Bonitätsprüfung von Unternehmen
Wie prüfen Banken die Kreditwürdigkeit von Firmenkunden?
Im Gegensatz zu einer Bonitätsprüfung bei Privatpersonen fällt die Prüfung bei Unternehmen vor einer Kreditaufnahme deutlich umfangreicher aus. Der Blick allein in die Umsätze ist nicht ausreichend. Analysiert werden müssen außerdem die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung und bei Kapitalgesellschaften ein möglicher Anhang zum Jahresabschluss. Erst alle Unterlagen zusammen können letztendlich darüber Auskunft geben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Firma das Darlehen zurückführen kann.
- Die Bonitätsprüfung vor Auszahlung eines Unternehmenskredits basiert auf der Analyse zahlreicher Kennziffern.
- Diese Kennziffern müssen alle in Relation zueinander gesetzt werden, eine Einzelbetrachtung kann zu Fehlschlüssen führen.
- Die Analyse erfolgt in mehreren Stufen.
Kredit für Selbstständige und Firmen
Die Bilanz
Die Bilanz bildet die komprimierte Gewinn- und Verlustrechnung ab und stellt die Vermögens- und Sachanlagewerte (Aktiva) der Mittelherkunft (Passiva) gegenüber. Da der Aufbau der Bilanz im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt ist, fällt es leicht, Bilanzen miteinander zu vergleichen (1). Auf der Aktivseite stehen zuoberst die Werte, die am schwersten liquidierbar sind, am Ende die am leichtesten verkäuflichen Werte. Auf der Passivseite unterscheidet das HGB zwischen Eigenkapital und Fremdkapital. Das Fremdkapital wiederum wird in Verbindlichkeiten und Rückstellungen gegliedert.
Bilanz zum 31.12.XXXX | |
---|---|
Aktiva | Passiva |
Anlagevermögen: | Eigenkapital: |
I. Immaterielle Vermögensgegenstände | |
II. Sachanlagen | Fremdkapital: |
III. Finanzanlagen: | |
Umlaufvermögen: | |
I. Vorräte | |
II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände | |
III. Wertpapiere |
Die Liquiditätsanalyse
Ein Unternehmen muss eine gewisse Liquidität aufweisen können. Zum einen gilt es, eventuelle Verbindlichkeiten aus Krediten zu bedienen, zum anderen müssen Wareneinkauf und Löhne finanziert werden. Bei der Betrachtung der Liquidität, der Grundlage für die Kreditentscheidung, wird zwischen drei Liquiditätsstufen unterschieden.
Die Liquidität 1. Grades
Die Liquidität 1. Grades stellt den Barmitteln die kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber. Mathematisch ausgedrückt lautet die Formel:
L1 = (Barmittel / kurfristige Verbindlichkeiten) * 100
Die Praxis sieht eine Kennziffer i.H.v. zehn bis 30 Prozent vor. Übersteigt diese Kennziffer 100 Prozent, liegt eine liquide Überversorgung vor, der allerdings wiederum die Rückführung kurzfristiger Verbindlichkeiten gegenübersteht.
Die Liquidität 2. Grades
Die Liquidität 2. Grades setzt das gesamte Geldvermögen eines Unternehmens einschließlich der Wertpapiere und kurzfristigen Forderungen in Relation zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Für die Liquidität 2. Grades bedarf es einer Quote von 100 bis 120 Prozent, da andernfalls die kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt sind.
Die Liquidität 3. Grades
Bei der Liquidität 3. Grades kommen zum Geldvermögen noch der Warenbestand respektive die Vorräte hinzu. Unterschreitet die Quote die 120-Prozent-Marke, kann das Unternehmen die kurzfristigen Verbindlichkeiten nur noch begleichen, wenn Teile des Anlagevermögens veräußert werden.
Auch wenn es auf den ersten Blick einfach erscheint, anhand dieser Kennziffern schnell die Bonität einer Firma zu ermitteln, hat das Ganze einen Haken. Stehen beispielsweise den liquiden Mitteln in Höhe von 100.000 Euro einen Tag vor dem Bilanzstichtag 200.000 Euro kurzfristige Verbindlichkeiten, sieht es mit einer Quote von 50 Prozent nicht gut aus. Die Aufnahme eines kurzfristigen Darlehens in Höhe von 300.000 Euro erhöht die liquiden Mittel auf 400.000 Euro, die kurzfristigen Verbindlichkeiten auf 500.000 Euro. Die Quote steigt auf 80 Prozent. Vor diesem Hintergrund greifen Banken auch noch auf andere Kennziffern, wie die Eigenkapitalquote als eine der wichtigsten Kennziffern, zurück.
Die Eigenkapitalquote
Die oben beschriebene Maßnahme zur Verbesserung der Liquiditätsquote hat auch einen Nebeneffekt. Die Eigenkapitalquote sinkt in Relation zum Fremdkapital, ein negativer Nebeneffekt. Aus diesem Grund betrachten die Geldgeber die einzelnen Kennziffern nicht isoliert, sondern immer im Kontext.
