tabelle ergibt.
Jahr | Verbleibende Kreditschuld | Bezahlte Tilgung | Bezahlte Zinsen | Jährliche Rate | Verbleibende Kreditschuld |
---|---|---|---|---|---|
Jahresanfang | 12 * 1.100,- € | Jahresende | |||
2008 | 200.000,00 € | 4.085,42 € | 9.114,58 € | 13.200 € | 195.914,58 € |
2009 | 195.914,58 € | 4.277,36 € | 8.922,64 € | 13.200 € | 191.637,22 € |
2010 | 191.637,22 € | 4.478,32 € | 8.721,68 € | 13.200 € | 187.158,89 € |
2011 | 187.158,89 € | 4.688,73 € | 8.511,27 € | 13.200 € | 182.470,17 € |
2012 | 182.470,17 € | 4.909,10 € | 8.290,99 € | 13.200 € | 177.561,16 € |
2013 | 177.561,16 € | 5.139,65 € | 8.060,35 € | 13.200 € | 172.421,51 € |
2014 | 172.421,51 € | 5.381,12 € | 7.818,88 € | 13.200 € | 167.040,38 € |
Summe: | 32.959,61 € | 59.440,39 € | 92.400 € |
Die Bank oder Sparkasse muss bei erfolgreichem Widerruf dem Darlehensnehmer 92.400 € zuzüglich Verzugszinsen zurückzahlen. Die Verzugszinsen betragen 5 Prozent über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Am Ende einer langen Rechnung ergibt das knappe 5.100 €. Im Ganzen sind das circa 97.500 €.
Im Gegenzug muss der Kreditnehmer dem Kreditinstitut den erhaltenen Darlehensbetrag zurückzahlen, der ebenfalls zu verzinsen ist. Nimmt man die 4,6 Prozent aus dem ursprünglichen Kreditvertrag ergibt das eine Schuld an die Bank von etwa 200.000 € Darlehen + 74.000 € Zinsen = 274.000 €.
Klingt im ersten Moment nach einen sehr schlechten Geschäft für den Bankkunden. Der eigentliche Vorteil wird aber schnell deutlich:
- Anfang 2008 finanzierte der Bankkunde 200.000 € zu 4,6 % und wollte 2 % tilgen. Der Kredit wäre nach 26 Jahren zurückbezahlt.
- Anfang 2015 benötigt der Kunde 176.500 € frisches Geld (274.000 € [Rückabwicklung an die Bank] minus 97.500 € [Rückabwicklung von der Bank]). Das kann er sicherlich zu 2,5 % aufnehmen. Die Laufzeit bei derselben monatlichen Darlehensrate betrüge etwa 16 Jahre.
Bitte nicht vergessen: Nach der Rückabwicklung beginnt alles bei Null. Dass bereits sieben Jahre lag Kreditraten bezahlt wurden zählt nicht wirklich, da das Geld wieder an den Bankkunden zurückfließt. Allerdings wohnt der Darlehensnehmer bereits in seinem neuen Eigenheim. Das muss natürlich noch zu Ende finanziert werden.
Wenn die Jahre gezählt werden, die der Kunde unter der Last eines Immobilienkredites steht, verkürzt er die die Gesamtdauer seiner Finanzierung um mehr als drei Jahre. 16 Jahre Restlaufzeit plus bereits absolvierte 7 Jahre macht zusammen 23 Jahre. Zum Vergleich: Der erste Finanzierungsplan sah 26 Jahre für die vollständige Abbezahlung des Bankdarlehens vor.
