Die Kündigung eines Darlehensvertrages bei verbundenen Verträgen
Verbundene Verträge sind besondere Konstellationen, die auf den ersten Blick verwirren können. Gleichzeitig kommen sie im Alltag permanent vor. Verbraucher sichern sich einen Wissensvorsprung, wenn sie wissen, was ein solcher Darlehensvertrag ist und was bei einer Kündigung dieser Form des Privatkredites passiert.
Finanzierung im Elektronikmarkt
Nehmen wir an, ein Kunde kauft ein teures Gerät im Elektronikmarkt und finanziert es mit einem Kreditangebot, dass ihm angeboten wird. Es existieren damit zwei Verträge: Ein Kaufvertrag und ein Darlehensvertrag.
Später tritt der Kunde vom Kauf zurück bzw. widerruft den Kaufvertrag, vielleicht wegen technischer Mängel, falscher Werbeversprechen oder aus anderen Gründen.
Was passiert nun mit dem Kreditvertrag? Auch dahinter steckt ein Business Model, mit dem jemand Geld verdienen möchte. Hat sich die Sache dann erledigt, oder muss der Kunde den Kreditvertrag auch ohne etwas zu kaufen wahrnehmen?
Die Regelung des BGB zum Thema verbundene Verträge gibt darüber Auskunft und ein BGH Urteil vom Mai 2015 beleuchtet das Thema vertiefend anhand eines speziell gelagerten Falls. Auf beide Aspekte gehen wir im Folgenden ein.
Was sind verbundene Verträge?
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind ein Darlehensvertrag und ein anderer Vertrag verbunden, deren Inhalte sich gegenseitig unterstützen oder bedingen. Sie müssen eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Was kompliziert klingt, ist im Grunde eine alltägliche Sache: Der Endverbraucher kauft bei einem Elektronikmarkt eine neue Waschmaschine. Um den Kaufpreis nicht auf einmal beibringen zu müssen, schließt der Kunde zusätzlich eine Finanzierung mit ab.
Gleiches gilt auch beim Autokauf oder jeder anderen Transaktion dieser Art. Wird dem Verbraucher ein Produkt oder eine Dienstleistung angeboten und mit ihr auch gleich ein Darlehensvertrag bzw. Privatkredit, so spricht man von einem verbunden Geschäft, wenn die Kreditsumme ganz oder teilweise für das Produkt oder die Dienstleistung verwendet wird.
Die Konstruktion der verbundenen Verträge
Um von verbundenen Verträgen zu sprechen, muss der eine Vertrag mit dem anderen in direktem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Bleiben wir im Elektronikmarkt: Kunden bekommen dort nur Finanzierungen angeboten, wenn sie eine Ware erwerben. Ohne den Kauf eines Produktes gibt es keinen Darlehensvertrag.
Aus dem Darlehensvertrag heraus kann der Endkunde das aufgenommene Geld in aller Regel auch nicht für etwas anderes verwenden. Er beantragt daher eine Kreditsumme, über die er nicht frei verfügen kann.
Selbst wenn es die Möglichkeit gäbe, statt der 1.000 Euro für die neue Waschmaschine gleich 2.000 Euro über den Elektronikmarkt aufzunehmen, um das Bad gleich neu zu fliesen, wären die Verträge miteinander verbunden, da zumindest ein Teil der Darlehenssumme für den Kaufvertrag aufgewendet wird.
Im Gesetz heißt es dazu:
Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden (1).
Sind Darlehensgeber und Unternehmer das Gleiche?
Es wirkt zwar so, aber in Wirklichkeit handelt es sich um unterschiedliche Unternehmen. Der Elektronikmarkt hat keine Banklizenz und darf daher keine Bankgeschäfte machen. Darunter fällt natürlich auch die Vergabe von Krediten, denn um nichts anderes handelt es sich bei den viel beworbenen Finanzierungen.
Dazu benötigt der Markt eine Bank oder Sparkasse als Partner. Die Verkäufer fungieren dann wie Kreditvermittler im Auftrag des Kreditinstituts. Vertragspartner des Darlehensvertrages sind aber ausschließlich der Endkunde und die Bank.
Der Elektronikmarkt unterzeichnet nicht und übernimmt daher auch keine Verantwortung aus dem Vertrag heraus. Das BGB definiert die Sache wie folgt:
Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient (2).
Im Immobilienbereich ist es übrigens ganz ähnlich. Besäße die Bank selbst ein Grundstück, ein Haus, eine Wohnung oder auch ein grundstücksgleiches Recht und bietet dies zum Verkauf an mit der Bedingung diesen Kauf in ihrer Eigenschaft als Bank auch zu finanzieren, so wäre auch das ein verbundenes Geschäft.
