GLRG und TLTRO der EZB
Die EZB ist den nächsten historischen Zinsschritt gegangen, der Leitzins liegt nun bei Null Prozent und der Einlagenzins ist noch weiter ins Minus gedrückt worden. Das ist aber noch nicht alles.
Mit Null-Prozent Krediten für Banken und Sparkassen hat die EZB ein weiteres Instrument geschaffen, um die Banken zu motivieren, mehr Kredite in die Wirtschaft zu geben. Wir erklären genau, wie das funktioniert.
- 2.287,302 Milliarden Euro TLTRO-III-Kredite hat die EZB den Banken der Eurozone seit September 2019 in bislang neun Auktionen zugeteilt (Mehr dazu…)
- Die Zinsen für diese Kredite liegen bei bis zu minus einem Prozent pro Jahr, die Banken bekommen von der EZB also Geld dafür, die Kreditvergabe anzukurbeln
- Bis zu 34,43 Milliarden Euro risikolose Gewinne wären für die Banken daraus möglich, würden sie dieses Geld zu Strafzinsen von minus 0,50 Prozent direkt bei der EZB auf ihre Zentralbank-Girokonten legen. Lassen sie die TLTRO-III-Gelder zinslos in ihren Büchern, würde sich der risikolose Ertrag auf bis zu 68,87 Milliarden Euro belaufen und reichen sie das gesamte Geld in Form von Krediten zu 1,00 Prozent pro Jahr an die Wirtschaft aus, läge der Ertrag sogar bei bis zu 137,74 Milliarden Euro. (Mehr dazu…)
- Nach 1.100 Millionen Euro in 2020 haben Banken in Deutschland auf diese Weise alleine im 1. Halbjahr 2021 rund 2.377 Millionen Euro Zinsen von der EZB dafür eingestrichen, diese negativ verzinsten Kredite aufgenommen zu haben (Mehr dazu…)
Was heißt GLRG oder TLTRO?
Die Deutsche Bundesbank übersetzt das Programm in „Gezielte Langfristige RefinanzierungsGeschäfte (GLRG)“, im englischen Original heißt es „targeted longer-term refinancing operations (TLTRO)“. Ziel ist, die Banken durch kostenloses Geld plus Zinsboni zur verstärkten Kreditvergabe zu motivieren.
Zusammenfassung von GLRG II
- 30% des bisherigen Kreditvolumens können Banken als frisches Geld für vier Jahre zu 0,00 Prozent bei der EZB ausleihen (s. Bsp. In der Mitte der Grafik)
- Banken, die im vergangenen Jahr das Kreditvolumen steigerten, können für eine erneute Steigerung Bonuszinsen von bis 0,4 Prozent auf das aufgenommene Kapital erhalten
- Banken, die im vergangenen Jahr das Kreditvolumen reduzierten, können für eine weniger starke Reduzierung ebenfalls einen Bonuszins von bis zu 0,4 Prozent auf das aufgenommene Kapital erhalten
- Das Programm steht allen Banken und Sparkassen im Euro-Raum zur Verfügung
- Diese Finanzierungsrunden konnten ursprünglich vier Mal durchgeführt werden. Erste Termine waren Juni, September und Dezember 2016 sowie März 2017
Hintergrund
Der europäische Wirtschaftsraum sieht sich in einer Zeit, in der die Inflationsrate viel zu niedrig ist. Der von der EZB gewünschte Wert, der ein gesundes Wirtschaftswachstum unterstützen soll, liegt „mittelfristig unter, aber nahe zwei Prozent“ (1). Davon sind wir allerdings nach wie vor weit entfernt.
Ein wesentlicher Faktor für das Erreichen dieses Inflationsziels ist eine gute Kreditvergabesituation. Die statistischen Daten, die der EZB zur Verfügung stehen, unterstreichen, dass Banken noch immer nicht genug Geld in den Wirtschaftskreislauf spülen.
Dieses Geld soll von Privatleuten und Unternehmen für Investitionen und Konsum verwendet werden. Die so gesteigerte Nachfrage führt zu einer höheren Produktion, um die Nachfrage zu befriedigen.