Machen wir sehr vereinfachte Beispiele zum neuen Kredit auf:
Vorteil 1:
Der neue Kredit beträgt 176.500 €. Seine Zinsbelastung ist wegen der niedrigeren Kreditsumme auch bei gleichen Konditionen niedriger als es beim alten Kredit der Fall gewesen war:
2008: 200.000 € * 4,6 % = 9.200 € pro Jahr
2015: 176.500 € * 4,6 % = 8.119 € pro Jahr
Vorteil 2:
Das niedrigere Zinsniveau von 2,5 % spielt dem Darlehensnehmer gut in die Karten:
2008: 200.000 € * 4,6 % = 9.200 € pro Jahr
2015: 200.000 € * 2,5 % = 5.000 € pro Jahr
Vorteil 3:
Durch die insgesamt kürzere Laufzeit spart sich der Bankkunde ebenfalls richtig viel Geld. Wieviel das genau wäre, liegt an den individuellen Rahmenbedingungen des neuen Kreditvertrages. Lesen Sie dazu auch die folgenden Abschnitte Möglichkeiten 1 bis 3.
Zwischenfazit
Atemberaubend wird es, wenn man beide Vorteile kombiniert, also die niedrigere Kreditsumme und den niedrigeren Zinssatz:
2015: 176.500 € * 2,5 % = 4.412,50 € pro Jahr
Das Ergebnis in unserem vereinfachten Beispiel könnte nicht deutlicher sein. Allein der Zinsvorteil am Beginn der Finanzierung beträgt beinahe 4.800 € pro Jahr. Zur Erinnerung: Dieses Beispiel geht davon aus, dass der Kreditnehmer jeweils am Anfang der Finanzierung steht.
Diese Betrachtungsweise ist legitim, da durch die Rückabwicklung alles an Kreditzahlungen, die er bereits geleistet hat, wieder an ihn zurückfließen.
Wie diese Rückabwicklung genau funktioniert beschreibt der Absatz „Was genau passiert bei einer Rückabwicklung“ etwas weiter unten.
Drei Möglichkeiten nach dem Kreditwiderruf weiterzumachen
1. Möglichkeit – Gleicher Tilgungssatz, niedriger Zins: die monatliche Rate wird günstiger
Sie bleiben bei den bisherigen Tilgungsraten, profitieren von den niedrigeren Zinsen und freuen sich über eine geringere monatliche Belastung. Allerdings führ das zu einer verhältnismäßig längeren Laufzeit. Warum das so ist, erklärt der Zins und Tilgung Ratgeber unserer Schwesterseite baufinanzierungsrechner.net im Detail und anhand einer Infografik (6).
Ein kurzes Beispiel erklärt den Effekt:
Ein Bauherr benötigt 200.000 € und möchte 2 Prozent tilgen. Er überlegt zwei Alternativen: Angebot A ermöglicht ihm ein Darlehen zu 1,50 Prozent; Angebot B bietet ihm 2,50 Prozent.
Daraus folgt:
- Angebot A errechnet als Rate: 2% + 1,5% = 3,5% von 200.000 € => 7.000 € pro Jahr oder 583,33 € pro Monat
- Angebot B errechnet als Rate: 2% + 2,5 % = 4,5% von 200.000 € => 9.000 € pro Jahr oder 750,00 € pro Monat
Die am Anfang berechnete Rate bleibt in aller Regel über die Laufzeit gleich, also wie in den Beispielen 583,33 € oder 750,00 €. Da der Bauherr jedes Jahr einen Teil der geschuldeten Summe tilgt, die Schulden also abbaut, verringert sich der Restschuldbetrag.
Auf diesen Restschuldbetrag werden die Zinsen neu berechnet. Wird dieser Teil immer kleiner, werden logischer Weise auch die Zinszahlungen immer kleiner. Bleibt die monatliche Rate jedoch immer konstant, nimmt in der Folge der Tilgungsanteil zu. Der Kredit oder genauer die Restschuld, baut sich daher mit zunehmender Laufzeit immer schneller ab.
Rechnet der Bauherr die Finanzierungspläne A und B gegen, stellt er fest, dass nach 20 Jahren Laufzeit
- im Beispiel A noch eine Restschuld von etwa 47.600 € in den Büchern steht. Die Laufzeit dieses Darlehens beträgt 32 Jahre.
