Wenn die Bausparkasse kündigt
Betrachtet man die aktuelle Zinslage im Sparbereich verwundert es nicht, dass sich Bausparkassen so schnell wie möglich von alten Verträgen mit hohen Zinsen trennen wollen. Zehntausende Anleger, die noch Bausparverträge aus den guten alten Zeiten haben, sich freuten und fleißig sparten, müssen jetzt mit einer Kündigung umgehen.
[UPDATE vom 21.02.2017]
Der BGH gestattet Kündigung durch Bausparkasse
Es war ein langes Hin und Her, wie unser bisheriger Ratgeber veranschaulicht. Die Kernfrage, ob sich Bausparkassen von den alten Bausparverträgen mit hohen Zinsen trennen können, wurde heiß diskutiert und von unterschiedlichen Gerichten unterschiedlich bewertet.
Nun hat der Bundesgerichtshof die Sachlage geklärt und Fakten geschaffen. Er schlägt sich mit seinem Urteil vom 21.02.2017 (Az. XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) auf die Seite der Bausparkassen (17). Grundlage bildet der Paragraph 489 des BGB in dem die Kündigungsfristen in Darlehensverträgen geregelt sind.
Dort heißt es sinngemäß, dass jeder Kreditnehmer seinen Kreditvertrag ordentlich kündigen darf, wenn er die Kreditsumme zur Gänze erhalten hat und zehn Jahre vergangen sind. Die Kündigungsfrist beträgt dann sechs Monate.
Das Urteil ist ein wahrer Segen für die Bausparkassen, bei denen die Schere zwischen Kundeneinlagen und ausgereichten Krediten seit Jahren immer größer wird. Das Problem liegt auf der Hand: Sie bezahlen immer mehr für Guthabenzinsen, bekommen auf der anderen Seite aber immer weniger Kreditzinsen für die Bauspardarlehen. Unser Diagramm etwas weiter unten veranschaulicht die Situation.
Wieso gilt der Paragraph über Kündigungsfristen bei Kreditverträgen?
Jeder Bausparvertrag besteht aus zwei Bestandteilen, dem Bausparguthaben und dem Bauspardarlehen. Zusammen ergeben sie die Bausparsumme.
Bausparguthaben + Bauspardarlehen = Bausparsumme
Klar ist, dass wenn der Kunde das Bauspardarlehen abruft, wird er zum Kreditnehmer. Nicht klar war bisher, ob das im umgekehrten Fall auch für die Bausparkassen gilt.
Das hat der BGH nun bejaht. Die Bausparkasse bekommt Geld in Form von Sparbeiträgen vom Kunden, welche er regelmäßig einzahlt. Dieses Geld schuldet die Bausparkasse dem Kunden. Daher wird sie zum Kreditnehmer und der Kunde zum Kreditgeber.
Im Bausparvertrag wurde festgelegt, wieviel der Kunde ansparen sollte, um die Zuteilungsreife zu erreichen. In der Regel sind das zwischen 30 und 50 Prozent der Bausparsumme.
Es ist logisch zu argumentieren, dass die Bausparkasse den vollen Kreditbetrag vom Kunden erhalten hat, wenn eben dieser vorab definierte Betrag eingezahlt wurde, bzw. wenn die Zuteilungsreife erreicht wurde.
Lässt der Kunde diesen Betrag nun liegen oder spart er sogar weiter in den Vertrag ein, so beginnt nach dem aktuellen Urteil die Zeit für die Bausparkasse zu arbeiten. Zehn Jahre nachdem die Zuteilungsreife erreicht wurde, kann sie den unliebsamen Altvertrag nun kündigen.
Laufen die Bausparkassen nicht Gefahr, die Kunden zu vergraulen?
Das Zinsniveau von früher war auf beiden Seiten höher, als es heute ist: Sowohl auf der Guthabenseite als auch auf der Darlehensseite. Gab es beispielsweise 3 Prozent Guthabenzins so lag der Zins für das Bauspardarlehen vielleicht bei 5,5 Prozent.
Für einen solchen Kreditzins nimmt heute keiner mehr einen Kredit für den Hauskauf oder -bau auf, denn das allgemeine Zinsniveau liegt dramatisch unter diesem Niveau. Da Bausparkassen ihre Kunden nicht zur Aufnahme der Bausparkredite zwingen können, wird es nicht zum Abrufen der Darlehen kommen.
