Kredit mit Negativzinsen
Das historische Zinstief verlangt auch den Mitarbeitern der Marketingabteilungen sämtlicher Kreditinstitute das Äußerste ab. Gingen Verbraucher bisher davon aus, dass Banken Geld über die Kreditvergabe verdienen, scheint die Wirklichkeit eine andere zu sein. Offensichtlich generieren sie Einkommen, indem sie ihren Darlehensnehmern Zinsen gutschreiben. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Nachfolgend erfahren Sie daher mehr über die Kredite mit Negativzinsen.
- Seit 2017 sind Kredite mit negativen Zinsen regelmäßig erhältlich.
- Die aktuellste Zinsaktion führt derzeit smava mit -5,00 % effektivem Jahreszins (-5,12 % Sollzins p.a., 1.000 Euro Kreditsumme, 12 Monate Laufzeit).
- Einen dauerhaften Negativzins bieten seit 2020 OFINA (bei 1.000 Euro und 12 Monaten) sowie smava (bei 1.000 Euro und 24 Monaten).
- Negativzins-Angebote sind bisher auf 1.000 Euro maximiert und setzen entsprechende Bonität voraus.
- Für die Anbieter preiswerte Option, an Neukunden mit später größerem Kreditbedarf zu gelangen.
- Laufzeiten je nach Negativzins-Aktion bisher 12, 24 oder 36 Monate.
- Risiko für die Darlehensnehmer: Unbedachte Kreditaufnahme, späterer Kreditbedarf kann hohe Zinsen mit sich bringen.
- Bei Beträgen über 1.000 Euro gibt der Zweidrittelzins im Kreditvergleich Hinweise auf wirklich günstige Geldgeber.
Warum gibt es Kredite mit Minuszinsen?
Das Kreditgeschäft ist sowohl in der alten Welt als auch online ein hart umkämpfter Markt. Kreditplattformen brauchen Ideen, um potenzielle Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Einige Firmen gehen daher beim Marketing aggressiver vor als andere.
Werbung kann prinzipiell zwei Wege gehen. Entweder über das Gießkannenprinzip, wie bei der Fernsehwerbung. Breit gestreut werden so viele Verbraucher wie möglich angesprochen, mit der Hoffnung, dass einige wenige Interessenten gewonnen werden können. Sehr viel effizienter fällt Werbung jedoch aus, wenn das Unternehmen seine Kampagne zielgerichtet auf bereits qualifiziertem Adressmaterial aufbauen kann. Der schöne Begriff „qualifiziertes Adressmaterial“ bedeutet nichts anderes, als dass der Kunde bereits ein Produkt erworben hat oder starke Affinität dazu aufweist.
Die oftmals auf Facebook und Google geschaltete Werbung für Kredite mit Minuszinsen basiert auf qualifiziertem Adressmaterial, da die User durch ihre (Bewegungs)profile und Interaktionen genug von sich preisgeben, um Affinitäten erkennen zu lassen.
Kommen wir zurück zu Ratenkrediten mit Negativzinsen. Die Rahmenbedingungen entsprechen kaum dem tatsächlichen Kreditbedarf der meisten Kreditnehmer. smava und Check24, die beiden derzeitigen Kontrahenten, grenzten ihre jeweiligen Angebote stark ein. Sie stellten 1.000 Euro für die Dauer von zwölf bzw. 24 Monaten zu einem Zinssatz von -1,5 Prozent (Check24) und -5 Prozent (smava) zur Verfügung, soweit denn auch eine ausreichend gute Bonität nachgewiesen werden konnte. Die Laufzeit variiert von Aktionszeitraum zu Aktionszeitraum.
Rein auf den Zinssatz abgestellt, den die Anbieter an die Kunden zahlen müssen, erhalten sie also für 15 Euro bzw. 50 Euro Adressen von Verbrauchern, die
- über eine gute Bonität verfügen
- bereits einen Kredit gekauft haben und dies vermutlich wieder tun werden
- auch zukünftig auf den Anbieter zurückgreifen, der ihnen beim letzten Mal Geld geschenkt hat.