- beim Finanzierungsplan B sind es nur noch etwa 34.500 €, die gesamte Laufzeit beträgt 26 Jahre.
2. Möglichkeit – Gleiche Monatsrate, niedriger Zins: Tilgungssatz wird höher
In diesem Beispiel bleiben Sie bei Ihren bisherigen monatlichen Belastungen. Der Anteil des Tilgungssatzes an der monatlichen Rate wird dank des niedrigeren Zinsniveaus höher ausfallen. In dieser Variante erzielen Sie eine deutlich kürzere Restlaufzeit, als es noch bei Ihrem alten Kreditvertrag der Fall gewesen wäre. Hintergrund ist der wesentlich schnellere Abbau der Restschuld.
3. Möglichkeit – Kombinieren Sie die positiven Aspekte
Sie kombinieren die ersten beiden Ansätze und gehen einen Mittelweg. Verglichen mit dem alten Kreditvertrag zahlen Sie monatlich etwas weniger, gewinnen also an finanziellem Spielraum für Ihren Alltag und verkürzen gleichzeitig die Gesamtlaufzeit des Darlehens etwas. Sie werden also ein wenig schneller fertig mit Ihren Rückzahlungen.
Grundlage des Widerrufs
Seit 2002 sind Banken dazu verpflichtet, Immobilienkredite mit einer Widerrufsoption von 14 Tagen auszustatten und die Kunden darüber zu informieren. Der Gesetzgeber hat dafür Regelungen erlassen, an die sich alle Finanzdienstleister zu halten haben. Allerdings wurden sehr viele Verträge mit Widerrufbelehrungen verfasst, die entweder zu unpräzise oder unverständlich waren.
Die rechtlichen Grundlagen zum Widerruf Ihres Immobilienkredites finden sich im BGB. Die § 355 (7) und § 495 (8) legen die Basis und bestimmen, dass Ihnen in verständlicher und in den Unterlagen hervorgehobener Form erklärt werden muss, dass Sie
- ein Widerrufsrecht haben und
- wie Sie dieses Recht in Anspruch nehmen können
Wörtlich formuliert der BGH folgendermaßen (9):
Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben.
Dieser Schutz ist als Stärkung der Verbraucher zu verstehen, die so vor übereilten oder schlecht überlegten Kurzschlusshandlungen geschützt werden sollten. Die Folgen einer Immobilienfinanzierung sind weitreichend und wirken langfristig. Der entsprechende Entschluss dazu muss also auf absolut soliden Füßen stehen. Daher die Möglichkeit, es sich noch einmal anders zu überlegen.
Ist dieses Taktieren rechtens und sinnvoll?
Es klingt nach einem simplen Formfehler und das ist es auch. Die moralisch/ethische Seite dieser Angreifbarkeit von Kreditverträgen kann sehr kontrovers diskutiert werden. Schließlich hatten sich beide Parteien – Bank und Kunde – auf einen Immobilienkredit geeinigt. Die Konditionen waren allen Beteiligten bekannt und wurden akzeptiert.
Nichts desto trotz sind die Banken verpflichtet, bei Formfehlern die Konsequenzen zu tragen. Liest man die eine oder andere Widerrufsbelehrung, ist das auch moralisch nicht immer verwerflich. Verklausuliert eine Bank wichtige Vertragspassagen in einer Art und Weise, dass sie übermäßig kompliziert und missverständlich werden, ist das aus Kundensicht alles andere als in Ordnung.
Der Widerruf eines Baukredites kann für den Kunden rein finanziell sehr sinnvoll sein. Im Durchschnitt können je Finanzierung 15.000 € bis 20.000 € gefordert werden.