Das wiederum fordert Menschen, die die anfallende Arbeit bewältigen und es entstehen neue Jobs. Aus Arbeitslosen werden Arbeitnehmer was einerseits die Sozialkassen entlastet und gleichzeitig die Steuereinnahmen erhöht. Diese Steuern bezahlen u.a. die öffentlichen Strukturen und die sozialen Sicherungssysteme.
Das neue Instrument der EZB
Einerseits bezahlen die Banken den häufig zitierten Strafzins, wenn sie Geld bei der EZB zwischenparken. Seit September 2019 beträgt dieser Zinssatz -0,5 Prozent (davor seit September 2016 -0,4 Prozent). Das sollte die Banken motivieren, das Geld eben nicht bei der EZB anzulegen, sondern bei ihren Kunden und zwar in Form von Krediten. Bezeichnen wir diese Maßnahme als Peitsche für die Banken.
Allem Anschein nach hat das aber noch nicht ausgereicht. Nach wie vor ist die Kreditvergabe nicht auf dem erwünschten Niveau. Gerade die Kreditzinsen im Bereich der Privatkredite haben sich im vergangenen Jahr kaum verändert (2).
Das neue Instrument der EZB bietet nun zusätzlich ein Zuckerbrot für die Kreditinstitute: Sie belohnen Banken und Sparkassen, wenn sie künftig mehr Kredite vergeben. Nicht nur, dass sie das Geld zu Null-Prozent ausleihen können, sie bekommen sogar noch einen Bonuszins in Aussicht gestellt.
Vergleichen Sie jetzt die aktuellen Konditionen der Privatkredite und profitieren Sie dabei von der Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche, mit der die EZB versucht, die europäischen Banken zu manövrieren.
Was kostet dieses Konjunkturprogramm der EZB?
Geld ohne Zinsen zu verleihen, ist eher untypisch für eine Bank. Und dann noch etwas oben drauf zu legen, käme wohl keinem Banker dieser Welt in den Sinn. Dennoch ist es genau das, was die EZB umsetzt. Da stellt sich die Frage, was die Aktion kosten soll.
„Das können wir heute noch nicht berechnen. Die EZB will die Kreditvergabe und damit die Wirtschaft ankurbeln und nicht selbst Geld verdienen. Erfolgreichen Banken wird etwas von der Last abgenommen, die sie durch den negativen Einlagenzins haben“, so ein Sprecher der EZB.
Funktionsweise der GLRG II
Banken können sich bei der EZB Geld leihen, um es an ihre Kunden weiterzureichen. Im Gegenzug nimmt die EZB Sicherheiten von den Kreditinstituten in Form von Wertpapieren.
Im Prinzip funktioniert das ähnlich einem Einzelhändler, der beim Hersteller Waren günstiger einkauft als er sie an seine Kunden weiterverkauft.
Die EZB bietet nun den Banken an, eine Inventur der bestehenden Kredite zu bestimmten Stichtagen zu machen. Diese Inventur inkludiert alle Kredite an private Haushalte und Unternehmen und exkludiert alle Wohnungsbaukredite.
Dieser Stand bildet die Grundlage für den weiteren Verlauf. Dazu werden die Kreditinstitute in zwei Gruppen unterteilt: Diejenigen, die im vergangenen Jahr die Kreditvergabe gesteigert haben und diejeigen, die weniger Kredite vergeben haben.
Grundlage ist geschenktes Geld plus Bonuszahlungen
Im Kern bekommen die Banken nun die Möglichkeit sich Geld bei der EZB für volle vier Jahre zum aktuelle gültigen Leitzinssatz zu leihen. Das sind die besagten Null Prozent. Normalerweise sind diese Refinanzierungsgeschäfte auf eine Woche, einen Monat oder im Ernstfall auch auf ein paar Monate ausgelegt.
Dieser enorm verlängerte Zeitraum gibt den Banken ein großes Plus an Sicherheit. Diese sichere Option bekamen die Banken zuerst vier Mal geboten. Die ersten Termine waren Juni, September und Dezember 2016 sowie März 2017. Zu jedem Stichtag wird eine neue Bewertung vorgenommen und die Banken können von dem Programm profitieren.
Schaffen die Banken eine Verbesserung ihrer Performance hinsichtlich der Kreditvergabe binnen zwei Jahren nach jedem Optionstermin (erster Abrechnungsstichtag war der 31. Januar 2018), legt die EZB noch einen oben drauf: Die Banken bekommen für dieses Mehr einen Zinsbonus, der bis zur Höhe des festgelegten Strafzinses ausfallen kann.