Im Ergebnis bleibt den Bausparkassen nichts Anderes übrig, als die Altverträge zu kündigen. Da das mit Sicherheit alle Bausparkassen machen, laufen sie zumindest nicht Gefahr, Kunden an den Wettbewerb zu verlieren.
Die reinen Sparer werden sicher mit den Zähnen knirschen und sich ärgern, dass diese sichere und lukrative Sparmöglichkeit jetzt durch das höchst richterliche Urteil zu Ende geht.
Gibt es noch eine Hintertür für Bausparer?
Theoretisch gibt es die. Das Kündigungsrecht steht den Bausparkassen erst dann zu, wenn sie ihren vollen „Kreditbetrag“, also das definierte Bausparguthaben, erhalten haben. Pausiert ein Bausparkunde seine Ratenzahlungen bevor es soweit ist, kommt die Bausparkasse nicht an ihr Recht.
Das könnte funktionieren, allerdings werden sich die Bausparkassen dahingehend zu wehren versuchen, dass ein Nicht-Weitersparen dem Sinn des Bausparens widerspricht und ihnen daraus ein Kündigungsrecht erwächst.
Ob diese oder eine ähnliche Argumentation allerdings belastbar ist, darf diskutiert werden. Denn was wäre, wenn es aus wirtschaftlichen Gründen einem Bausparer für einen unbestimmten Zeitraum nicht zugemutet werden kann, seine Sparleistungen zu bringen? Ihm dann einen Teil der Altersvorsorge zu zerstören wäre zumindest unfair.
Eine andere Verzögerungstaktik entsteht, wenn die Sparbeiträge auf ein Minimum gesenkt werden. Hier werden die Bausparkassen wohl versuchen mit dem Regelsparbeitrag zu argumentieren. Ein Blick ins Kleingedruckte des jeweiligen Vertrages kann hier weiterhelfen.
[ENDE UPDATE]
Warum agieren die Bausparkassen so aggressiv?
Das liegt wohl an einer für die Bausparkassen unglücklichen Kombination zweier Marktumstände: Einerseits sind Bausparverträge langfristige Vereinbarungen, die vor vielen Jahren zum damaligen hohen Zinsniveau abgeschlossen wurden.
Da die Sparzinsen heute bekanntlich im Keller sind, ächzen die Bausparkassen heute unter der Last der hohen Zinsaufwendungen.
Gleichzeitig sind die Darlehenszinsen im Keller. Die alten Bausparverträge bieten damalige Konditionen für das Bauspardarlehen an, die heute kein Kunde mehr akzeptieren muss, da wesentlich günstigere Kredite auf dem Markt zu haben sind.
Resultat: Die Bausparkassen müssen hohe Sparzinsen bezahlen und erwirtschaften gleichzeitig weniger Kreditzinsen. Doppelt schlecht für die Häuser. Kein Wunder also, wenn die Controller der Bausparkassen feuchte Hände und hohen Blutdruck bekommen.
Folgendes Diagramm veranschaulicht das Problem (Nichtbanken ist ein Terminus der Bundesbank und meint Privatleute, die öffentliche Hand und Unternehmen, die keine Banklizenz haben)
Die Dimension der Aktionen der Bausparkassen
Ihre Reaktion fiel entsprechend aus. Die Frankfurter Allgemeine berichtete:
- Die LBS Bayern wollte 26.000 Altverträge kündigen
- Bei der LBS West waren es 12.000 und
- Die Schwäbisch Hall wollte sich gerne von 15.000 Verträgen (März 2015) und weiteren 50.000 Verträgen (Sept. 2016) lösen.
Die Kanzlei mzs für Banken- und Kapitalrecht mit Sitz in Düsseldorf fügt hinzu, dass die Wüstenrot bereits 2013 etwa 15.000 Altverträge kündigte. Im Ganzen sind somit über 100.000 Bausparer betroffen (1).
Einen beinahe schon grotesken Vorschlag unterbreitete die Debeka Anfang 2015 ihren Bausparkunden: Statt des bisherigen Bausparvertrages mit 3,0 Prozent Guthabenverzinsung sollten die Kunden den Vertrag in ein sog. Nachrangdarlehen umwandeln, für das es dann 4,0 Prozent gäbe.