Das gilt übrigens auch, wenn der Darlehensgeber einen Immobilienverkäufer einseitig begünstigt oder sich „dessen Verkaufsinteressen zu Eigen macht“.
Analysiert: Der Fall vor dem BGH vom 05. Mai 2015
Die Klägerin unterzeichnete 2002 einen Darlehensvertrag bei einer Bank. Die Bank bat die Kundin eine Lebensversicherung abzuschließen, um den Kredit zu besichern. Die Rechte aus der Versicherung trat die Kundin dann an die Bank ab.
Der Privatkredit war ein endfälliges Darlehen. Die Kundin bezahlte also nur die Zinsen, aber keine Tilgung während der Laufzeit des Kreditvertrages. Am Ende der Laufzeit werden solche Darlehen mit einem Schlag getilgt, daher der Begriff ‚endfälliges Darlehen‘.
Für diese Tilgung sollte die Summe der Lebensversicherung dienen, die eine gleichlange Laufzeit hatte.
Das Argument der Klägerin
9 Jahre später, im April 2011 widerrief die Kundin den Darlehensvertrag. Die Gründe für den erfolgreichen Widerruf sind nicht bekannt. Gleichzeitig wollte die Kundin auch den Lebensversicherungsvertrag widerrufen und argumentierte, dass es sich um verbundene Verträge gehandelt habe. Denn:
Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (3).
In ersten Instanzen hatte es die Frau geschafft, den Darlehensvertrag in ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis zu wandeln. Das bedeutet, der Vertrag besteht formal juristisch fort, nur der Inhalt ändert sich (4). Im Ergebnis wird der Vertrag damit rückabgewickelt.
Dasselbe Ergebnis wollte die Klägerin nun auch für die Lebensversicherung erzielen und berief sich dabei auf die Verbundenheit der Geschäfte.
Das Urteil des BGB (XI ZR 406/13)
Die Klägerin hatte allerdings keinen Erfolg. Grund dafür ist, dass die beiden Geschäfte (Darlehen und Lebensversicherung) nicht in direktem wirtschaftlichen Kontext standen. Zwar bedingten die Verträge einander auf einer geschäftlichen Ebene. Die Kundin hätte das Darlehen damals vielleicht ohne den Abschluss der Lebensversicherung nicht bekommen.
Aber die Verträge als solches bedingen einander nicht. Denn die Darlehenssumme floss nicht, auch nicht teilweise, in die Lebensversicherung ein. Daher waren die beiden Verträge nicht im Sinne BGB §358 miteinander verbunden.
Der BGB formuliert die Begründung folgendermaßen:
[…] wenn die Versicherungsprämie nicht in Form einer Einmalzahlung zu entrichten ist, die ganz oder teilweise durch das Darlehen finanziert wird. Denn diese Vorschrift [die Regelung zur Verbundenheit von Verträgen, BGB §358] setzt voraus, dass erstens das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und dass zweitens beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Wird die Versicherungsprämie nicht aus dem Darlehen finanziert, fehlt bereits die erste dieser beiden Voraussetzungen.
Warum ging die Klägerin vor Gericht?
Damals, als die Kundin den Darlehensvertrag abgeschlossen hatte, war das Kreditzinsniveau sehr viel höher, als es 2011 der Fall war. Es kann vermutet werden, dass sie durch eine Rückabwicklung erhebliche Zinsbelastungen ungeschehen machen wollte.
Dazu nimmt sie heute einen niedrig verzinsten Kredit auf und bezahlt mit der Summe den alten und hoch verzinsten Kreditvertrag zurück. Die Differenz zwischen den beiden Zinssummen ist ihr wirtschaftlicher Vorteil (nach gegenseitigem Abzug von Nutzungsentschädigungen).
Den Darlehensvertrag konnte die Kundin erfolgreich widerrufen und in der Folge rückabwickeln. Mit der Lebensversicherung wäre es ebenso gelaufen, wenn es sich um ein verbundenes Geschäft gehandelt hätte. Warum die Dame allerdings einen gut verzinsten Lebensversicherungsvertrag aus alten Tagen rückabwickeln wollte, erschließt sich nicht auf Anhieb.
Autor: Marc Opitz
Quellen und weiterführende Informationen
(1)(2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 358, Abs. 3, Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag
(3) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 358, Abs.2, Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag
(4) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 346 Wirkungen des Rücktritts
(5) Bundesgerichtshof – Rückabwicklung eines Kreditvertrags und einer Kapitallebensversicherung