Bis zu 30 Prozent der Summe an vergebenen Krediten können Banken durch die GLRG II refinanzieren.
Es ist tatsächlich so: Die Banken können sich kostenlos Geld besorgen und vergeben es an die Kunden, die dafür natürlich Zinsen bezahlen. Plus: wenn es ihnen gelingt, das Kreditvergabegeschäft zu steigern, bekommen sie dafür noch extra Geld von der EZB oben drauf.
Warum aber verschenkt die EZB Geld an Institute, die ihrerseits flächendeckend die Privatkredite so gut wie nicht verbilligen (siehe oben verlinkter Artikel)? Man denke nur an die Dispozinsen, die nicht selten noch im zweistelligen Bereich liegen.
„Die Teuerung ist im Euroraum schon seit zu langer Zeit zu niedrig. Das ist für die Wirtschaft schädlich und kann gefährlich werden. Um dem entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Kreditvergabe anzukurbeln. Das kommt allen zugute.
Unternehmen können wieder mehr investieren, was Arbeitsplätze sichert. Und langfristig ermöglicht eine Normalisierung von Wachstum und Inflation auch wieder erfreulichere Renditen für die Sparer. Die Höhe der Überziehungszinsen legt jede Bank selbst fest, das ist keine Angelegenheit der Zentralbank“, erklärt uns der Sprecher der EZB.
Für die EZB ist es wichtig, mächtige Instrumente für die geldpolitische Steuerung zur Verfügung zu haben und diese unabhängig einsetzen zu können. Mit dem Project AnaCredit der EZB wird die Institution künftig wesentlich besser in der Lage sein, Echtzeit-Daten zur aktuellen Kreditsituation in Europa zu analysieren. Unsere Studie stellt das Projekt und dessen Funktionsweise vor.
Schauen wir uns die Details zu diesem doch sehr verlockend klingenden Geschäft für die Banken an.
Banken mit gesteigertem Kreditvolumen
Banken, die im abgelaufenen Jahr mehr Kredit ausgegeben haben, sollen diesen positiven Kurs beibehalten. Haben sie zum Stichtag am 31. Januar 2016 beispielsweise 1 Mrd. Euro an Krediten in ihren Büchern und können diesen Wert bis zum nächsten Stichtag am 31. Januar 2018 um mindestens 2,5 Prozent steigern (1,025 Mrd. Euro), so bekommen sie den maximalen Bonus von 0,4 Prozent auf das Geld, das sie bei der EZB aufgenommen haben.
Steigern sie das Kreditvolumen nur ein wenig und bleiben unter der 2,5 Prozent Grenze wird der Bonus entsprechend verringert.
Banken mit reduziertem Kreditvolumen
Haben die Kreditinstitute ihr Kreditvolumen im vergangenen Jahr reduziert, sollen sie zumindest dahingehend motiviert werden, in Zukunft das Volumen weniger stark zurückzufahren. Fand beispielsweise eine Reduzierung von 1 Mrd. Euro auf 900 Mio. Euro statt sollen sie im Betrachtungszeitraum weniger stark zurückfahren.
Die Reduzierung im Beispiel beläuft sich auf 10 Prozent. Würden sie diesen Wert beibehalten, würden sie am Stichtag 31. Januar 2018 ein Kreditvolumen von 810 Mio. Euro verbuchen (900 Mio minus 10 Prozent).
Schaffen es die Geldhäuser die Reduzierung um 2,5 Prozent oder mehr abzubremsen, dann erhalten auch diese Banken den vollen Bonus von 0,4 Prozent. Im Beispiel wäre das also ein Kreditvolumen von 832,5 Mio. Euro statt 810 Mio. Euro.
Bremsen sie die Reduzierung weniger stark ab, erhalten sie einen entsprechend geringeren Bonus.