Alternativen zum Widerrufsrecht:
Was machen Bankkunden, die in einem Kreditvertrag mit teuren Kreditkonditionen stecken, deren Widerrufsbelehrung aber rechtens ist? Sind Sie gefangen bis zum Ende der Vertragslaufzeit?
Eine Möglichkeit, die keinem Kreditnehmer auf die Nase gebunden wird, ist die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung. Dieses Recht wird durch das BGB § 489 garantiert (10). Dort heißt es:
Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen, […] in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten.
Das bedeutet: Sobald Sie die volle Kreditsumme erhalten haben beginnt der Countdown. Auch bei einer 20 jährigen Zinsfestschreibung können Sie den Kreditvertrag nach zehn Jahren ordentlich kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.
Wichtig: Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt bei einer ordentlichen Kündigung nicht an.
Bei größeren Bauvorhaben, bei denen die Gelder je nach Bauabschnitt abgerufen werden, dauert es natürlich, bis das Darlehen zur Gänze ausbezahlt wurde. Noch gravierender werden diese Situationen, wenn es zum Streit mit dem Bauträger kommt. Oftmals bleiben dann Gelder bei der Bank bis der Streit geklärt ist und etwaige Mängel beseitigt wurden. Auch in diesen Konstellationen kommt es auf den Zeitpunkt an, an dem das Darlehen vollständig ausbezahlt wurde.
Was ist noch wichtig beim Widerruf von Baukrediten?
Für wen gelten die Regelungen zum Widerruf von Immobilienkrediten?
Den Darlehensvertrag prüfen lassen kann grundsätzlich jeder, der einen Baukreditvertrag nach dem 01.11.2002 aufgenommen hat. Läuft der Kredit noch, haben Sie die Chance, schadfrei den alten und teuren Kreditvertrag durch einen zu ersetzen, der Ihnen die aktuellen günstigen Konditionen bietet.
Sollte Ihr Kreditinstitut trotz laufenden Kreditvertrages etwas von Verjährung erzählen, braucht Sie das nicht zu schrecken. Das Widerrufsrecht verjährt nämlich nicht.
Haben Sie Ihren Kredit bereits abbezahlt, müssen Sie sich nicht unbedingt ärgern. Wir haben Meinungen im Zuge unserer Recherchen gehört, wonach auch Kredite bis zu fünf Jahren nach deren Abzahlung rückabgewickelt werden können. Ab dann sei es allerdings eher unwahrscheinlich gegen das Argument der Verwirkung durch die Banken anzukommen.
Mit wehenden Fahnen die Banken stürmen?
Davon raten wir dringend ab. Auch wenn Sie einen Vertrag haben, den Sie erfolgreich wegen des Widerrufrechts anfechten können, müssen Sie die weiteren Konsequenzen bedenken. Ihre aktuelle Bank ist ein Unternehmen, dem Sie vertrauen und mit dem Sie schon lange zusammenarbeiten.
Dieses Vertrauen wird unter Garantie nachhaltig beeinflusst. Suchen Sie zunächst das Gespräch. Mit etwas Glück lenkt Ihre Bank ein und bietet Ihnen eine außergerichtliche Lösung in Form eines verbesserten Kreditangebots.
Wird mir meine Bank entgegenkommen?
Davon dürfen Sie wohl eher nicht ausgehen. Aus deren Sicht ist ein Vertrag zustande gekommen und Kunden machen reine Formfehler geltend, die nichts mit dem Kern des Vertrages zu tun haben. Sie argumentieren, dass es anders herum ebenfalls unsauber wäre, wenn die Banken bei einem höheren Zinsniveau Verträge auflösen könnten, um mehr Zinsen durch Neuverträge abzukassieren.
Tatsächlich geht die Empörung der Geldhäuser so weit, dass viele keine Neukunden aufnehmen, die bei einer anderen Bank von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht haben. Da Banken nicht verpflichtet sind, einen Kreditantragssteller anzunehmen, kann der Einzelne dagegen auch nicht viel machen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg akzeptiert diese Demonstration von Solidarität zwischen den Banken und Sparkassen nicht und hat eine Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Damit ist sie nicht allein, auch Anwaltskanzleien haben Beschwerden zu Gehör gebracht.