Klingt doch gut? Moment, denn dahinter verbirgt sich eine 12-jährige Anleihe an ein Tochterunternehmen der Debeka. Oder genauer, eine „nachrangigen Namensschuldverschreibung des Debeka Lebensversicherungsvereins e.G.“. Aus dem Vorschlag erwachsen vor allem zwei Probleme:
- Problem Nr. 1: Aus einer enorm sicheren Geldanlage wird in eine höhere Risikoklasse gewechselt. Denn wenn die Lebensversicherung Insolvenz anmeldet, werden die Forderungen der Anleger erst dann bedient, wenn alle anderen Gläubiger zufrieden sind. Das Geld ist mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren.
- Problem Nr.2: Die Dauer des Investments wird enorm verlängert. Bausparverträge mit einem so schönen Zinssatz haben häufig bereits die Zuteilungsreife erreicht oder stehen zumindest kurz davor. Das Geld ist daher recht liquide. Die Anleihe würde das Geld für 12 Jahre unerreichbar machen.
Wie rechtfertigen die Bausparkassen die Kündigungen?
1. Bausparsumme ist erreicht
Wenn die Bausparsumme voll ist, ist eine Kündigung des Vertrages seitens der Bausparkasse gemäß § 488 BGB rechtens (2). Denn mit Erreichen der kompletten Bausparsumme, ist ein Baudarlehen nicht mehr möglich und der Zweck des Bausparvertrages, also die Auszahlung eines zinsgünstigen Darlehens, kann nicht mehr erfüllt werden. Bestätigt wird dies durch einige obergerichtliche Urteile, u.a. vom OLG Stuttgart, Az. 9 U 151/11 (3) und OLG Frankfurt/Main, Az. 19 U 106/13 (4).
Wie funktioniert Bausparen?
Ein Bausparvertrag ist eine Kombination aus Geldanlage und Darlehen. Folgende Formel fasst das gut zusammen:
Sparguthaben + Baudarlehen = Bausparsumme
Ganz einfach formuliert funktioniert das Konzept so: Der Kunde spart bis zu einem gewissen Punkt in der Zukunft regelmäßig einen gewissen Betrag an. Das sind in etwa 30-50 Prozent der Bausparsumme. Ist dieses Sparguthaben erreicht, wird der Bausparvertrag zuteilungsreif.
Das bedeutet, der Kunde hat Anspruch auf das Baudarlehen. Beides zusammen, also das Sparguthaben plus das Baudarlehen ergeben somit die Bausparsumme, die dem Kunden nun für dessen Immobilienwusch zur Verfügung steht.*
Ist das Bausparguthaben erreicht, soll das Darlehen abgerufen werden, so die Bausparkassen. Denn darum ginge es ja im Kern.
Entscheidet sich ein Kunde dazu, weiterzusparen, entscheidet er sich somit gegen den originären Zweck des Vertrages und daher könnten die Bausparkassen den Vertrag kündigen. So sehen es zumindest die Finanzhäuser.
2. Zuteilungsreife ist seit zehn Jahren erreicht
Viele Bausparkassen begründen ihre Kündigung damit, dass die Zuteilungsreife vor mehr als zehn Jahren eingetreten ist (5). Wenn der Bausparvertrag zuteilungsreif, aber noch nicht voll bespart war, war diese Kündigung bis zum Februar 2017 rechtlich zweifelhaft.
Einige Gerichte, so auch das LG Mainz, Az. 5 O 1/14, ließen die Kündigung zu, mit der Begründung, dass der Hauptzweck des Bausparvertrags, die Erlangung eines zinsgünstigen Darlehens, nicht mehr gegeben ist.
Nach Auffassung des Landgerichtes soll mit dem Zweck der Vorschriften des § 489 BGB ein Interessenausgleich geschaffen und der Darlehensnehmer vor überlangen Bindungen an festgelegten Zinssätzen geschützt werden.
Zwar besteht mit der Zuteilungsreife die Möglichkeit, das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, eine Pflicht zur Inanspruchnahme gibt es allerdings nicht. Das LG Karlsruhe hatte entschieden, dass der Bausparvertrag seitens der Bausparkasse nicht gekündigt werden kann, solange der Kunde noch einen Darlehensanspruch hat (6).
Auch wenn der Bausparer zehn Jahre nach Zuteilungsreife noch kein Bauspardarlehen abgerufen hatten, war das für viele kein Kündigungsgrund. Ähnlich sahen das das LG Hannover (7) sowie das LG Aachen (8). Allerdings korrigierte der BGH diese Einschätzungen mit seinem Urteil.