Einfluss auf Inflation und Wachstum
Die EZB veröffentlichte Anfang 2019 in einem Wirtschaftsbericht Zahlen, die den Einfluss ihrer seit 2014 betriebenen unkonventionellen Politik auf die Inflation und das reale Wirtschaftswachstum verdeutlichen. Sie geht davon aus, dass Negativzinsen, Anleihekäufe, sehr langfristige Refinanzierungsgeschäfte sowie Aussagen über den künftigen geldpolitischen Kurs die Kennzahlen im Zeitraum 2016 bis 2020 um jeweils ca. zwei Prozentpunkte anheben werden. Die nachfolgende Tabelle zeigt, um wie viel Punkte die Inflation und das Wirtschaftswachstum höher anstiegen und ansteigen werden, als es ohne die genannten Maßnahmen der Fall wäre. (5)
Jahr | Einfluss auf Inflation | Einfluss auf reales Wirtschaftswachstum |
---|---|---|
2016 | +0,85 Punkte | +0,79 Punkte |
2017 | +0,49 Punkte | +0,48 Punkte |
2018 | +0,22 Punkte | +0,31 Punkte |
2019 (voraussichtl.) | +0,21 Punkte | +0,20 Punkte |
2020 (voraussichtl.) | +0,16 Punkte | +0,08 Punkte |
Fazit
Was bedeutet GLRG II für die Banken und Sparkassen im Euro Raum?
- Sie können sich vier Mal kostenfrei Geld leihen
- Diese Refinanzierung läuft garantiert über vier Jahre
- Verbessern sie das Kreditgeschäft bekommen sie zusätzlich zum Kreditzins ihrer Kunden einen Bonus von der EZB
Es winkt den Banken ein besonders attraktives Angebot durch die EZB, das die Kreditinstitute an zwei Fronten Geld verdienen lässt. Einerseits bekommen sie Zinsen von ihren Kunden für die ausgereichten Kredite und andererseits lockt die EZB mit Bonuszinsen, dafür dass sie mehr Kredite ausgeben.
Ein lohnenswertes Geschäft, das seine Wirkung nicht verfehlen sollte. Wenn die Kreditinstitute davon profitieren wollen müssen sie ihr Kreditgeschäft ausweiten. Sollte die Nachfrage dazu durch private Haushalte und Unternehmen nicht von sich aus steigen, werden die Banken mit dem GLRG II Programm hinreichend motiviert, die Kredite zu verbilligen.
Denn beim Geld ist es wie bei allen anderen Produkten auch: Die Masse reagiert auf vergünstigte Preise mit einer steigenden Nachfrage. Das kommt natürlich auch den Banken selbst zu Gute. Zuckerbrot und Peitsche, bzw. Belohnung und Motivation liegen den Banken nun vor. Es ist an ihnen, das Beste daraus zu machen.
Zuletzt machten sich die Maßnahmen bereits in der Wirtschaft bemerkbar. Effekte zeigten sich bei der Inflation und dem realen Wirtschaftswachstum, konkret im Wachstum beider Kennzahlen.
Update November 2018: GLRG II folgt GLRG III
Die Europäische Zentralbank plant, dem TLTRO II im Jahr 2019 TLTRO III folgen zu lassen. Hintergrund ist die Situation der Banken in Spanien und Italien.
Anfang des Jahres sah es jedoch so aus, dass die Institute wieder in Zahlungsnot kämen. So hatten die Banken noch in
- Italien 251 Milliarden Euro
- Spanien 170 Milliarden Euro
- Frankreich 114 Milliarden Euro
- Deutschland 94 Milliarden Euro
in den Büchern.
Diese Gelder müssen jedoch abgelöst werden, wenn die Restlaufzeit unter zwölf beziehungsweise unter sechs Monate fällt. Aus regulatorischen Gründen dürfen diese Mittel ab Juni 2019 nicht mehr zur Ermittlung bestimmter Kennzahlen angerechnet werden. Somit entsteht ein neuer Finanzierungsbedarf, dem Mario Draghi mit dem TLTRO III nachkommen möchte.
Im Juni 2020 werden 380 Milliarden Euro fällig, im März 2021 sind es 230 Milliarden Euro. Gerade die kleineren und mittleren Banken sind von diesen Fälligkeiten betroffen. Laut Commerzbank umfasste das Volumen von TLTRO II seinerzeit 760 Milliarden Euro. Die letzte Tranche wurde im Jahr 2017 zugeteilt.
TLTRO III kann auch ein Mittel sein, zu verhindern, dass es in der Eurozone zu einem plötzlichen Rückgang an Liquidität kommt, der wiederum die Institute hart treffen würde. Dennoch steht ein weiterer Langfristtender konträr zur aktuellen EZB-Strategie einer Normalisierung der Geldpolitik.