Wir haben nachgehakt beim Bundeskartellamt:
„Es sind mehrere Beschwerden bei uns eingegangen. Bis zum aktuellen Datum wurde allerdings noch kein Beschluss darüber gefasst, ob das Bundeskartellamt in der Sache aktiv werden wird“, so Herr Detering vom Bundeskartellamt am 08.01.2015.
Tipps der Redaktion für unsere Leser, die einen Widerruf geltend machen wollen
- Prüfen Sie selbst Ihren Kreditvertrag anhand der Musterbelehrungen, die der Gesetzgeber zur Verfügung gestellt hatte (11).
- Nutzen Sie die Möglichkeit und lassen Sie Fachleute wie Anwälte oder Verbraucherschützer ebenfalls sehen, ob Sie eine Chance haben.
- Sprechen Sie mit Ihrer Bank nur über die Möglichkeit eines Widerrufs und schaffen Sie nicht sofort Tatsachen. Geben Sie ihr die Chance Ihnen ein neues Angebot zu machen.
- Suchen Sie parallel nach Alternativen. Unser Baufinanzierungsvergleich hilft Ihnen bei der Suche nach günstigen neuen Darlehen.
- Bedenken Sie, dass Ihr bisheriges Kreditinstitut als Gläubiger im Grundbuch steht. Man wird der Löschung der Grundschuld nur dann zustimmen, wenn das Darlehen vollständig zurückbezahlt wurde.
Achtung!
Hier droht ein Fallstrick hinsichtlich des Timings zwischen der neuen Kreditaufnahme und der Ablösung des alten Kredites. Sprechen Sie diesen Umstand in allen Einzelheiten mit Ihrem neuen Kreditgeber durch, bevor Sie den Widerruf geltend machen. Ihr Anwalt berät Sie dazu gerne.
- Zeigt sich Ihre Bank oder Sparkasse uneinsichtig, steht es Ihnen offen, einen Anwalt zu konsultieren, einen neuen Immobilienkredit aufzunehmen und Ihre bisherige Finanzierung zu widerrufen.
Wo kann ich Hilfe zum Widerruf von Immobilienkrediten bekommen?
Die Verbraucherzentralen unterstützen die Hamburger Kollegen nach Kräften bei der Bearbeitung der Flut von Anfragen. Daher wäre es sinnvoll, wenn sich Darlehensnehmer gleich an die örtlichen Verbraucherzentralen wenden würden. Allerdings fallen hier Gebühren von bis zu 70,- € an. Außerdem müssen Sie ggf. lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
Alternativ können Kreditnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet ihre Kreditunterlagen kostenfrei von Rechtsanwalt Dr. Strohmeyer und seinen Kollegen prüfen lassen (12).
KfW Immobiliendarlehen
Die Regelung zum Widerruf gilt auch für KfW Kredite (13). Diese Institution genießt in vielen Fällen einen Sonderstatus, nicht aber, wenn es um das Widerrufsrecht geht.
Prolongation vs. Umschuldung
Unter Prolongation versteht der Fachmann die Weiterführung eines Kreditvertrages zu Zinskonditionen, die noch zu vereinbaren sind. Der Vertrag als solches bleibt dabei bestehen.
Eine Umschuldung meint die Ablösung eines bestehenden Kredites durch eine neue Finanzierung. Der bisherige Kreditvertrag spielt keine Rolle mehr. Laufzeit, Zinsniveau und Kreditsumme stehen vollkommen neu zur Diskussion.
Bei beiden Vertragsarten können Sie den Widerruf geltend machen, wenn die entsprechenden Klauseln den Vertrag angreifbar machen.