Das Investment in Höhe von 15 Euro bzw. 50 Euro für einen Datensatz, der die ersten beiden Kriterien erfüllt, fällt im Vergleich zu den Kosten für Werbekampagnen, die wie Fernsehwerbung blind streuen, geradezu marginal aus.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Kreditinstitute vor dem Hintergrund des Niedrigzinsniveaus hohe Zinsen für Einlagen zu zahlen haben. Zusammengefasst: Beim derzeitigen Zinsniveau zahlen die Kreditinstitute liebend gern für zielführende Marketingmaßnahmen, anstatt für hohe Zinsen für Einlagen.
Die Entwicklung der Kredite mit Negativzinsen
Die Idee, Kreditnehmern bei der Kreditaufnahme Geld zu schenken und dies als „Negativzinsen“ zu verkaufen, wurde das erste Mal im Sommer 2017 laut. Seitdem ist ein Kopf-an-Kopf-Spektakel zwischen Check24, smava und später auch Finanzcheck zu beobachten. Alle Anbieter vergebend die Kredite mit negativen Zinsen, allerdings nur einmal pro Kreditnehmer. Die aufgelisteten Aktionen beziehen sich jeweils auf Kredite mit vorgegebener Kreditsumme und Laufzeit. Meist werden sie lediglich bei einer Summe von exakt 1.000 Euro und einer Laufzeit von 12, 24 oder 36 Monaten (aktionsabhängig) vergeben.
Im März 2019 vergibt ein Vermittler erstmal keinen Kredit mit Negativzins, sondern verschenkt eine komplette Monatsrate. Check24 vermittelt während seiner Crazy Kredit Deal-Wochen noch bis zum 25.03.2019 Kredite mit einer Gratis-Monatsrate. Dabei ist völlig egal, wie hoch die Kreditsumme ausfällt und wofür der Kredit verwendet werden soll. Im Gegensatz zu den vorherigen Kreditaktionen muss der Antragsteller auch keine Top-Bonität mitbringen. Allerdings muss die Laufzeit mindestens 84 Monate betragen und der Kredit darf innerhalb von zwölf Monaten nach Abschluss nicht gekündigt oder vorzeitig abbezahlt werden.
smava | Check24 | Finanzcheck | |
---|---|---|---|
Sommer 2017 | -0,4% | ||
Februar 2018 | -1,5% | ||
Februar 2018 (nachgezogen) | -3% | ||
Februar 2018 (nachgezogen) | -100% | ||
Juli 2018 | -5% | -5% | |
Oktober 2018 | -0,4% | ||
Februar 2019 | -10% | ||
März 2019 | Eine Monatsrate geschenkt | ||
April 2019 | -20,19% (OFINA-Kredit) | ||
Januar 2020 | -0,4% | ||
März 2020 | -13,00% | -0,4% (OFINA-Kredit) – Aktion läuft noch | |
Oktober 2020 | -5,00% | ||
Zu den Anbietern: | Weiter | Weiter | Weiter |
Finanzcheck brachte als Dritter im Bunde im Februar 2018 eine Offerte an den Markt, die -100 Prozent Zinsen vorsah. Damit wollten die Betreiber – nach eigener Aussage – provozieren und aufzeigen, wie absurd die Angebote der Mitbewerber waren. Die Anzahl der Darlehen war allerdings auf die ersten 100 Kunden am 27.02.2018 ab 13:00 Uhr limitiert. Nach dreieinhalb Stunden war das Kontingent erschöpft.
„Wir wollen damit zeigen, dass auch minus 100 Prozent möglich sind, wenn man das Spiel so weiterführt, aber gleichzeitig betonen, dass es sich um eine bewusste Provokation handelt und wir diesen Preiskampf für nicht nachhaltig erachten“, erklärt Moritz Thiele, Gründer & CEO von Finanzcheck. (1)
Für das Angebot von smava aus Juli 2018 galt bei einer Laufzeit von 24 Monaten und dem effektiven Jahreszins von -5 Prozent eine monatliche Rate in Höhe von 39,48 Euro:
Bei Check24 sah es im Juli 2018 ein wenig anders aus:
- 000 € Nettokreditbetrag
- -5,0% eff. Jahreszins
- 2,72% geb. Sollzins p.a.
- 12 Monate
- Gesamtbetrag 972,49 €
- Rate 81,04 €
- Die SWK Bank vergibt diesen Aktionskredit mit nominalem Sollzins v. 2,72% p.a. und einer nominalen mtl. Rate von 84,56 €. Sie zahlen nur 81,04 € mtl., da CHECK24 3,52 € mtl. direkt an die Bank überweist.
