Widerruf von Baufinanzierungen wegen Passus zu Online-Vertragsabschluss
Das sogenannte „ewige Widerrufsrecht“ für Baufinanzierungen, die zwischen 2002 und 2010 geschlossen wurden, hat der Gesetzgeber bereits im Jahr 2016 aufgehoben. Da die Kreditinstitute aber offensichtlich nicht lernwillig sind, hat sich jetzt durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), (Az.: XI ZR 331/17 für Kreditnehmer mit Darlehensabschlüssen aus der Zeit zwischen 11. Juni 2010 und 20. März 2016 erneut die Option des verspäteten Widerrufs eröffnet (1).
- Einige Kreditinstitute bezogen sich hinsichtlich der Widerrufsfrist fälschlicherweise auf Fernabsatzverträge gemäß BGB.
- Baufinanzierungen werden allerdings meist noch mit händischer Unterschrift auf Papier unterzeichnet. Und das fällt nicht unter Fernabsatzverträge gemäß BGB.
- Betroffen sind Verträge aus der Zeit zwischen Juni 2010 und März 2016.
- Können Baufinanzierungsverträge aufgrund dieses Widerrufsjokers gekündigt und neue Verträge zu aktuellen Niedrigzinsen aufgenommen werden, spart das den Kreditnehmern sehr viel Geld.
Der Sachverhalt zum Widerruf
Die Karlsruher Richter mussten sich mit einer Widerrufsbelehrung der besonderen Art befassen. Die Sparda-Bank formulierte in ihrem Kreditvertrag, dass die Widerrufsfrist beginnt, wenn der Darlehensnehmer „seine Pflichten aus Paragraph 312g Absatz 1 Satz 1 BGB erfüllt hat.“ (2) Die Krux bei dieser Formulierung liegt darin, dass sich der besagte Paragraf ausschließlich auf Fernabsatzverträge bezieht.
Da es bei einer Baufinanzierung in der Regel noch üblich ist, dass der Darlehensnehmer den Vertrag mit der eigenhändigten Unterschrift auf Papier gegenzeichnet, fällt ein solcher Kreditvertrag nicht unter das Fernabsatzgesetz, die Widerrufsbelehrung ist somit fehlerhaft und hinfällig.
Sowohl das Landgericht Berlin (Urteil vom 14.12.2016, AZ. 10 O 207/16) als auch das Kammergericht Berlin (Urteil vom 24.04.2017, AZ. 24 U 8/17) hatte die Klage der Darlehensnehmer im Vorfeld abgewiesen.
Allerdings kam es, wie vom BGH festgestellt, im Laufe der Verhandlung zu einem Verstoß gegen Artikel 103 Grundgesetz, welcher das Recht auf Anhörung aller Beteiligten vor Gericht regelt. (3) Das Berufungsgericht hatte eine weitere Eingabe der Kreditnehmer nicht gehört. Vor diesem Hintergrund wurde das Urteil des Kammergerichts Berlin seitens des BGH für unzulässig erklärt.
Wer ist betroffen?
Bei den monierten Widerrufsbelehrungen handelt es sich um Kreditverträge der Sparda-Banken, der PSD-Bank und einiger Volks- und Raiffeisenbanken. Darlehensnehmer insbesondere dieser drei Banken, die im besagten Zeitraum eine Baufinanzierung aufgenommen haben, sollten sich ihre Widerrufsbelehrung anschauen. Ist dort ebenfalls der kritisierte Passus mit Verweis auf Paragraf 312g BGB enthalten?
Macht eine Überprüfung der Widerrufsbelehrung Sinn?
Mit seiner gesetzlich verfügten Beendigung des ewigen Widerrufrechtes hatte der Gesetzgeber den Banken den Rücken gestärkt. Die Entwicklung der Baufinanzierungszinsen machte es für viele Darlehensnehmer finanziell attraktiv, aus hochverzinsten Altverträgen ohne Vorfälligkeitsentschädigung auszusteigen und ein niedriger verzinstes Darlehen zu nutzen. Im Jahr 2011 lag der durchschnittliche Zinssatz in der Spitze bei einer Festschreibung von 15 Jahren noch bei 4,66 Prozent und bei zehnjähriger Zinsbindung bei 4,32 Prozent.
Im Jahr 2019 sieht es da schon ein wenig anders aus. Für eine Zinsfestschreibung von 15 Jahren berechneten die Banken im Durchschnitt 1,04 Prozent, für eine Dauer von zehn Jahren nur noch 0,74 Prozent.
Bei einem Darlehen in Höhe von 200.000 Euro beträgt der Zinsvorteil im ersten Jahr für eine Zinsbindung von 15 Jahren 7.240 Euro, für zehn Jahre Festlegung immerhin noch 7.160 Euro.
Vor diesem Hintergrund sollten Darlehensnehmer zunächst einen Blick in ihre Widerrufsbelehrung werfen und im Nachgang einen erneuten Zinsvergleich durchführen, um eine deutlich günstigere Baufinanzierung aufnehmen zu können. Mithilfe des Widerrufsjokers könnte viel Geld gespart werden.
Quellen und weiterführende Informationen
(1) Bundesgerichtshof – XI ZR 331/17
(2) BGB – § 312g BGB – Widerrufsrecht
(3) GG – Art 103