Rückabwicklung von Kreditverträgen
Es kommt vor, dass Verträge geschlossen und im Nachhinein widerrufen werden. Der Unterschied zu einer Kündigung besteht an erster Stelle darin, dass die Kündigung den Vertrag auslaufen lässt. Was bisher geschehen ist, bleibt bestehen.
Der Widerruf hat eine andere Intention: Eine Vertragspartei will vom Vertrag zurücktreten. Ist sie erfolgreich, entsteht ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis. Das bedeutet, der Vertrag besteht vorerst weiter, nur mit anderen Inhalten.
Das Ziel ist, beide Parteien wieder so zu stellen, wie es vor Vertragsabschluss war und erlittene Schäden auszugleichen.
Seit der Einführung der neuen EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist der Widerrufsjoker nicht mehr nutzbar. Die aktuelle Frist, um eine Widerrufserklärung anzugreifen, beträgt ein Jahr und vierzehn Tage. Die folgenden Ausführungen beschreiben daher lediglich den Ablauf, wie er vor dem Juni 2016 passieren konnte.
Beispiel: Widerruf von Kreditverträgen, der Widerrufsjoker
Der Kunde einer Bank machte vom oft zitierten Widerrufsjoker gebrauch. Hatte er damit Erfolg, bedeutete das, er nutzte die Tatsache aus, dass die Widerrufsbelehrung seines Kreditvertrages mangelhaft war.
Handelte es sich um einen Kredit aus einer Hochzinsphase, konnte er diesen durch einen Vertrag in einer Niedrigzinsphase ersetzen. Der wirtschaftliche Vorteil lag primär in der Zinsdifferenz. Ging es um einen Baukredit, machte das über die Jahre schon ein kleines Vermögen aus.
Es klingt nach einer formal juristischen Hintertür und genau das war es auch. Der Grundgedanke des damals abgeschlossenen Vertrages war eine definierte Summe zu einem bestimmten Zins und mit ausgemachten Rückzahlungsoptionen von der Bank zu leihen.
Dank des Urteils XI ZR 156/08 des BHG vom 23.06.2009 konnten Kreditverträge dahingehend untersucht werden, ob die Widerrufsbelehrung korrekt formuliert worden war (1). Was das nicht der Fall, wurde der Vertrag angreifbar. Da der Kunde die Widerrufsbelehrung quasi nicht verstehen konnte, lief die Widerrufsfrist nicht an, die es bei jedem Verbraucherkreditvertrag per Gesetz auch heute noch gibt.
Diese zweiwöchige Widerrufsfrist ist im BGB §§ 355 (2) und 495 (3) geregelt. Hatte diese Frist dank der fehlerhaften Widerrufsbelehrung noch nicht zu laufen begonnen, so konnte der Kunde sofort von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen.
Konsequenzen des Widerrufs: Die Rückabwicklung
Hatte der Kreditnehmer Erfolg, weil die Bank entweder gleich in den Widerruf bzw. Rücktritt einwilligte oder weil er vor Gericht gewann, so entstand ein Rückgewährschuldverhältnis. Dieses juristische Unwort bedeutet, dass der Vertrag an sich bestehen bleibt, sich aber automatisch der Inhalt ändert.
Er wird sprichwörtlich von innen nach außen gekrempelt (4). Jede Partei soll jetzt wieder so gestellt werden, wie sie es vor Vertragsabschluss war. Im Detail bedeutet das:
- Keine Partei hat mehr Anspruch darauf, dass Pflichten aus dem widerrufenen Vertrag erfüllt werden
- Jede Partei muss der anderen zurückgeben oder wertmäßig ersetzen, was sie bekommen hat
- Jede Partei muss den Nutzen, den sie während der Laufzeit aus dem Vertragszweck erwirtschaftet hat, wieder zurückgeben.
Beispiel einer Rückabwicklung
Ein Kreditnehmer hatte 2005 von der Bank einen Privatkredit in Höhe von 100.000 Euro aufgenommen. Monatlich zahlte er 500 Euro (Zinsen und Tilgung) zurück und hatte nach zehn Jahren die Hälfte des Kredites abbezahlt. Seine Restschuld betrug 50.000 Euro.
Der Kreditnehmer erhielt 2015 Kenntnis vom Widerrufsjoker. Tatsächlich war die alte Widerrufsbelehrung im Kreditvertrag angreifbar und er trat erfolgreich vom Kreditvertrag zurück.