Vor diesem Hintergrund fordert beispielsweise Barclays, dass eine Mittelverwendung nur für die Vergabe von Krediten an private Haushalte erfolgen dürfe, nicht für den Ankauf von Staatsanleihen. Als Verzinsung wäre eine Anpassung an den jeweils gültigen Leitzins denkbar.
Verzichtet die EZB jedoch auf die Auflage von TLTRO III, könnte dies negative gesamtwirtschaftliche Folgen haben. Für die Banken würde sich die Refinanzierung erheblich verteuern, was wiederum eine Erhöhung der Kreditzinsen zur Folge hätte. Dies würde einen Rückgang der Kreditaufnahme und damit des Konsums nach sich ziehen. Gift für die sich langsam erholende Wirtschaft in den Krisenstaaten Europas. (3)
Update März 2019: Auf TLTRO II folgt TLTRO III
Es mehren sich die Anzeichen, dass die Wirtschaft in der Europäischen Union wieder in schwereres Fahrwasser gerät. Für die Europäische Zentralbank hat sich die Zahl der Möglichkeiten, die Konjunktur wieder zu beleben, eingeschränkt. Null-Zins-Kredite, Strafzinsen für Banken auf bei der EZB geparkte Gelder – das Pulver ist verschossen. Was noch bleibt, sind Ankündigungen, wie man einer möglichen Rezession entgehen möchte.
Zunächst einmal verkündete die EZB, dass es bis auf weiteres, also auf nicht absehbare Zeit, bei den Niedrigzinsen bleibt. Mario Draghi hatte zwar erklärt, die EZB wolle auch in Zukunft flexibel agieren, es bleibt nur die Frage, wie. An der Zinsschraube kann sie nicht weiter nach unten drehen. Allerdings sollen im September 2019 die billigen Langfristkredite für die Geschäftsbanken neu aufgelegt werden. Diese wurden unter dem Begriff „Targeted longer-term refinancing operations“, kurz TLTRO, bekannt und werden bereits in der dritten Tranche, der TLTRO III, aufgelegt. Das neue Programm dauert bis März 2021 und erlaubt es den Banken, sich weiter mit extrem günstigen Krediten einzudecken.
Vorrangiges Ziel der EZB mit TLTRO III ist es, die Kreditvergabe an Unternehmen und Privatkunden durch die Geldhäuser der Eurozone auszuweiten. Die preisgünstigen EZB-Kredite werden dafür bis 2021 in insgesamt sieben Tranchen ausgereicht.
TLTRO III dient aber nicht nur der Vergabe von Krediten zum Nulltarif. TLTRO III hilft Banken auch, sich möglicherweise zu „schminken“. Im Sommer 2019 fallen einige Tranchen der vorangegangenen TLTRO II Darlehen unter eine Restlaufzeit von einem Jahr. Es ist den Banken dann nicht mehr möglich, diese Gelder für die Berechnung von Finanzrücklagen zu nutzen. Die Net Stable Funding Ratio, NSFR, wurde im Zusammenhang mit der Finanzkrise als Kennziffer für die strukturelle Liquiditätsquote eingeführt.
Eine neue Auflage eines TLTRO für die Schaffung künstlicher Liquidität, die durch Ablauf des vorherigen TLTRO notwendig wird, hat schon etwas von Schönfärberei. Es wird bankseitig mit Unterstützung der EZB Liquidität vorgegaukelt, die es nicht gibt. Der Steuerzahler wird für dumm verkauft. (4)
Knapp ein Jahr später, Anfang Februar 2020, steht die EZB kurz vor der dritten Tranche und gab bekannt, dass sie weiterhin von einer besseren Kreditvergabe an Unternehmen in der Eurozone durch TLTRO III ausgehe. Es wird erwartet, dass Banken diese günstigen EZB-Kredite im Volumen von 300 Milliarden bis 560 Milliarden Euro abrufen werden. Wenn dieser Fall eintritt, würde das ein Wachstum der Kreditvergabe im Euroraum um fast 0,4 Prozentpunkte bedeuten. Kreditkosten für Unternehmen könnten sich um bis zu 15 Basispunkte senken. In den ersten beiden Tranchen von TLTRO III wurden bisher 101 Milliarden Euro von den Kreditinstituten bei der EZB abgerufen. (6), (7)
Update April 2020: Zinssenkung für TLTRO III
Am 30. April 2020 teilte die EZB-Präsidentin Christine Lagarde erstmals rein virtuell in einer Videokonferenz die Beschlüsse des EZB-Rats der Presse mit – die Hygieneregeln in Bezug auf das Coronavirus erforderten diese Maßnahmen. In diesem Termin erklärte sie unter anderem, dass für das bestehende Langfrist-Kredit-Programm TLTRO III niedrigere Zinsen beschlossen wurden. Konkret sollen die Zinssätze vom Juni 2020 bis Juni 2021 nochmals um 25 Basispunkte gesenkt werden. Sie sollen also künftig 25 Basispunkte unter dem durchschnittlichen Hauptrefinanzierungssatz von unverändert null Prozent und somit bei -0,25 Prozent liegen. Teilweise sollen sogar Zinsen bis -1,00 Prozent statt wie bisher bis -0,75 Prozent möglich sein.
