Milieuschutzsatzung
Was ein wenig nach Sankt Pauli klingt, hat als Instrument in der innerstädtischen Planung bundesweit Gewicht. Die offizielle Bezeichnung lautet Erhaltungssatzung und ist in § 172 Abs. 1 Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB) geregelt (1). Die Milieuschutzsatzung steht seit einiger Zeit wieder im Zentrum der lokalen politischen Diskussion. Das Stichwort dazu lautet „Gentrifizierung der Innenstädte“.
- Mit Hilfe der Milieuschutzsatzung oder Erhaltungssatzung können Kommunen die Eigenschaften von Stadtvierteln steuern.
- Die Satzung erlaubt Vorgaben in Bezug auf Sanierungsmaßnahmen und Mietgrenzen.
- Für Immobilienbesitzer stellt die Satzung unter Umständen ein Signal dar, notwendige Sanierungen zu unterlassen.
- Bei einer großflächigen Anwendung in einem Stadtteil besteht die Gefahr des Umkehreffektes, der Ghettoisierung.
Was regelt die Milieuschutzsatzung?
Die Milieuschutzsatzung gibt den Kommunen ein Instrument in die Hand, um wohnungspolitisch und städtebaupolitisch im weitesten Sinn „Schutzzonen“ zu definieren. Die Erhaltungssatzung verfolgt in der Regel drei Ziele:
- Aufrechterhaltung stadtviertelbedingter baulicher Eigenarten eines Viertels
- Erhalt der Bevölkerungsstruktur in einem Viertel
- Unterstützung städtebaulicher Neuordnungen
Man kann die Zielsetzung der Milieuschutzordnung sehr schön an konkreten, bundesweit bekannten Beispielen formulieren. Berlin-Kreuzberg wurde von einem „Kiez“ zu einer bevorzugten Wohnlage umsaniert. Der gleiche Prozess ist aktuell am Prenzlauer Berg zu beobachten.
Frankfurt-Nordend wandelte sich von einem Stadtteil mit „bunter Bevölkerung“ in ein top saniertes Stadtviertel, welches heute bei Mitarbeitern der ansässigen Banken ganz vorne im Fokus steht, wenn Menschen eine Bleibe suchen.
Die Wandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen führte zu einer Migration der früheren Bewohner in andere Stadtteile. Mit der Gentrifizierung des Stadtteils kam es auch zu einer Veränderung in der Struktur des Einzelhandels. Diesen Entwicklungen können die Kommunen auf der Rechtsgrundlage der Erhaltungssatzung entgegenwirken.
Was soll die Milieuschutzsatzung bewirken?
Aus den angeführten Beispielen lässt sich sehr leicht herauslesen, welche Zielsetzung zugrunde liegt. Bauliche Veränderungen, beispielsweise Luxussanierungen, können untersagt werden. Nicht-sanierter Wohnraum soll auch für Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen in den bevorzugten Wohnlagen bezahlbar bleiben.
Mit dem Erhalt der Bevölkerungsstruktur soll der einseitigen Sozialisierung eines Stadtteils entgegengewirkt werden. Dem steht der Wunsch gegenüber, einer Ghettoisierung in anderen Stadtteilen vorzubeugen.
Die Stadt Frankfurt hatte Ende der 90er Jahre in einer ehemaligen US-Housing Area ein Projekt gestartet. Die Wohnsiedlung wurde paritätisch von älteren Bürgern, sozial schwächeren Familien und „Durchschnittsbürgern“ besiedelt. Der Versuch, eine „bunte“ Struktur zu schaffen, schlug leider fehl.
Welche Folgen hat die Milieuschutzsatzung?
Bei den Konsequenzen muss man zwei Blickwinkel berücksichtigen. Geht man von dem Erhalt der Bevölkerungsstruktur aus, bietet die Erhaltungssatzung durchaus positive Ansätze. Bevölkerung muss allerdings wohnen.
Betrachtet man die Satzung aus den Augen der Immobilienbesitzer, zeichnet sich ein anderes Bild. Immobilien müssen von Zeit zu Zeit renoviert oder saniert werden. Die Rede ist noch nicht einmal von einer Luxussanierung.
Die Immobilie stellt ein Investment dar. Eine Sanierung, die im Umkehrschluss nicht zu einer höheren Rendite führt, ist für die Eigentümer uninteressant. Mietpreisbindungen machen Sanierungen wenig lukrativ. Ist ein Verkauf mit vorangehender Sanierung ebenfalls untersagt, wird mancher Eigentümer sein Objekt nur noch als passive Geldquelle betrachten.
Die meisten Mieter denken bei dem Begriff „Sanierung“ an Marmorfußböden und schmiedeeiserne Handläufe im Treppenhaus, die aus einer Immobilie eine Luxusbleibe machen. Leider überlagert dieses Vorurteil andere, bodenständige Maßnahmen. Energetische Sanierungen kommen nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Mieter durch beispielsweise niedrigere Heizkosten zugute. Übersteigen die Finanzierungskosten durch erweiterte Auflagen im Rahmen der Milieuschutzsatzung den Ertrag aus der Immobilie, wird der Eigentümer bestimmt nicht energetisch sanieren.
Investitionen unterbleiben. Das Gebäude muss nicht unbewohnbar werden, aber es verkommt. Die energetischen Standards hinken hinter dem Machbaren und Gewünschten hinterher. Trifft dies auf ganze Straßenzüge zu, greift das Gegenteil der gewollten gemischten Bevölkerungsstruktur. Wer es sich leisten kann, zieht weg. Es tritt der Effekt der ungewollten Ghettoisierung ein, das Ergebnis der Milieuschutzsatzung war kontraproduktiv.
Die Milieuschutzsatzung stellt in Zeiten knappen bezahlbaren Wohnraums durchaus ein Instrument dar, mit dem sich das Kaputtsanieren ganzer Stadtteile und der Verlust bezahlbaren Wohnraums vermeiden lässt. Allerdings sollte die Anwendung der Paragrafen sehr gezielt und nicht auf ganze Straßenzüge erfolgen.
Autor: Uwe Rabolt
Redaktion: Tina Reisewitz
Quellen und weiterführende Links
(1) Baugesetzbuch (BauGB) – § 172 Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart von Gebieten (Erhaltungssatzung)