Jetzt sollten beide wieder in die Ausgangslage versetzt werden. Das bedeutete,
- die Bank bekam ihre 100.000 Euro zurück sowie die vereinbarte Verzinsung für den Kredit. Der Kunde hatte das Geld schließlich erhalten und der Kreditzins entspricht einer vereinbarten Leihgebühr für das Geld.
- Die Bank musste auch zahlen und zwar alle Tilgungsraten und Kreditzinsen zuzüglich des Verzugszinses. Der Kunde erhielt also die bereits geleisteten 50.000 Euro plus Zinsen zurück.
Der Kunde musste einen neuen Kredit aufnehmen, wenn er die fällige Summe nicht flüssig hatte. Das machte er nun zehn Jahre später in einer Niedrigzinsphase zu gänzlich anderen Kreditkonditionen, als es vor zehn Jahren noch der Fall war.
Ablauf der Rückabwicklung
Bei einer Rückabwicklung dürfen ganz generell die jeweils fälligen Beträge nicht automatisch gegeneinander aufgerechnet werden, so dass er nur zu einer Transaktion käme. Es muss von Rechts wegen ein Zug um Zug Geschäft sein, bei der jeder seine volle Summe an den jeweils anderen überweist.
Allein die Berechnung der Verzugszinsen für die bereits geleisteten Kreditraten ist nicht eben trivial. Unsere Schwesterseite Basiszinssatz.de listet die jeweils gültigen Verzugszinsen getrennt nach BGB und HGB auf, sowie den jeweils geltenden Basiszinssatz (5).
Was ist der Verzugszins?
Der Verzugszins entspricht dem gezogenen Vorteil. Das bedeutet: Die Bank hatte einen Vorteil durch die Zahlungen des Kunden. Sie konnte mit dem Geld wirtschaften. Da der Kreditnehmer erfolgreich den Vertrag widerrufen hatte, hätte die Bank dieses Geld nicht haben dürfen und bezahlt folglich Verzugszinsen.
Diese Verzugszinsen werden taggenau berechnet und liegen aktuell bei 5 Prozent über dem Basiszinssatz. Da sich der Basiszinssatz verändert entsteht ein gewisser Berechnungsaufwand. Diese Regelung wird durch den §288 Abs. 1, BGB definiert (6).
In der Vergangenheit wurde viel darüber diskutiert und auch unterschiedlich geurteilt, wie hoch der Verzugszins zu sein habe, den die Banken bezahlen müssten. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in seinem Beschluss vom September 2015 endgültig beantwortet (7).
Vorteil bzw. Nachteil aus Kundensicht
Hatte der Kunde die Möglichkeit in einer Niedrigzinsphase einen Kredit aus einer Hochzinsphase zu widerrufen, entstanden ihm interessante wirtschaftliche Vorteile:
- Die Zinsbelastung wurde erheblich reduziert
- Die bereits bezahlten Beträge wurden besser verzinst (Verzugszins) als es jede risikofreie Anlageform auf dem Markt konnte
- Durch die geringere Zinslast des neuen Kreditvertrages konnte bei gleicher monatlicher Belastung mehr Tilgung geleistet werden. Das reduzierte die Kreditlaufzeit erheblich.
Blickten wir in die Zukunft und sahen eine umgedrehte Zinssituation, so wäre ein entsprechendes Taktieren für den Endverbraucher natürlich nicht zu empfehlen gewesen.
Glücklicherweise hätten Banken und Sparkassen ihrerseits solche Strategien nicht fahren können. Zu groß wäre der öffentliche Druck gewesen. Bausparkassen hatten es Anfang 2015 in ihrer Not auf unterschiedliche Weisen versucht, sich von belastenden hochverzinsten Bausparverträgen zu lösen.
Autor: Marc Opitz
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesgerichtshof – Urteil des Bundesgerichtshof zur Angreifbarkeit von Widerrufsklauseln
(2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 355 Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(3) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 495 Widerrufsrecht; Bedenkzeit
(4) Bundesgerichtshof – Urteil des Bundesgerichtshof zum Ersatz eines Nutzungsausfallschadens
(5) Basiszinssatz.de – Historische Entwicklung des Basiszinssatzes und des Verzugszinses
(6) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden
(7) Bundesgerichtshof – Beschluss des Bundesgerichtshof zur Rückabwicklung eines widerrufenen Kreditvertrages