Die Eigenkapitalquote (EK) misst den substanziellen Wert eines Unternehmens in Relation zur Bilanzsumme. Die Formel zur Berechnung der Quote lautet:
EK-Quote = (EK / Gesamtkapital) * 100
Die Fremdkapitalquote
Der Eigenkapitalquote steht die Fremdkapitalquote (FK) gegenüber. Diese besagt, wie hoch der Anteil der Fremdmittel eines Unternehmens in Relation zum Eigenkapital ausfällt:
FK-Quote = (FK gesamt / Gesamtkapital) * 100
Kritisch wird es, wenn der Verschuldungsgrad das Doppelte des Eigenkapitals oder 67 Prozent der Bilanzsumme überschreitet. In diesem Fall gehen die Kreditinstitute davon aus, dass eine ordnungsgemäße Rückführung des Darlehens eher unwahrscheinlich ist.
Der Verschuldungsgrad eines Unternehmens ergibt sich durch die Division des Fremdkapitals durch das Eigenkapital.
Die Gesamtkapitalrentabilität
Die Liste der Kennziffern zur Bonitätsbeurteilung ist lang. Für ein finanzierendes Institut ist es auch wichtig, wie rentabel ein Unternehmen mit dem gesamten zur Verfügung stehenden Kapital haushaltet. Die Gesamtkapitalrentabilität (GKR) bringt in diesem Fall Licht in das Dunkel. Ermittelt wird die GKR durch die Formel
GKR = ((Betriebsergebnis + Zinsaufwand) / Bilanzsumme) * 100
Die Eigenkapitalrentabilität
Die GKR zeigt, wie effizient alle zur Verfügung stehenden Mittel, auch das Fremdkapital, verwendet werden. Die Eigenkapitalrentabilität (EKR) weist nur auf, wie rentabel das Eigenkapital arbeitet. Um dies zu ermitteln, werden Eigenkapital und Betriebsergebnis in Relation zueinander gesetzt:
EKR = (Betriebsergebnis / EK) * 100
Je höher die Werte für EKR und GKR ausfallen, umso besser steht das Unternehmen da. Die Eigenkapitalrentabilität muss immer im Zusammenhang mit der Eigenkapitalquote betrachtet werden. Sie steigt prozentual umso mehr, je geringer das vorhandene Eigenkapital ausfällt. Dieser Hebeleffekt führt zu einer interessanten Konstellation:
Die Nutzung von Fremdkapital kann unter bestimmten Gegebenheiten die Eigenkapitalrendite erhöhen. Es lohnt sich für ein Unternehmen, sich zu verschulden, wenn die Zinsen für das Darlehen unter der Rendite liegen, die es mit der Investition erzielen kann.
Angenommen, ein Unternehmen verfügt über ein Eigenkapital von 250.000 Euro und und will in ein Projekt investieren, welches 25.000 Euro Gewinn abwirft. Das Projekt kostet 250.000, das Unternehmen nimmt 150.000 Euro als Darlehen auf. Das notwendige Eigenkapital beträgt jetzt nur noch 100.000 Euro. Für das Darlehen fallen vier Prozent Zinsen, 6.000 Euro, an. Zieht man die Zinsen vom Ertrag des Projektes ab, verbleiben 19.000 Euro. Die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals wird durch das Darlehen auf 19 Prozent gehebelt.
Die Umsatzrentabilität
Als weitere Kennziffer zur Bonitätsprüfung bei Unternehmenskrediten wird die Umsatzrentabilität gezählt. Die Umsatzrentabilität (UR) gibt Auskunft darüber, wie rentabel der Umsatz erfolgt. Ein Umsatz von 500.000 Euro bei einem Betriebsergebnis von 10.000 Euro spricht für keine gute Planung. Je größer die Kennziffer aus
UR = (Betriebsergebnis / Umsatzerlöse) * 100
ausfällt, um so rentabler wirtschaftet die Firma im Vertrieb.
Der Cashflow
Eine nicht zu unterschätzende Aussagekraft über die Finanzstärke eines Unternehmens hat der Cashflow. Er definiert den Überschuss aller operativen Einzahlungen gegenüber den operativen Auszahlungen. Die Differenz steht für Zinsen und Tilgung eines Darlehens zur Verfügung. Die Zahlen für den Cashflow stammen aus der Gewinn- und Verlustrechnung und lassen sich auch für Prognosen nutzen. Der Cashflow ergibt sich aus der Addition von Betriebsergebnis, Abschreibungen auf Sachanlagen und langfristige Rückstellungen. Die Cashflow-Rate selbst ermittelt sich so:
Cashflow-Rate = (Cashflow / Umsatzerlöse) * 100
Zusammenfassung
Die Bonitätsprüfung eines Unternehmens erfolgt in drei Schritten.
- Analyse der Finanzlage durch den Liquiditätsgrad 1, 2 und 3.
- Analyse der Vermögenslage durch Eigenkapitalquote, Fremdkapitalquote und Verschuldungsgrad.
- Analyse der Ertragslage durch Gesamtkapitalrentabilität, Eigenkapitalrentabilität und Umsatzrentabilität.
Quellen und weiterführende Links
(1) Handelsgesetzbuch – § 266 Gliederung der Bilanz
(2) Bankfachklasse, 10/2018, S 10 ff.