Verbraucherschützer traten der Kündigung ebenfalls mit dem Argument entgegen, dass viele Bausparverträge auch als Geldanlage verkauft wurden und werden (so genannte Renditetarife). Aufgrund dessen wurde der Vertragszweck in dem Erreichen der Bausparsumme gesehen, nicht aber die Erlangung des Bauspardarlehens.
3. Regelsparbeiträge fehlen
Wenn der Bausparer die vereinbarten Regelsparbeiträge nicht leistet, kann die Bausparkasse aufgrund klar definierter Bausparbedingungen regelmäßig kündigen. Allerdings muss zuvor der Kunde schriftlich aufgefordert worden sein, die Beträge zu zahlen bzw. nachzuzahlen. So regeln es auch die Allgemeine Bausparbedingunge, wie sie der Verband der Privaten Bausparkassen empfiehlt (9).
Laut Verbraucherzentrale könnte hier ein Widerspruch zu den beworbenen Vorzügen des Bausparsparens, wie „flexibel“ und „Ruhen lassen“ gesehen werden. Es empfiehlt sich, einen Blick auf die Tarifregelungen zu werfen.
Bei einer eindeutigen Formulierung der Kündigungsklausel, wird die Abwehr einer Kündigung schwierig. Derzeit gibt es noch keine Rechtsprechung zum Sachverhalt. Anleger, die ihren hochverzinsten Bausparvertrag behalten möchten, sollten die Aufforderung zur Wiederaufnahme der Regelbesparung nachkommen.
Die Regelsparbeiträge (bestimmter Promillesatz der Bausparsumme) müssen so lange geleistet werden, bis das zur Zuteilung erforderliche Mindestansparsumme (i.d.R. 40 %) erreicht ist.
4. Vereinbarte Bonuszinsen auf Guthaben
Ist ein Bausparvertrag „überspart“, d. h. übersteigt das Guthaben plus Zinsen die Bausparsumme, kann er gemäß § 488 BGB gekündigt werden (10). Um dies schneller herbeizuführen, addieren einige Bausparkassen vereinbarte Bonuszinsen auf das Guthaben. Vertraglich vereinbarte Bonuszinsen werden in manchen Tarifen den Bausparern bei Darlehensverzicht rückwirkend über die gesamte Laufzeit gezahlt.
Nach Ansicht der Verbraucherzentralen war ein Vertrag nicht kündbar, solange der Kunde noch das Recht auf ein Bauspardarlehen ableiten kann. Allerdings war auch in diese Fall der Wortlaut der Bedingungen entscheidend.
Denn war in den ABB (Allgemeine Bausparbedingungen) geregelt, dass die Bonuszinsen auf einem Sonderkonto deponiert wurden und erst bei Auszahlung des gesamten Bausparguthabens fällig wurden, war fraglich, ob die Bonuszinsen als Mittel zum Zweck der so genannten „Übersparung“ dienen konnten.
Ein früherer Tipp für renditeorientierte Bausparer: Um von den Zinsvorteilen profitieren zu können, riet die Verbraucherzentrale Bremen:
„Haben Kunden die Bausparsumme noch nicht erreicht, sollten sie die Einzahlungen bei etwa 85 Prozent der vereinbarten Bausparsumme stoppen und den Vertrag beitragsfrei stellen. Dann fließen nur noch die vereinbarten Zinsen in den Vertrag und es dauert wesentlich länger, bis die vereinbarte Bausparsumme erreicht ist. Bis dahin profitieren die Kunden von den hohen Zinsen.“ (11)
Wie können sich Verbraucher wehren?
Betroffene, die ihren Bausparvertrag weiterführen möchten, sollten die Kündigung auf jeden Fall eingehend überprüfen. Wird diese als ungerechtfertigt angesehen, können Verbraucher schriftlich Widerspruch einlegen.
Eine weitere Option ist, sich mit der Schlichtungsstelle (Ombudsmann-Verfahren) der betreffenden privaten Bausparkasse bzw. Landesbausparkasse in Verbindung zu setzen.
Für die Einschaltung des Schlichters entstehen Kunden keine Kosten. Will die Bausparkasse nicht einlenken, können Kunden den Klageweg bestreiten. Ob dieser erfolgversprechend ist, sollte von einem Rechtsanwalt geprüft werden. Für Bausparer, die eine Rechtsschutzversicherung besitzen, wird das Kostenrisiko in der Regel übernommen.