Was ist mit Kreditverträgen ab Sommer 2010?
Diese Verträge sind in aller Regel mit vernünftigen Widerrufsklauseln ausgestattet. Ab diesem Zeitpunkt waren schon genügend Fälle aufgetreten, um die Banken zu Korrekturen zu bewegen. Außerdem ist das Zinsniveau ab Anfang 2011 nicht mehr so weit weg vom heutigen Zinsniveau, so dass es unter Umständen keinen Sinn macht, vom Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.
Dennoch: Sollten Sie der Meinung sein, dass in Ihrem Fall durchaus Grund zur Klage besteht, empfehlen wir Ihnen Ihren Vertrag prüfen zu lassen. Verbraucherzentralen stehen Gewehr bei Fuß, sind allerdings mit Anfragen völlig überlastet. Die Verbraucherzentrale Hamburg stapelte Im September 2014 unglaubliche 120 Postkisten auf, alle angefüllt mit Bitten um Vertragsprüfungen. Insgesamt 20.000 Anfragen waren es, wie die WirtschaftsWoche (Nr. 39/2014) berichtete.
Meine Bank spricht von Verwirkung und lehnt meinen Widerruf ab
Damit versuchen die Banken und Sparkassen verzweifelt aus der Zwickmühle zu kommen. Damit versucht sie folgendes Geltend zu machen: Wenn jemand ein Recht auf etwas hat, dieses Recht aber über eine gewisse Zeit hin nicht in Anspruch nimmt, dann verwirkt es seinen Anspruch.
Beispiel: Sie fügen jemandem im Streit versehentlich einen Schaden zu. Dieser jemand hat nun Anspruch auf Schadenersatz. Macht er von diesem Anspruch aber keinen Gebrauch, sondern gibt zu erkennen, dass der Streit von damals ausgeräumt ist, kann er nicht nach X-Jahren ankommen und sagen: „Damals war doch etwas, Du schuldest mir noch Geld.“ Dieses Recht auf Schadenersatz hat er verwirkt.
Darauf stellen nun Banken und Sparkassen ab und erklären: Die Kunden hatten das Recht zum Widerruf, haben es aber nicht eingefordert sondern vertragsgemäß die Raten bezahlt. Damit hätten sie indirekt erklärt, mit allem einverstanden zu sein.
Da sind die Finanzinstitute aber auf dem Holzweg und setzen auf den Abschreckungseffekt. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen. Ausreichend viele Urteile erklären, dass die Argumentation der Banken nicht funktioniert. Dieses Argument zieht bei einigen Gerichten allenfalls dann, wenn das Darlehen schon vollständig an die Bank zurückgeführt wurde, das Darlehen also schon komplett abgewickelt ist und die Abwicklung einige Zeit zurückliegt.
Hatten Banken und Sparkassen eine realistische Chance?
Bei den Spitzfindigkeiten, die manchmal sprichwörtlich nur zwischen dem Singular oder dem Plural eines Wortes unterscheiden und damit über das Wohl und Wehe des Kreditvertrages bestimmen, könnte man schon fast Mitleid mit den Geldhäusern haben.
Es ist aber so, dass den Banken und Sparkassen Musterschreiben zu Verfügung gestellt wurden. Diese waren anfangs zwar auch fehlerhaft und mussten seitens des Gesetzgebers immer wieder nachgebessert werden.
Wie oben bereits angesprochen haben wir eine Aufstellung über die diversen Musterwiderrufsbelehrungen und deren gesetzlichen Grundlagen bei Rechtsanwalt Benedikt Jansen gefunden (14).
Dennoch: Die Finanzinstitute, die diese Musterschreiben 1:1 umgesetzt hatten, waren auf der sicheren Seite und sind es auch heute. Das gilt auch bei den älteren Versionen, die durch neuere ersetzt wurden.