Der letzte Satz macht deutlich, dass es sich hierbei um einen von Check24 subventionierten Kredit handelt. Die SWK Bank ist der Geldgeber im Hintergrund hält an ihren hauseigenen Konditionen fest.
Interessant ist, dass die Vorgabe im Kreditrechner auf 3.000 Euro ausgelegt ist. Es stellt sich auch die Frage, was passiert, wenn der Kreditnehmer das Darlehen nach drei Monaten aufstocken muss. Vermutlich greifen dann die üblichen Konditionen.
Nun ist der Preiskrieg zwischen den beiden Anbietern nicht ruinös, sondern in Bezug auf die Marketingstrategie vermutlich kostensenkend, aber nicht ganz ungefährlich.
Negativzinsen bei der KfW
Die KfW – Kreditanstalt für Wiederaufbau – vergibt schon lange Darlehen zum Negativzins. Doch seit Ende 2019 wirbt sie auch erstmals mit dieser Begrifflichkeit. Möglich macht es der Tilgungszuschuss, der die Kreditschuld reduziert und die Laufzeit verkürzt. Der Effekt ist der gleiche: Kreditnehmer der KfW zahlen somit weniger zurück, als sie aufgenommen haben.
Zur Verdeutlichung hält die KfW folgendes Beispiel bereit:
Sie möchten einen Kredit über 120.000 Euro aufnehmen, um mit einer Sanierung den KfW-Effizienzhaus-Standard 85 zu erreichen. Dann profitieren Sie von einem Sollzins von 0,75 % p. a., und dank eines Tilgungszuschusses von 36.000 Euro beträgt der effektive Jahreszins nur -2,43 %. Voraussetzung dafür sind eine Laufzeit von 30 Jahren, 1 tilgungsfreies Anlaufjahr und 10 Jahre Zinsbindung.
Pro und Contra für Kredite mit negativen Zinsen
„Was nichts kostet, taugt auch nichts“ sagt ein Sprichwort. Banken und Sparkassen stehen nicht zu Unrecht aufgrund überzogener Dispozinsen in der Kritik und verloren während des Zinstiefs diesbezüglich an Glaubwürdigkeit. Finanzierungsanbieter, die bei der Kreditvergabe Geld verschenken, wirken ebenfalls wenig glaubwürdig.
Auf den ersten Blick mögen diese Angebote verlockend sein, aber was macht ein Kreditnehmer, der 2.000 Euro benötigt? Bleibt er auf der Lockvogelseite, oder schaut er noch nach anderen Kreditangeboten? Ein Angebot mit dauerhaft niedrigen Zinsen bietet zum Beispiel OFINA an. Hier können Ratenkredite ursprünglich schon ab 0,00 Prozent effektivem Jahreszins erworben werden, seit März 2020 sogar ab -0,40 Prozent.
Ein Kredit i.H.v. 1.000 Euro, zinsfrei oder sogar mit Negativzinsen, mit einer Laufzeit von zwölf Monaten, birgt auf den ersten Blick keine Risiken. Es ist also verlockend, das Darlehen „einfach mal so“ zu beantragen. Bei einer unverhofften Arbeitslosigkeit können aber auch schon Raten von weniger als 100 Euro im Monat zu einem Problem werden.
Darüber hinaus verleiten diese Angebote zu einer unnötigen und möglicherweise unüberlegten Darlehensaufnahme – zusammen mit dem Dispo, der möglicherweise auch noch anhängt, kann hier der erste Schritt in die Schuldenfalle passieren.
Wer einen Kredit wirklich benötigt und sich ausführlich mit seiner finanziellen Situation befasst, wird im Vorfeld vergleichen sowie rechnen und nicht unüberlegt zuschlagen. Damit erfolgt die Kreditaufnahme bewusst und klammert potenzielle Risiken zwar nicht aus, schließt sie aber in die Überlegung mit ein.
Der Minuszins suggeriert außerdem, dass alle anderen Darlehen ebenfalls deutlich günstiger sind als die der Mitbewerber. Dass dies nicht der Fall ist, belegt der Zweidrittelzins. Dieser Zinssatz besagt, welchen Zins zwei Drittel der Kunden maximal bezahlen müssen. Hier zeigt sich, dass sich abseits der Minuszinsen schnell die Spreu vom Weizen trennt.