Diese guten Zinsen erhalten Banken nach wie vor, wenn sie bei der EZB Kredite aufnehmen, um sie an ihre Kunden weiterzureichen. Außerdem gelten dafür erleichterte Bedingungen in Bezug auf Sicherheiten. Neu hinzugekommen sind außerdem sogenannte „Pandemic Emergency Long-Term Refinancing Operations“ (PELTRO), also langfristige Krisenkredite.
Lagarde betonte in der Pressekonferenz, dass diese Entscheidung nicht für Banken getroffen wurde, sondern um die Finanzierung der Wirtschaft im Euroraum sicherzustellen. Die Banken seien stabiler als zur Zeit der letzten Finanzkrise und jetzt gehe es hingegen darum, die Kreditvergabe anzukurbeln. (8)
Update Juni 2020: EZB teilt bei TLTRO III Rekordsumme zu
Noch nie stießen die Maßnahmen der EZB bei Konjunkturbelebungsprogrammen durch Langfristkredite auf ein solches Echo wie im Sommer 2020. Die Zahl der Banken, die auf TLTRO III, die dritte Tranche der Targeted Long-term Refinancing Operations, zugreifen, stieg von 114 auf 742 Institute.
Banken konnten sich damit wie immer zu niedrigsten Zinsen refinanzieren, um auf diese Weise billiges Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Die Gelder wurden langfristig ausgeliehen, in diesem Fall für 1.099 Tage. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass auch Restbestände und fällige Gelder in den Topf mit einfließen. In der Summe sind am 24. Juni 2020, dem Tag der Wertstellung, im Umkehrschluss 821 Milliarden Euro zur Rückführung fällig. Der Liquiditätsanstieg beträgt somit lediglich 487 Milliarden Euro (9).
Wie sieht dies in der Realität aus? Aktuell liegt der Refinanzierungssatz bei minus 0,5 Prozent, heißt, Banken werden für die Kreditaufnahme bei der EZB belohnt. Der Zins für TLTRO III orientiert sich am Refinanzierungssatz und notiert 0,5 Prozent darunter. Mit anderen Worten, die Banken erhalten ein Prozent Zinsen auf die geliehenen Gelder.
Interessant wird die Zahl, wenn man sich das Volumen dieses Paketes anschaut. Die Rede ist bei dieser Tranche von 1.308,43 Milliarden Euro. Zum Vergleich, bei der letzten Tranche teilten sich 114 Banken „nur“ 114,979 Milliarden Euro. Die EZB lässt sich TLTRO III über 13 Milliarden Euro an Zinsen kosten. Je nachdem, wie es die Banken mit den Geldern handhaben, stehen auf jeden Fall schöne Einnahmen im Raum.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Verdienstmöglichkeiten, die sich den europäischen Banken auftun. Zur Auswahl stehen zwei Alternativen:
- Die Banken tun, was sie tun sollen und leiten die Gelder durch vermehrte Kreditvergabe in die Volkswirtschaften.
- Die Kreditinstitute machen nichts und parken das Geld bei der EZB.