Wird zugunsten des Bausparers entschieden, werden die gesamten Verfahrenskosten der Bausparkasse auflegt. In diesem Fall erhalten nicht rechtsschutzversicherte Kläger ihre verauslagten Kosten zurückerstattet.
Weitere Methoden, um die Zinszahlungen an ihre Kunden zu reduzieren:
- Tarifwechsel aufdrängen
Um die bestehende Kundschaft aus den lukrativen Altverträgen herauszubekommen, wird ihnen seitens der Versicherungsvertreter der Neuabschluss eines vermeintlich besseren Vertrages angeboten.
Ein Beispiel von vielen ist der absurde Vorschlag der Debeka, den bestehenden Bausparvertrag in ein Nachrangdarlehen umzuwandeln (wir berichteten am 9. März 2015). Da mit dem Wechsel zum neuen Angebot Rechte und vor allem Zinszahlungen verloren gehen können, sollten Kunden besonders aufmerksam sein.
- Kein Bonuszins bei übersparten Verträgen
Einige Bausparkassen verweigern die Auszahlung vereinbarter Bonuszinsen, wenn durch die Sparzahlungen das Guthaben die Bausparsumme übersteigt. Ob diese Vorgehensweise rechtens ist, kommt auf den konkreten Wortlaut der Bedingungen an.
Auch wenn es bisher noch kein Grundsatzurteil gibt, stehen die Erfolgsaussichten für eine Klage gut. Nach Ansicht der Verbraucherzentralen stärkt das Urteil des OLG Stuttgart, Az. 9 U 151/11 betroffenen Kunden den Rücken (12). Es sieht in der weiteren Besparung des Vertrags einen formalen Verzicht auf das Bauspardarlehen.
- Ablehnung weiterer Sparleistungen
Einzahlungen über den so genannten Regelsparbeitrag hinaus bedürfen meist der Zustimmung der Bausparkasse. Wird allerdings behauptet, alle weiteren Sparleistungen nach Erreichen des Mindestsparguthabens werden als zustimmungsbedürftige Sonderzahlungen behandelt, sollten Verbraucher handeln. Nach Ansicht der Verbraucherschützer haben sie gute Erfolgsaussichten (13).
Anwälte widersprechen den Bausparkassen
Rechtsanwalt Martin Wolters von der Kanzlei mzs sieht die Sache völlig anders (14). Wir sprachen mit ihm und er macht den Sparern Mut:
„Ein Bausparer hat durch den Bausparvertrag zwar das Anrecht auf ein Baudarlehen aus diesem Vertrag, er hat aber deswegen keineswegs die Verpflichtung dieses Darlehen auch aufzunehmen. Schon gar nicht nur weil der Vertrag zuteilungsreif geworden ist. Auch wenn es den Bausparkassen nicht gefällt: Die Kunden haben das Recht, zumindest bis zum Erreichen der Bausparsumme, den Vertrag weiter zu besparen.“
Unsere Redaktion teilt die Auffassung von RA Wolters. Die Zuteilungsreife eines Bausparvertrages ist ein errechneter Zeitpunkt. Die Lebensumstände des Bausparers mögen durchaus so sein, dass es unsinnig wäre, dann ein Darlehen aufzunehmen.
Lebensumstände werden auch durch äußere Umstände beeinflusst. Wir leben zwar aktuell in einer Niedrigzinsphase, in der aber gleichzeitig die Immobilienpreise angezogen haben. Warum sollte ein Bausparer gezwungen werden, ein Baudarlehen aufzunehmen, um einen wohnungswirtschaftlichen Zweck umzusetzen, wenn es nicht seinen Wünschen entspricht?
Wann dürfen Bausparkassen Bausparverträge kündigen?
Fall 1 : Die Zuteilungsreife ist noch nicht erreicht
In diesem Fall hat die Bausparkasse keine Chance den Bausparvertrag wirksam zu kündigen, so lange der Kunde seine Vertragspflichten erfüllt.
Fall 2: Zuteilungsreife wurde erreicht und es besteht noch Luft zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme
Laut BGB ist nun der Fall eingetreten, dass die Rollen zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer wechseln. Die Bausparkasse wird nun zum Kreditnehmer, der seinem Kunden Geld schuldet. Aus diesem Verhältnis erwächst nach BGB eine Kündigungsrecht, das allerdings erst nach 10 Jahren greift.