Viele Häuser ließen ihre Juristen Modifikationen an den Vorlagen vornehmen. Damit begaben sie sich wissentlich in unsicheres Fahrwasser, in aller Regel durch Formulierungen zu ihrem eigenen Vorteil.
Sie handelten also nicht kundenorientiert und spekullierten wohl – zumindest indirekt – auf die Angst des Verbrauchers, der sich nicht gegen eine große Institution zu stellen traut.
Gleichzeitig hätten sie ihre Kunden rechtzeitig informieren und neue Widerrufsbelehrungen unterschreiben lassen können. Da war allerdings wohl die Angst zu groß, massenhaft Widerrufe einzufahren. Schade, denn damals war die Zinsdifferenz noch nicht so groß wie heute. Der Effekt wäre also systemweit wesentlich weniger schlimm gewesen.
Im Ergebnis muss geschlusfolgert werden, dass die Banken und Sparkassen immer die Möglichkeit hatten, das richtige zu tun. Das Mitleid mit den betroffenen Instituten kann sich deher begründet in Grenzen halten.
Was genau passiert bei einer Rückabwicklung?
Sinn und Zweck ist die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor Vertragsabschluss war. Natürlich geht das nicht in jedem Fall. Daher muss bei einer Rückabwicklung Geld für einen erlangten Vorteil bezahlt werden. Anders formuliert: Erziele ich durch einen anderen einen Vorteil, bin ich bei einer Rückabwicklung dazu verpflichtet, dem anderen dafür etwas zu geben. Denn ohne ihn hätte ich diesen Vorteil nicht erzielen können.
Das bedeutet, die Parteien haben
„einander deshalb die bis zu diesem Zeitpunkt [des Widerrufs] von ihnen jeweils auf den Darlehensvertrag erbrachten Leistungen gemäß §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 ff. BGB zurückzugewähren“ (15).
Rückabwicklung bedeutet für den Kreditnehmer
In unserem Fall ist es so, dass der Kreditnehmer einen Vorteil erzielte, als die Bank oder Sparkasse ihm den Immobilienkredit gewährte und auszahlte. Der Vorteil bestand darin, dass er die Baukosten oder den Kaufpreis bezahlen konnte. Für diesen Vorteil muss der Kreditnehmer Geld an das Kreditinstitut bezahlen, eine sogenannte Nutzungsentschädigung für das Darlehen.
Dieser Zins entspricht dem im Darlehensvertrag festgelegten Sollzinssatz (Nobbe/Maihold, a.a.O., § 357 BGB Rn 13), wobei dem Beklagten allerdings gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB der Nachweis offensteht, dass der marktübliche Zinssatz für ein vergleichbares Darlehen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geringer gewesen ist (MüKoBGB/Masuch, a.a.O., § 357 BGB Rn 33).
Das bedeutet: Haben Sie mit der Bank einen Zinssatz für Ihren Immobilienkredit vereinbart, wird dieser Wert auch für eine Verzinsung bei Rückabwicklung herangezogen. Allerdings können Sie diesen Zinssatz drücken, wenn es Ihnen gelingt zu beweisen, dass der damals vereinbarte Zinssatz über dem Marktdurchschnitt lag.
Das kommt häufig bei Bankkunden vor, die Ihre Hausbank beauftragten, ohne den Markt zu sondieren. Gelingt Ihnen dieser Nachweis, können Sie bei der Rückabwicklung des Darlehens den niedrigeren Marktdurchschnittszins heranziehen.
Rückabwicklung bedeutet für das Kreditinstitut
Die Bank ihrerseits bekam Zins- und Tilgungsleistungen aus dem verliehenen Geld. Mit diesen Geldern konnte sie erneut wirtschaften. Wird der Kreditvertrag widerrufen, muss sie diese erhaltenen Gelder zurückbezahlen und für deren Nutzung ebenfalls eine Nutzungsentschädigung leisten. Diese Entschädigung stellen die Verzugszinsen dar.