Zinsdifferenz | Ertrag in Mrd. Euro | |
---|---|---|
EZB vergibt 1.308,43 Mrd. EUR zu -1,00% Zinsen p.a. für 1.099 Tage an Banken | ||
Gelder bleiben zu -0,50% p.a. als Einlage bei der EZB | 0,50% | 19,70 |
Kreditvergabe zu 0,00% p.a. | 1,00% | 39,40 |
Kreditvergabe zu 0,50% p.a. | 1,50% | 59,09 |
Kreditvergabe zu 1,00% p.a. | 2,00% | 78,79 |
Die Berechnung ließe sich beliebig fortführen. Schon ohne Kreditvergabe erzielen die Institute eine attraktive Marge für das Nichtstun bei keinerlei Risiko. Mit der gedachten Vergabe der Gelder an Kreditnehmer wird das Geschäft noch lukrativer. Nicht nur theoretisch könnten die Banken Kredite für null Prozent Zinsen ausreichen und dennoch solide Gewinne verbuchen.
Update November 2020: Weitere Zinssenkung im Dezemeber
Im November 2020 wurde die Nachricht über einen Corona-Impfstoff bekannt, der schon bald verteilt werden könnte und eine Wirkungsquote von bis zu 90 Prozent aufweisen soll. Die Hoffnung auf den baldigen Impfstoff machte sich direkt an der Börse bemerkbar. Doch für die EZB ist diese Nachricht noch lange kein Versprechen auf zeitnahe Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. EZB-Präsidentin Christine Lagarde stellte daher Mitte November weitere Lockerungen der EZB-Geldpolitik für Dezember 2020 in Aussicht, wozu auch die Erhöhung der Liquidität für die Banken über TLTRO III gehören soll.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch unter den „fünf Wirtschaftsweisen“ bekannt, sieht diese Entscheidung allerdings kritisch und warnt vor voreiligen Lockerungen. (10)
Bisherige TLTRO III-Auktionen
Für den Zeitraum September 2019 bis März 2021 sind insgesamt sieben TLTRO III-Auktionen mit jeweils vierteljährlichem Abstand geplant. Die Laufzeit der TLTRO III-Geschäfte beträgt in der Regel drei Jahre. Bei der letzten Auktion im Juni 2021 gaben 224 Kreditinstitute ein Angebot ab und der Zuteilungsbetrag summierte sich auf insgesamt 110 Milliarden Euro. Das achte Refinanzierungsgeschäft der EZB ist damit auf geringeres Interesse bei den Banken gestoßen als die vorhergehende Tranche. (11)
Bisherige TLTRO III-Auktionen | |||||
---|---|---|---|---|---|
Stufe | Bietungsvolumen bzw. gesamter Zuteilungsbetrag in Mrd. EUR | Anzahl der Bieter | Valutierungstag | Verfalltag | Laufzeit in Tagen |
1 | 3,396 | 28 | 25.09.2019 | 28.09.2022 | 1.099 |
2 | 97,718 | 122 | 18.12.2019 | 21.12.2022 | 1.099 |
3 | 114,979 | 114 | 25.03.2020 | 29.03.2023 | 1.099 |
4 | 1308,433 | 742 | 24.06.2020 | 28.06.2023 | 1.099 |
5 | 174,464 | 388 | 30.09.2020 | 27.09.2023 | 1.092 |
6 | 50,414 | 156 | 16.12.2020 | 20.12.2023 | 1.099 |
7 | 330,501 | 425 | 18.03.2021 | 27.03.2024 | 1.099 |
8 | 109,829 | 224 | 17.06.2021 | 26.06.2024 | 1.099 |
9 | 97,568 | 152 | 23.09.2021 | 24.09.2024 | 1.092 |
Gesamt | 2.287,302 | ||||
Quelle: Deutsche Bundesbank, Stand 14.10.2021 |
Was Banken mit den TLTRO-Geldern verdienen können
Die Gelder aus den TLTRO-Auktionen sind für Banken eine wahre Goldgrube für risikolose Gewinne. Selbst wenn das im besten Fall zu -1,00 Prozent Zinsen pro Jahr aufgenommene Geld direkt wieder auf dem Zentralbank-Girokonto der jeweiligen Bank geparkt werden würde, würde die Zinsmarge risikofreie 0,50 Prozentpunkte betragen. Wir haben nachfolgend einmal durchgerechnet, was die Banken an den TLTRO-III-Krediten im (theoretischen) Idealfall in verschiedenen Szenarien verdienen können:
Zinsdifferenz | Ertrag in Mrd. Euro | |
---|---|---|
EZB vergibt 2.287,302 Mrd. EUR zu -1,00% Zinsen p.a. für 1.099 Tage an Banken | ||
Gelder bleiben zu -0,50% p.a. als Einlage bei der EZB | 0,50% | 34,43 |
Kreditvergabe zu 0,00% p.a. | 1,00% | 68,87 |
Kreditvergabe zu 0,50% p.a. | 1,50% | 103,30 |
Kreditvergabe zu 1,00% p.a. | 2,00% | 137,74 |
Veröffentlicht am 23.09.2016
Letztes Update am 14.10.2021
Was Banken in Deutschland an TLTRO III verdienen
Laut Jahresbericht der Deutschen Bundesbank haben Kreditinstitute in Deutschland 2020 rund 1,1 Milliarden Euro Zinsen von der EZB im Rahmen des TLTRO-III-Programms für dort aufgenommene Kredite erhalten. Um in Erfahrung zu bringen, welche Kreditinstitute in welcher Höhe daran verdient haben, werfen wir einen Blick in die Geschäftsberichte dieses Jahres. Nachfolgend die uns vorliegenden Zahlen, die wir regelmäßig ergänzen:
Kreditinstitut | Erträge aus TLTRO III in 2020 in Mio. EUR | Erträge aus TLTRO III im 1. HJ 2021 in Mio. EUR |
---|---|---|
Aareal Bank | 11,00 | 12,00 |
Apo Bank | 30,00 | 28,00 |
BayernLB | 13,00 | 164,00 |
Berlin Hyp | 46,50 | |
Commerzbank | 126,00 | 254,00 |
Deutsche Bank | 110,00 | 282,00 |
Deutsche Kreditbank (DKB) | 14,00 | 105,00 |
Deutsche Pfandbriefbank | 20,00 | 37,50 |
DZ Bank | 41,00 | 67,00 |
Hamburg Commercial Bank | 8,00 | 15,50 |
Hamburger Sparkasse | 60,00 * | |
Helaba | 34,00 | 45,00 |
HypoVereinsbank | 108,00 | |
KfW | 35,00 | 33,50 |
Landesbank Berlin | 23,50 | 8,00 |
LBBW | 61,00 | 110,00 |
Münchener Hypothekenbank | 10,00 | |
Nord/LB | 2,00 | |
NRW.Bank | 81,90 | |
Postbank | 126,00 | |
PBB | 19,00 | |
Santander Consumer Bank | 6,80 | |
UniCredit Bank | 113,00 | 108,00 |
Volkswagen Bank | 13,4 | |
Gesamt | 753,6 | 1.629,00 |
Gesamt laut Bundesbank | 1.100 | – |
Anteil durch uns zuordenbarer TLTRO-III-Erträge | 68,50% | – |
Hochrechnung der TLTRO-III-Erträge | – | 2.377,00 |
Letztes Update am 14.10.2021, Quellen: eigene Recherchen, Finanz-Szene.de, * Schätzung
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Europäische Zentralbank (EZB) – Pressemitteilung vom 10. März 2016 (PDF)
(2) Kreditvergleich.net – Europäische Banken melken Privatkunden
(3) Neue Züricher Zeitung – Die EZB erwägt neue Kredite zur Stützung des Bankensektors
(4) finanzen.net – ROUNDUP/EZB überrascht: Längeres Zinsversprechen und neue Kredite für Banken
(5) finanzen.net – EZB beziffert Effekte ihrer unkonventionellen Politik
(6) Manager Magazin – Sieben Geldsalven für Banken – EZB will Kreditvergabe ankurbeln
(7) Reuters – ECB’s new loan facility still expected to boost volumes, cut costs
(8) FAZ – https://www.faz.net/aktLagarde bewahrt in EZB-Geistersitzung die Ruheuell/wirtschaft/christine-lagarde-bewahrt-in-ezb-geistersitzung-die-ruhe-16749296.html
(9) Finanztreff.de – EZB teilt bei viertem TLTRO3 1.308,43 Mrd Euro zu
(10) Börsen-Zeitung – Lagarde avisiert Lockerung Wirtschaftsweise warnen
(11) Deutsche Bundesbank – Informationen zu bisher ausstehenden TLTRO-III