Sind die Minuszinskredite mit Laufzeiten von mehr als zwölf Monaten ausgestattet, stellt sich möglicherweise die Frage nach einer kostenlosen vorzeitigen Tilgung. Diese ist bei einem solchen Angebot kaum gegeben, die Anbieter berechnen eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Auch das Angebot von Check24 im März 2019 mit der geschenkten Kreditrate ist nicht immer ein Gewinn. Hier muss beachtet werden, dass es sich bei Check 24, wie auch bei smava und Finanzcheck, um Vermittler handelt. Sie vergeben nicht selbst die Kredite und legen demzufolge auch nicht die Kreditzinsen fest. Über die individuellen Zinsen entscheidet die Bank, abhängig von der Kreditsumme, der Laufzeit und bzw. oder der Bonität. Wer bei dem Check24-Angebot einmalig gutes Geld mit der geschenkten Kreditrate spart, zahlt es möglicherweise bei höheren Kreditzinsen wieder drauf.
Ein solider Kreditvergleich stellt auf jeden Fall die seriösere Lösung bei einer Kreditaufnahme dar, als ein Vorgehen wie auf dem Hamburger Fischmarkt.
Die Besonderheit
Es gibt bei Krediten mit Minuszinsen allerdings eine Besonderheit, die keinen Marketinghintergrund besitzt, sondern inhaltlich sinnvoll ist. Die Landwirtschaftliche Rentenbank, eine nicht auf Profit ausgerichtete öffentliche Bank, vergab im Frühjahr 2017 ebenfalls erstmals Kredite mit Minuszinsen. Damit reichte sie den Zinsvorteil, den sie als Bank bei der Refinanzierung durch die Europäische Zentralbank genoss, gezielt an ihre Klientel, die Landwirtschaft, für langfristige Investitionen weiter.
Baufinanzierung mit Negativzinsen
Spätestens seit August 2019 wird auch die Option Baufinanzierung mit Negativzinsen heiß diskutiert. Dies hat allerdings ganz andere Hintergründe. Bei den Überlegungen geht es nicht um Marketing, sondern um die Zinspolitik der EZB und die Kostengestaltung einer Bank. Wenn eine Bank Geld bei der EZB parkt, beispielsweise von den Spareinlagen ihrer Kunden, dann muss sie dafür momentan selbst draufzahlen. Von Strafzinsen ist die Rede.
Wie Frage lautet daher: Was ist teurer für eine Bank – Strafzinsen zu zahlen oder Kredite, im Speziellen Baufinanzierungen, mit Negativzinsen zu vergeben? Die Deutsche Bundesbank hält daher Negativzinsen auf Baukredite nicht für unmöglich. Bundesbank-Vorstandsmitglied Joachim Würmeling meinte dazu: „Betriebswirtschaftlich kann es für eine Bank sinnvoll sein, Kredite negativ zu verzinsen, anstatt selbst noch höhere Zinsen bei einer anderen Verwendung zu bezahlen.“ (3)
Die Kredit-Experten von Kreditvergleich.net sehen das anders und halten Minuszinsen auf Baufinanzierungen für unwahrscheinlich. Ein Gespräch mit dem Baufinanzierungsvermittler Dr. Klein ergab, dass hingegen Nullzins-Finanzierungen eher denkbar wären. Schon jetzt sind die Konditionen einiger Finanzierungsangebote sehr gering, die möglicherweise auch bald in einem Nullzins münden könnten, zumal der Wettbewerb im Bereich Baufinanzierung sehr stark ist. Das würde aber höchstwahrscheinlich nur Verträge mit sehr kurzen Laufzeiten und hohen Darlehenssummen betreffen. Geschäft ist Geschäft und eine Bank möchte und darf sich das schließlich auch nicht entgehen lassen. Die Frage sollte daher nicht lauten, für welches Geschäft sie weniger draufzahlen muss, sondern bei welchem Geschäft sie ausgleichend Einnahmen generieren kann.
Autor: Uwe Rabolt
Redaktion: Tina Reisewitz
veröffentlicht am 31.07.2018, letztes Update am 26.10.2020
Quellen und weiterführende Links
(1) Handelsblatt – Finanzcheck provoziert mit Kredit-Zinssatz von minus 100 Prozent
(2) Finanzcheck – -100% Zinssatz stellt den Kreditmarkt auf den Kopf
(3) n-tv – Bundesbank: Negativzins auf Immobilienkredite möglich