Das OLG Düsseldorf bestätigt die Auffassung, dass sowohl für Zinsen als auch für Tilgungen Nutzungsentschädigungen in Form von Verzugszinsen zu zahlen sind (16).
Entscheidend für die Berechnung der Verzugszinsen ist der Basiszinssatz, der zu dem Zeitpunkt galt, an dem die Kreditrate vom Bankkunden bezahlt wurde. Eine Aufstellung darüber finden Sie bei unserer Schwesterseite Basiszinsatz.de.
Der Verzugszins als solches liegt 5 Prozent über dem Basiszinssatz, also aktuell bei 4,17 % (-0,83 % + 5,0 % = 4,17 %, Stand Jan. 2015)
Fazit zum Widerrufsrecht bei Kreditverträgen
Hand aufs Herz, ganz sauber ist das alles nicht. Und zwar aus mehreren Blickwinkeln:
Kunden, die den geschlossenen Kreditvertrag aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung anfechten, greifen nicht den Vertrag als solches an oder gar die Widerrufsbelehrung. Ihnen geht es um die Realisierung finanzieller Vorteile durch das heute niedrigere Zinsniveau. Wären die Zinsen höher, würde wohl keiner den alten Kreditvertrag widerrufen wollen.
Banken wussten um das Widerrufsrecht. Sie verklausulierten entsprechende Abschnitte manchmal derart, dass selbst Fachleute nicht mehr verstanden, was eigentlich gemeint war. Das war wohl kaum ein Versehen. Später, als es klar wurde, dass diese Formulierungen nicht zu halten sind, haben sie ihre Kunden nicht informiert, um schlafende Hunde nicht zu wecken.
Die Volkswirtschaft wird sich umschauen. Banken haben die Kreditverträge damals zu den entsprechend geltenden Konditionen gegenfinanziert. Diese Seite der Bilanz bleibt unangetastet, es entsteht also ein Ungleichgewicht zu Lasten der Banken. Bei den Milliarden Euro, die an Forderungen auf die Banken zurollen dürften, werden wir wohl sehen, ob der Bankenstresstest 2014 zu Recht Sicherheit suggerierte und das Bankensystem stabil bleibt.
Autor: Marc Opitz
Quellen und weiterführende Informationen
(1) mzs Rechtsanwälte – Profil von Rechtsanwalt Dr. Jochen Strohmeyer
(2) Bundesgerichtshof – Urteil des BGH zur Widerrufsklausel (Az. XI ZR 165/08)
(3) Basiszinssatz.de – Historische Entwicklung der Verzugszinsen und des Basiszinssatzes
(4) Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg – Urteil des OLG Stuttgart zum Umfang der Rückabwicklung nach wirksamer Widerrufserklärung (Az. 6 U 140/14)
(5) mzs Rechtsanwälte – Portraitseite der Kanzlei mzs
(6) Baufinanzierungsrechner.net – Niedrige Zinsen, lange Tilgung
(7) Bundesminsiterium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(8) Bundesminsiterium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 495 Widerrufsrecht; Bedenkzeit
(9) Bundesgerichtshof – Urteil des BGH zur Formulierung und Darstellung der Widerrufsklausel
(10) Bundesminsiterium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(11)(14) Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen – Widerrufsbelehrungen: Die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen im Zeitraum vom 1.1.2002 – 13.6.2014 (PDF)
(12) Widerrufs-recht.de – Sofortcheck
(13) Kreditvergleich.net – Ratgeber zur KfW und ihren Förderungen
(15)(16) Justiz Online – Urteil des OLG Düsseldorf zur Rückabwicklung eines Darlehensvertrages (Az. I-6 U 64/12)
(17) Kreditvergleich.net – Kippt der Widerrufs-Joker? Retten die Banken zig Milliarden?
(18) Kreditvergleich.net – Das Ende des Widerrufsjokers – Teil 2
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