Das Oberlandesgericht Stuttgart ist übrigens einer ganz ähnlichen Auffassung:
„[…] Das bedeutet, dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.“ (15)
Anders formuliert: Solange ein Bausparer noch in seinen Bausparvertrag einzahlt und zwischen dem erreichten Sparguthaben und der vereinbarten Bausparsumme eine Lücke besteht, die durch ein Darlehen gefüllt werden könnte, solange können die Bausparkassen nicht kündigen, so das OLG Stuttgart. Im Klartext: Die Bausparkassen dürfen nur dann die Bausparverträge rechtswirksam kündigen, wenn die volle Bausparsumme durch reine Sparleistungen und Guthabenzinsen erreicht wurde.
Fall 3: Die Zuteilungsreife wurde bereits vor zehn Jahren erreicht
Bisher war die Lage strittig, seit dem 21. Februar 2017 ist sie das nicht mehr. Der BGH schafft Klarheit und räumt den Bausparkassen ein ordentliches Kündigungsrecht gemäß §489, BGB ein.
Fall 4: Die Zuteilungsreife ist noch keine zehn Jahre her, aber die Bausparsumme wurde mit den Sparleistungen erreicht
Es hat sich nichts geändert an der Beurteilung dieser Situation: Ein Bausparvertrag ist kein endloses Sparprodukt. Daher konnte und kann jede Bausparkasse diese Verträge kündigen.
Sind Bausparverträge denn noch zeitgemäß?
Bausparverträge gelten oder galten gemeinhin als konservative Geldanlage. Nichts desto trotz: Viele Sparer nutzen die Kombination aus Sparanteil und Darlehen, um sich eines Tages den Traum der eigenen vier Wände zu erfüllen. Tatsächlich hat fast jeder dritte Deutsche einen Bausparvertrag in seinen Finanzunterlagen, wie der Verband der Privaten Bausparkassen e.V. veranschaulicht:
Autor: Marc Opitz
* Diese Darstellung ist ein wenig vereinfacht. Tatsächlich hat jede Bausparkasse ein Punktesystem entwickelt. Jeder Kunde muss einen gewissen Punktestand erreichen, bevor das Baudarlehen abgerufen werden kann.
Diese Punkte errechnen sich aus der Laufzeit des Vertrages, der Regelmäßigkeit der Einzahlungen und dem erreichten Sparbetrag. Natürlich muss dann mit der Bausparsumme nicht unbedingt gebaut oder gekauft werden. Immobilien können auch renoviert, umgebaut oder modernisiert werden.
Selbst für manche gewerbliche Zwecke oder den Erwerb von Wohnrechten ist das Bauspardarlehen einsetzbar. Wichtig ist, dass ein sog. wohnwirtschaftlicher Zweck erfüllt wird. Was das ganz genau ist, können Sie im Bausparkassengesetz, §1, (3) nachlesen (16).
Quellen und weiterführende Information:
(1) mzs Düsseldorf – Die Kanzlei mzs für Banken- und Kapitalrecht
(2)(10) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – BGB, § 488 Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(3) Openjur.de – OLG Stuttgart · Beschluss vom 14. Oktober 2011 · Az. 9 U 151/11
(4) Openjur.de – OLG Frankfurt am Main · Beschluss vom 2. September 2013 · Az. 19 U 106/13
(5) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – BGB, § 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(6) Openjur.de – LG Karlsruhe · Urteil vom 9. Oktober 2015 · Az. 7 O 126/15
(7) Finanztip.de – LG Hannover · Urteil vom 30. Juni · 2015 Az. 14 O 55/15 (PDF)
(8) Openjur.de – LG Aachen · Urteil vom 19. Mai 2015 · Az. 10 O 404/14
(9) Verband der Privaten Bausparkassen – Allgemeine Bausparbedingungen (ABB), § 15 Abs. 2 a – Mustertext des Verbandes der Privaten Bausparkassen, 20.08.2013 (PDF)
(11) Verbraucherzentrale Bremen – Bausparkassen üben Druck auf Bausparer aus
(12)(15) Openjur.de – OLG Stuttgart · Beschluss vom 14. Oktober 2011 · Az. 9 U 151/11
(13) Verbraucherzentrale Baden-Württemberg – Die Rausschmeißer – Kündigungswelle bei Bausparverträgen (PDF)
(14) mzs Düsseldorf – Profil Martin Wolters, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
(16) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – BauSparkG, § 1 Begriffsbestimmungen
(17) Bundesgerichtshof – Pressemitteilung des BGH zum Kündigungsrecht der Bausparkassen